Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ringt Union Zugeständnisse ab
Bei den Koalitionsverhandlungen zum Thema Innere Sicherheit gab es eine Überraschung. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) rang der Union einige Zugeständnisse ab. Von Rudi Wais
Draußen, in der Kälte, steht ein halbes Dutzend Demonstranten und hält trotzig ein Schild in die Höhe: "Bürgerrechte sind keine Verhandlungsmasse." Drinnen, in der baden-württembergischen Landesvertretung, sitzt
- und lächelt. Beim Reizthema Innere Sicherheit hat sich die Verhandlungsführerin der
in wichtigen Punkten durchgesetzt.
Dass die neue Koalition die Privatsphäre der Bürger wieder besser schützt, ist für sie auch ein sehr persönlicher Erfolg. 14 Jahre nach ihrem tränenreichen Rücktritt als Justizministerin steht die 58-jährige Liberale vor einem politischen Comeback, das es in dieser Form noch nicht gegeben hat.
Damals wurde sie im Streit um den Großen Lauschangriff von ihrer eigenen Partei ausgebremst - einer Partei, die sich immer stärker auf wirtschaftliche Fragen zu konzentrieren begann und in der prinzipienfeste Linksliberale wie Burkhard Hirsch, Gerhart Baum oder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger seltsam gestrig wirkten. Die elf Jahre in der Opposition allerdings haben die FDP mehr verändert als ihre bayerische Landesvorsitzende, und so gesehen ist es vermutlich nur konsequent, wenn sie jetzt auch als aussichtsreichste Anwärterin auf ihr altes Ministerium gehandelt wird.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist sich treu geblieben - und unbequem obendrein. Wenn die Nichte des früheren Justizministers Wolfgang Stammberger das Gefühl hat, der Staat mische sich zu sehr in die privaten Angelegenheiten seiner Bürger ein, scheut sie keinen Streit und keine Klage vor dem Verfassungsgericht. Selbst ihr früherer Hund hörte auf den Namen eines Bürgerrechtlers: Martin Luther.
In den Verhandlungen mit ihrem alten Rivalen Wolfgang Schäuble hat sie mehr durchgesetzt als erwartet: Einen Computer online durchsuchen kann das Bundeskriminalamt künftig erst, wenn ein Bundesrichter dies genehmigt hat, auf Telefondaten darf der Staat nur zugreifen, wenn Leib und Leben eines Menschen gefährdet sind, Internetseiten mit Kinderpornografie sollen nicht nur gesperrt, sondern gleich gelöscht werden.
"Ein sehr gutes Ergebnis mit klarer liberaler Handschrift" sei das, sagt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Zum ersten Mal seit dem 11. September 2001 gibt der Staat seinen Bürgern etwas von ihrer alten Freiheit zurück.
Das ist, nicht zuletzt, auch ihr Verdienst. Vor neun Jahren hatte die Bundestagsabgeordnete aus Feldafing bei Starnberg noch Mühe, überhaupt Vorsitzende des zerstrittenen bayerischen Landesverbandes zu werden. Mittlerweile hat sie ihre Partei zurück ins Maximilianeum und in eine Koalition mit der CSU geführt, sie bietet den mächtigen Innenpolitikern der Union Paroli und dementiert die Frage, ob sie nicht Schäubles Nachfolgerin werden wolle, allenfalls halbherzig: "Ich spekuliere nicht, aber das Innenministerium ist von großem Gewicht."
Nach der gängigen Koalitionslogik ist dieses Ressort für die FDP zwar außerhalb jeder Reichweite, das neue Selbstbewusstsein der Sabine Leutheusser-Schnarrenberger aber steht auch für ein neues Wertesystem in der FDP. Ihre Partei, sagt sie, habe heute ein ganz anderes Selbstverständnis als am Ende der Kohl-Zeit.
Obwohl in der Finanzkrise naturgemäß wirtschaftspolitische Probleme dominierten, registriere sie ein wachsendes Interesse an Bürgerrechtsthemen wie dem Datenschutz. Dass fast 30.000 Menschen im Internet gegen das Speichern von Daten auf Vorrat Klage beim Verfassungsgericht eingereicht hätten, zeige ja vor allem eines: "Sie wollen nicht, dass der Staat in ihrem Leben herumschnüffelt." (Rudi Wais)
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