Merkel ruft Koalition zum Anpacken auf
Berlin (dpa) - Nach der Schlappe bei der Bundespräsidentenwahl hat Kanzlerin Angela Merkel die Koalition zu mehr Teamgeist aufgefordert. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte am Montag nach einer Sitzung der Parteispitze: "Es ist betont worden, dass das, was vor uns steht, alle in die Pflicht nimmt." Darauf habe die CDU-Chefin hingewiesen. Als erste Bewährungsprobe steht die Gesundheitsreform an: An diesem Dienstag wollen die Koalitionsspitzen dazu eine Einigung präsentieren.
Die Kanzlerin sagte zur Frage ihrer Bilanz vor der Sommerpause: An diesem Dienstag nehme die Koalition erst einmal die Gesundheit ins Visier. Danach werde sie noch wichtige Entscheidungen fällen, "so dass wir in dieser Woche noch gut beschäftigt sein werden". Merkel ist an diesem Dienstag erstmals zu Gast in der FDP-Fraktion. FDP- Generalsekretär Christian Lindner hofft, dass daraus eine Tradition wird. Es sei ein schönes Signal, dass die Koalition den Willen habe, gemeinsam voranzukommen.
Die Kanzlerin will aus den Problemen bei der Präsidentenwahl Konsequenzen ziehen, bei der Christian Wulff erst im dritten Wahlgang auf eine absolute Mehrheit kam. Gröhe sagte, allen sei bewusst, "dass wenn sich hier Unmut äußert, das ein Unmut ist, der uns allen gilt". Der Unmut habe auch seine Ursache darin, "dass wir zu wenig als Mannschaft auch in der Koalition erlebbar waren". Nun müsse der Blick mit Selbstbewusstsein nach vorn gehen.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sieht keinen Unmut nur gegen Merkel. "Wenn, dann richtet sich der Unmut gegen die Koalition insgesamt", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Wir müssen einfach besser werden." In der CDU-Spitze gab es nach Angaben von Generalsekretär Gröhe keine Vorschläge über eine Trennung von Merkels Partei- und Regierungsamt.
Schwarz-Gelb muss nach Ansicht von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) klare Positionen beziehen. "Wenn ein Denkzettel ausgeteilt worden ist, dann ist er für die gesamte Regierung und christlich-liberale Koalition. Der Auftrag daraus ist ja klar: dass wir uns eindeutig positionieren müssen."
Nordrhein-Westfalens scheidender Ministerpräsident Jürgen Rüttgers rief die CDU zu besserem Zusammenhalt auf. Für die Entwicklung der Partei sei es enorm wichtig, dass wieder das Gefühl entstehe, für gemeinsame Ziele zu kämpfen. Er will im Herbst nicht wieder als CDU- Vize kandidieren. Das CDU-Präsidium will nach der Sommerpause in einer Klausur über strittige Themen wie Atom-Laufzeiten beraten. CDU-Präsidiumsmitglied Philipp Mißfelder bedauerte nach Teilnehmerangaben den geplanten politischen Rückzug von Hessens Ministerpräsident und CDU-Vize Roland Koch. Einige Politiker aus CDU und CSU wünschen sich, dass Koch nicht in die Wirtschaft wechselt. Koch sagte: "Es hat sich gar nichts geändert. Zeitungen schreiben jedes Wochenende etwas anderes."
Die Bundesbürger müssen mit mehr Belastungen rechnen. Die Koalitionsspitzen und Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) wollen an diesem Dienstag den Streit über das Finanzierungspaket beenden. Die Obergrenze bei Zusatzbeiträgen steigt voraussichtlich zu Lasten der Versicherten von 1 auf 2 Prozent - dies wären maximal 75 Euro im Monat. Ein Sozialausgleich könnte aus Steuermitteln bezahlt werden. Der Beitragssatz soll von 14,9 auf 15,5 Prozent steigen. Rösler besucht an diesem Dienstag die CDU/CSU-Fraktion, hieß es aus Unionskreisen.
Die CDU will trotz der Belastungen auf soziale Balance achten. "Entscheidend ist für uns, dass das daran gemessen wird, dass niemand überfordert wird." Die FDP zeigt sich weitgehend zufrieden. FDP- Generalsekretär Christian Lindner sagte, es sei ein Einstieg in eine grundlegende Gesundheitsreform. Die SPD sprach von einer Entscheidung zwischen "Pest und Cholera".
Beim Datensammelprojekt "Elena" heißt es Kommando zurück: Wegen einer Kostenexplosion und wegen technischer Mängel schlug Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) vor, das Verfahren für unbestimmte Zeit auszusetzen. Die Kommunen schätzen, dass die Kosten pro Arbeitnehmer, die ab 2012 mit einer digitalen Unterschrift (Signatur) Wohn- oder Elterngeld abrufen sollen, statt 10 Euro auf bis zu 80 Euro geschätzt werden. Unterm Strich könnte das Projekt etwa 3,2 Milliarden Euro kosten.
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