Merkel und Putin: Was bleibt, ist eisiges Schweigen
Einfach war es zwischen Kanzlerin und Kreml-Chef nie. Die Geschichte einer komplizierten Beziehung und einer Provokation, die Merkel Putin nie verziehen hat.
Es gibt diese eine Szene, die das Verhältnis zwischen Angela Merkel und Wladimir Putin vielleicht besser beschreibt, als es Worte könnten. Hunde flößen der Bundeskanzlerin großen Respekt ein. Und was macht der Kreml-Chef? Bringt zum Plausch mit der deutschen Regierungschefin vor laufenden Fernsehkameras im Januar 2007 seinen schwarzen Labrador mit, der durchaus als stattlich bezeichnet werden darf. Entspannt ist fortan nur noch der Herr im Haus. Und der gibt sich nur wenig Mühe, zu verbergen, wie viel Spaß ihm die Situation macht. In psychologischer Kriegsführung hat er Merkel viel voraus. Die Kanzlerin ist erst ein gutes Jahr im Amt und noch unerfahren. Putin ist ein Profi. Der russische Macho, der bis heute eine Männerfreundschaft mit Merkels Vorgänger Gerhard Schröder pflegt, lächelt süffisant.
Merkel und Putin sprechen die Sprache des anderen, mehr aber auch nicht
Mit Putin verbindet die Bundeskanzlerin seither eine Art politische Hassliebe. Beide sind länger im Amt als die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen, mit denen sie es auf dem politischen Parkett zu tun haben. Putin spricht deutsch, Merkel spricht russisch. Das schafft eine gewisse Nähe. Doch das Klima zwischen den beiden war von Beginn an kalt. Und es wurde die Jahre über immer kälter.
Am Mittwoch nun war ein neuer Frostgrad erreicht. Ungewohnt undiplomatisch konstatierte Merkel „sehr schwerwiegende Fragen“ zu dem Giftanschlag auf den Oppositionspolitiker Alexej Nawalny. Fragen, die „nur die russische Regierung beantworten kann und beantworten muss“. Fragen an Wladimir Putin. Am Donnerstag dann wollte die Kanzlerin gar nichts mehr zu dem brisanten Fall sagen. Sie habe umfassend Stellung genommen, teilte sie mit unbewegter Miene mit. Es ist die Höchststrafe, zu der die Politikerin in solchen Fällen fähig ist: Kollege Putin, soll das heißen, du bist mir kein weiteres Wort wert.
Merkel hat Respekt vor Hunden, Putin bringt seinen Hund mit
Lange hatte sich Merkel bemüht, den Gesprächsfaden zu Moskau nicht abreißen zu lassen, zu vermitteln, Machtspielchen ins Leere laufen zu lassen, Provokationen zu ertragen. Nun, auf der Zielgeraden ihrer Karriere, scheint sich das zu ändern. Sie hat nichts mehr zu verlieren – und die Szene mit dem Hund bis heute nicht vergessen. Angst habe sie nicht gehabt, erzählt sie später einmal, aber eine gewisse Sorge, weil sie einmal gebissen worden sei. „Obwohl, wie ich glaube, der russische Präsident genau wusste, dass ich nicht gerade begierig darauf war, seinen Hund zu begrüßen, brachte er ihn mit. Aber so war es nun mal. Und man sieht ja, wie ich mich tapfer bemühe, Richtung Putin zu gucken und nicht Richtung Hund.“ Das ist Merkels offizielle Darstellung. Aber hinter den Kulissen weiß man: Sie hat dem Russen diese öffentliche Demütigung nie verziehen.
Auch in den Jahren danach bewegt sich die deutsche Regierungschefin in dem Spannungsfeld dessen, was sie von Putin persönlich denkt und was politisch angebracht ist. Denn klar ist auch, dass Merkel niemals persönliche Befindlichkeiten über das politisch Notwendige stellen würde. Ein Beispiel: der Krieg in Syrien. Offen kritisiert Deutschland die russische Rolle in dem blutigen Konflikt nur vorsichtig. Merkel weiß, dass es ohne Putin nie zu einer Lösung kommen wird und hält sich zurück. Inoffiziell sind sie und ihre Diplomaten aber entsetzt angesichts seines Vorgehens gegen Schulen oder Krankenhäuser. Sie beklagen, der russische Präsident lüge wie gedruckt.
Sie duzen sich und telefonieren viel
Es gibt auch immer mal wieder Lichtblicke. Beide telefonieren oft, der Wegfall von Sprachbarrieren hilft. Sie duzen sich, legen gemeinsam Kränze am Grabmal des Unbekannten Soldaten in Moskau nieder, lachen herzhaft auf der Hannover Messe. Manch gute Flasche Rotwein ist dem Vernehmen nach bei bilateralen Gesprächen geleert worden. Aber vor allem seit dem erneuten Amtsantritt Putins 2012 bringt der russische Präsident seine deutsche Kollegin immer wieder in Rage. Da ist natürlich der Konflikt in der Ukraine. Oder die Auflösung der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti. Die Verschärfung der staatlichen Kontrolle im bereits stark regulierten Mediensektor geht gegen alle Prinzipien der Kanzlerin.
Auch das harte Vorgehen gegen Nichtregierungsorganisationen wie die Konrad-Adenauer-Stiftung in Moskau empfindet man in Berlin als massive Provokation. Dann gibt es auch noch den Verdacht, der russische Geheimdienst nehme Einfluss auf die Bundestagswahl und versuche, die Stimmung in Deutschland aufzuheizen. Nun auch noch Nawalny. Und überall soll Putin seine Finger im Spiel haben. Ist das Maß voll? Zumindest sollte man das meinen, aber zu den ganz harten Einschnitten kommt es am Ende dann doch nie. Ein militärisches Eingreifen ist ausgeschlossen. Es bleibt beim Versuch, einen politisch-diplomatischen Prozess in Gang zu setzen, wie Merkel es ausdrückt. Also bei Worthülsen, beim ständigen Lavieren.
Die Bundeskanzlerin weiß um die Interessen der deutschen Wirtschaft an einem guten Verhältnis zu Russland. Besonders der strukturschwache Osten hängt am Tropf des Kremls und dringt auf Entspannung. Auch deshalb sind die Sanktionen gegen Moskau, ausgesprochen nach der Annexion der Krim, längst kein scharfes Schwert mehr.
Merkel verliert die Geduld mit Putin
Im persönlichen Bereich jedoch hat Merkel nun das Tischtuch zerschnitten. Putin sagte einmal über die Kanzlerin, er vertraue ihr, sie sei ein sehr offener Mensch. Umkehrt sind solche Äußerungen nicht bekannt. Und es sieht nicht danach aus, als ob Merkel im letzten Regierungsjahr ihre Meinung noch ändern wird. Zumal selbst Politiker wie Horst Seehofer, die bislang stets darum geworben hatten, das Verhältnis zum Kreml nicht komplett vereisen zu lassen, langsam resignieren. Als bayerischer Ministerpräsident war Seehofer mehrfach nach Moskau gereist. „Wir wollen mit ehrlichem Herzen unseren Beitrag leisten, dass wir in diesem schwierigen politischen Umfeld wieder ein Stück Vertrauen und Normalität herstellen“, sagte er damals zu seinem Gastgeber. Für den CSU-Politiker bedeutet Realpolitik, auch mit Leuten in Kontakt zu bleiben, die nicht über jeden moralischen Zweifel erhaben sind. Diese pragmatische Form im Umgang mit schwierigen Gesprächspartnern zeichnet auch die Kanzlerin aus. Doch zumindest mit Putin scheint ihre Geduld am Ende zu sein.
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Manchmal ist es schwer bis schmerzhaft, in einem Rechtsstaat zu leben. Denn da kommt man (Gott sei Dank) nicht mit Vorverurteilungen und Vermutungen weiter, man muss für die Schuld eines Verdächtigen Beweise beibringen. Bis zur rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung, So ist es (leider) auch in diesem Fall. Ob Merkel die Geduld verliert oder Putin seinen schwarzen Hund herumlaufen lässt, ist nicht relevant. Das gehört hier nicht her. Auch Nordstream 2 ist hier kein Argument, denn aus Menschenrechtserwägungen dürften wir weder von den Saudis Öl beziehen noch mit China irgendwelche Geschäfte machen. Und auch Fracking-Gas aus den USA wäre tabu. Wichtig wäre es, eine Basis mit Russland zu finden, mit der beide Seiten leben können, ohne sich in die Enge getrieben zu fühlen. Es geht doch nicht so: Aber doch nicht so: der eine bringt seinen Hund mit und provizerit mit der Krim, die Nato will die Ausbreitung nach Osten entgegen getroffener Absprachen durchsetzen und brüskiert damit Russland, die EU streckt die Hand nach der Ukraine aus, Trump will Raketen und Truppen in Polen –das ist doch keine Politik, die auf Frieden und Toleranz hinarbeitet, das sind Sandkastenspiele, allerdings sehr gefährliche.
Wie recht Sie haben! Die Saudis beliefern wir mit Waffen, kaufen ihnen Öl ab, die häckseln in der Türkei den saudischen Journalisten Jamal Khashoggi und wir behandeln sie im Grunde wie die Schweiz. Ganz zu schweigen von China und der Türkei. Verlogener geht nicht.
Unerträglich was diese deutschen Pappnasen hier veranstalten und das wegen eines rechten mehrfach verurteilten Rassisten, als der dieser Nawalny wie immer mehr klar wird, bezeichnet werden kann.
Wir sollten uns vielleicht auch mal fragen, warum der allmächtige Putin diesen Herrn eigentlich nach Deutschland ausreisen ließ.
Wie sich bei Putin rechts und links immer einig sind. ;-)
Was hat er zu verlieren? Nordstream wird kommen. Was soll aussenpolitisch passieren? Andere Taten waren da viel schwerwiegender. Um ihn gerichtsfest anschuldigen zu können, müsste man Geheimdienstquellen enttarnen. Was nicht passieren wird. Und selbst wen. Welches Gericht sollte ihn verurteilen? Wer sollte ihn ausliefern? Wer würde wegender Sache in Russland militärisch intervenieren?
Wieso auffliegen lasse? Ganz einfach. Man soll durchaus wissen wer es war und wieso. Ohne es öffentlich beweisen zukönnen.
Es ist eine Botschaft und gleichzeitig Drohung ans eigene Volk. Ein 2. Belarus wird es nicht geben. Und auch eine Drohung an die Opposition in Belarus.
@ HARALD V.
Eigentlich sind im Zusammenhang mit diesem Verbrechen nur 2 Fakten unstreitig: Es wurde auf dem Gebiet eines fremden Staates verübt und Putin persönlich war sicher nicht der Täter.
Ob uns Europäern die Rolle der Moralapostel gut steht, nachdem wir ziemlich tatenlos Tausenden Flüchtlingen, Frauen und Kindern beim Ertrinken im Mittelmeer zusahen, bezweifle ich stark.
Selbst halte ich Putin für kein Unschuldslamm - ganz sicher aber ist er kein Dummkopf.
Ihre Stellungnahmen zu diesem Thema, sehr geehrter Herr HARALD V., die ich sonst sehr schätze, sind nicht von dem Bemühen um Objektivität sondern von starken Vorurteilen gegen die Person Putin geprägt. Und Sie übersehen völlig, dass Geheimdienste oft ein reges undurchschaubares Eigenleben entwickeln. Damit liegen sie voll im Medientrend.
Der russische Präsident ist der Täter - BASTA.
Dann Vorhang zu und viele Fragen offen - um es mal mit Marcel Reich-Ranicki zu sagen.
Vermutlich eine Mehrheit der Deutschen sieht die Geschichte aber differenzierter. Hören Sie mal in das heutige Tagesgespräch von Radio Bayern 2 von 12 bis 13 Uhr rein.
https://www.br.de/mediathek/podcast/tagesgespraech/nawalny-vergiftet-was-bedeutet-der-anschlag-fuer-das-deutsch-russische-verhaeltnis/1803711
@Georg Kr.
Ja diese beiden Tatsachen stimmen. Und das die Ärzte angeblich eine Stoffwechselkrankheit festgestellt haben. Ihn aber anfangs scheinbar richtig behandelt haben. Bin zwar kein Mediziner aber glaube nicht, dass man die gleich behandelt. BeiNervenkampfstoffen werden ja die Nerven angegriffen.
Nordstream 2 wird kommen. Wieso sollte die jetzt auf einmal scheitern. Nach den ganzen anderen Sachen wie Krimannektion, Salisbury, usw. Dafür ist Nawalny viel zu unwichtig.
Ob der Tod des Herrn unbedingt beabsichtigt war? Glaube ich auch nicht. Wenn er stirbt gut, wenn nicht auch gut. Hauptsache die Botschaft ist raus. Für mich ist das ein Zeichen an das eigene Volk undeine Drohung an Oppositionelle. Die russische Wirtschaft schwächelt. Das sorgt nicht für ein zufriedenes Volk. Und die Lage in Belarus wird der Kreml nicht mit einem Achselzucken abtun. Im Gegenteil. Das macht dem Kreml aktuell am meisten Sorgen.
Es gibt jetzt Rufe hinsichtlich NS2. Aber die werden schnell verhallen.
Wir haben den Vorteil zumindestmoralisch die Flüchtlingsströme nicht so aktiv ausgelöst zu haben wie Russland. Zudem wieviel Flüchtlinge hat Russland aufgenommen. Ihre Marine hätte sicher ebenfalls welche retten können.
Dreck am Stecken hat jeder. Irgendwelche Waffenlieferungen an jemand der Verbrechen begeht macht jeder.
Der Unterschied ist, das Oppositionelle sogar Verfassungsfeinde hierzulande nicht um ihr Leben fürchten müssen. Und unsere Wahlen können doch unerwünschte Ergebnisse haben.
Das zudem Putin die Kontrolle über die Geheimdienste verloren hat, glaube ich nicht. Er selbst kommt ja vom KGB und ist dort immer noch sehr gut vernetzt. Irgendeiner würde ihm schon was mitteilen, wenn was Eigenleben entwickeln würde.
P.S. Ich halte Putin nicht für einen Dummkopf. Im Gegenteil. Beispielsweise in Syrien war er der Einzige der Akteure mit einer Strategie. Die Gemässigten ausschalten, solange alle vom IS entsetzt sind, und dann erst die Islamisten bekämpfen, Die Kurden werden spätestens wenn sie erneut verarscht wurden mit Assad wieder kooperieren und sich unterordnen. Voll aufgegangen. Das Problemchen mit Erdogan wegen dessen Unterstützung von Islamisten, wird er auch noch lösen.
Komisch...Herr Trump wollte in der Vergangenheit diese Pipeline mit allen Mitteln verhindern. Dann wird der Herr Nawalny vergiftet, Putin ist Schuld und die Pipeline steht plötzlich in Frage. Habe ich irgendwo einen Denkfehler?
Dann sollte Russland diesmal im Internet die Präsidentschaftswahl in den USA gegen Trump beeinflussen. Dann können die sich mit den Chinesen ja eine Arbeitsgemeinschaft bilden. ;-)
Was wollte dann Trump mit dem Mord in Berlin bezwecken? Mit dem Attentat in Salisbury? Mit der Annektion der Krim? Mit dem Krieg in der Ostukraine? Da hat es schon viel bessere Gelegenheiten gegeben das zu sabotieren bzw. Durch aufzubauen.
Besonders Trump? Der mit russischen Wahlunterstützung Präsident wurde? Den russische Oligarchen vorm Bankrott gerettet haben? Der voll im Wahlkampf ist? Trump interessiert sich doch in erster Linie um Trump. Nicht um Nordstream.
Nordstream 2 in Frage? Das würde schon sehr stark einen wundern.
Noch ein Denkansatz? Wieso haben die russischen Ärzte eine Stoffwechselkrankheit gefunden und keinen Nervenkampfstoff?