Michael Bloomberg: Die Bauchlandung des Senkrechtstarters
In seiner ersten Demokraten-Debatte wird der Milliardär Mike Bloomberg entzaubert. Der linke Senator Bernie Sanders kann sich freuen.
Die sechs Diskussionsteilnehmer hatten gerade die Bühne des Paris-Hotel in Las Vegas verlassen, als sich einer von ihnen bei Twitter an seine 2,6 Millionen Follower wandte. "Morgen früh wachen die Amerikaner wieder in unserer bedauernswerten Realität auf", erklärte Michael "Mike" Bloomberg. Ein Videoclip zeigte in schneller Abfolge Massenschießereien, Waldbrände und Probleme des Gesundheitswesens unter Präsident Donald Trump. "Amerika hat besseres verdient", sagte der Kommentator: "Mike Bloomberg wird uns zusammenbringen."
Daran hatten die zwei Stunden zuvor ernste Zweifel genährt. Da musste der 78-jährige Multimilliardär erstmals außerhalb seiner virtuellen Netz-Kampagne live mit anderen Bewerbern für die demokratische Präsidentschaftskandidatur debattieren. Und mit Ausnahme von Bloombergs Pressesprecherin hatte wohl kein Zuschauer den Eindruck, dass der Auftritt ein Erfolg war.
Bloomberg behauptet: Nur er kann Trump schlagen
Mit dem Einsatz von schwindelerregenden 300 Millionen Dollar aus seinem Privatvermögen hat es der Medienunternehmer in nur zehn Wochen geschafft, sich in nationalen Umfragen auf 16 Prozent und den dritten Platz hinter dem linken Senator Bernie Sanders und Ex-Vizepräsident Joe Biden zu katapultieren. Er sei der Ex-Bürgermeister von New York, ein erfolgreicher Geschäftsmann, ein pragmatischer Macher – nur er könne Trump schlagen, lautet sein zentrales Versprechen.
Doch schon in der ersten Runde der Debatte ging Bloomberg zu Boden. Mit einer Breitseite gegen den Parteifreund leitete die in Iowa und New Hamsphire abgestürzte Senatorin Elizabeth Warren am Mittwochabend ein furioses Comeback ein: "Ich möchte darüber reden, gegen wen wir antreten", empörte sie sich: "Einen Milliardär, der Frauen 'fette Tussis' und 'pferdegesichtige Lesben' nennt." Sie meinte nicht Donald Trump, sondern Bloomberg.
Bloomberg findet keine Antworten auf seine Schwachstellen
Eigentlich konnte die Attacke den Quereinsteiger ebensowenig überraschen wie die Kritik der anderen Bewerber an der New Yorker Polizeitaktik des "Stop and Frisk" (Anhalten und Filzen) und seinem Versuch, mit Geld die demokratischen Vorwahlen auszuhebeln. Sowohl über die frauenfeindlichen und herablassenden Äußerungen des Firmenchefs in den 1990er Jahren wie über die anlasslosen Polizeikontrollen, die überwiegend Schwarze und Latinos betrafen und später als verfassungswidrig erklärt wurden, war in den amerikanischen Medien prominent berichtet worden.
Doch trotzt intensiver Vorbereitung hatte Bloomberg keine überzeugende Antwort auf seine größten Schwachstellen. Die sexistischen Sprüche bagatellisierte er mit dem Hinweis, einige Frauen hätten "einen Witz nicht gemocht, den den ich gemacht habe". Die willkürlichen Kontrollen waren nach seiner Darstellung im Kampf gegen eine dramatische Mordrate anfangs gerechtfertigt, seien dann aber zu seinem Erschrecken aus dem Ruder gelaufen. Und sein gigantisches Vermögen? Das habe er ehrlich verdient, spende die Hälfte für gute Zwecke, und im übrigen: "Wir werden nicht den Kapitalismus abschaffen. Das haben andere Länder versucht. Es heißt Kommunismus und funktioniert nicht."
Der Favorit heißt momentan Bernie Sanders
Das war ein Seitenhieb gegen den selbstdeklarierten "demokratischen Sozialisten" Sanders, der jenseits dieses Anwurfs ziemlich ungeschoren über die Runden kam, obwohl er die nationalen Umfragen mit immer größerem Abstand anführt und seine radikalen Positionen durchaus Anlass für kritische Nachfragen und Distanzierungen bieten würden. Doch die Debatte entwickelte ihre eigene Dynamik: Die beiden moderaten Kandidaten Pete Buttigieg und Amy Klobuchar, gingen im politischen Überlebenskampf erbittert aufeinander los. Und ansonsten arbeiteten sich alle an dem arrogant und blutleer wirkenden Bloomberg ab.
Der Milliardär wird in den kommenden Tagen alles tun, um mit einer massiven Werbekampagne seine Entzauberung zu übertünchen. Bernie Sanders zieht trotz gewaltiger Bauchschmerzen des Demokraten-Establishments ganz entspannt als Favorit in die nächsten Vorwahlen in Nevada. Am zufriedendsten aber dürfte an diesem Abend ein Zuschauer im Weißen Haus gewesen sein: Vor lauter parteiinternem Zoff kam Donald Trump in der Debatte nur am Rande vor.
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