Milliarden für Millionen
Berlin - Es geht um kleine Leute - und um große Summen. Falls die mehrals 200 gesetzlichen Krankenkassen im nächsten Jahr tatsächlich dieBeiträge für ihre 70 Millionen Mitglieder senken, würden davon auchBeschäftigte mit geringen Einkommen und Rentner profitieren.
Von Rudi Wais
Berlin - Es geht um kleine Leute - und um große Summen. Falls die mehr als 200 gesetzlichen Krankenkassen im nächsten Jahr tatsächlich die Beiträge für ihre 70 Millionen Mitglieder senken, würden davon auch Beschäftigte mit geringen Einkommen und Rentner profitieren.
Ein Steuernachlass dagegen nutzt nur dem, der auch Steuern zahlt - also vorrangig den Gut-, Besser- und Spitzenverdienern. Aber sind Beitragssenkungen deshalb auch das richtige Rezept gegen die Rezession?
Die Ausgangslage:
Zunächst einmal steigen die Beiträge der meisten Kassen zum Jahreswechsel auf den neuen Einheitssatz von 15,5 Prozent. Doch selbst damit, warnt die Vorsitzende des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung, Doris Pfeiffer, seien ihre Kassen noch unterfinanziert.
Außerdem drohen als Folge der Wirtschaftskrise bei den Beitragseinnahmen Einbußen in dreistelliger Millionenhöhe. Eine politisch motivierte Beitragssenkung müsste also komplett gegenfinanziert werden - über einen höheren Zuschuss aus dem Bundeshaushalt.
Die Pläne der Koalition:
Im Moment machen in Berlin zwei Modelle die Runde: Die SPD würde die Versicherten gerne von dem im Jahr 2004 für sie eingeführten Zusatzbeitrag von 0,9 Prozent befreien, der Arbeitnehmerflügel der CDU will Beschäftigte und Betriebe zu gleichen Teilen entlasten.
Bei geschätzten Kosten von zehn Milliarden Euro müsste der Bundeszuschuss an die Kassen also auf 14,5 Milliarden Euro angehoben werden. Nach der bisherigen Planung soll der neue Gesundheitsfonds im nächsten Jahr lediglich 4,5 Milliarden aus dem Steuertopf erhalten. Anschließend soll der Betrag Jahr für Jahr leicht angehoben werden.
Die Vorteile:
Da 90 Prozent der Deutschen Mitglied einer gesetzlichen Kasse sind, käme eine Beitragssenkung deutlich mehr Menschen zugute als eine Steuersenkung. Außerdem könnte sie vergleichsweise schnell umgesetzt werden.
Weil versicherungsfremde Leistungen der Kassen wie das Mutterschaftsgeld oder die beitragsfreie Mitgliedschaft von Kindern ohnehin stärker aus Steuermitteln finanziert werden sollen, wäre ein höherer Bundeszuschuss überdies nur die Vorwegnahme einer längst geplanten Maßnahme. Dies, sagt Verbandschefin Pfeiffer, "fände ich sinnvoll." Langfristig solle der Steueranteil ja sowieso auf 14 Milliarden Euro steigen.
Die Nachteile:
Obwohl der Steuerzahler Milliarden für die Beitragssenkung ausgeben müsste, ist der Nutzen im Einzelfall überschaubar: Ein Arbeitnehmer mit 2500 Euro brutto im Monat würde bei der für ihn günstigeren SPD-Variante um 22,50 Euro entlastet, bei der CDU hätte er netto nur 12,50 Euro mehr.
Wird damit seine Kaufkraft nachhaltig gestärkt? Außerdem blieben die 8,5 Millionen Mitglieder der privaten Kassen, deren Beiträge teilweise erheblich steigen, außen vor - unter ihnen viele Beamte aus den untersten Einkommensgruppen und viele kleine, selbstständige Handwerker.
Die Erfolgsaussichten:
"Es gibt noch keine Entscheidung", sagt Thomas Steg, der stellvertretende Regierungssprecher. Vor allem die Union weiß noch nicht, was sie wollen soll: Steuersenkungen um jeden Preis - oder Beitragssenkungen um des lieben Koalitionsfriedens willen. Sicher ist nur: Unter den vielen Vorschlägen für das Konjunkturpaket, die am 5. Januar im Kanzleramt auf dem Koalitionstisch liegen, ist dieser einer der aussichtsreicheren.
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