Munition für Seehofer
Die Ethikkommission hält einen Atomausstieg bis spätestens 2021 für möglich. Das Ergebnis stützt den CSU-Chef. In Gundremmingen könnte bald Schluss sein.
Augsburg Für Bayern wird der angestrebte Atomausstieg zu einem besonders ehrgeizigen Projekt. Mindestens die Hälfte der gesamten Stromproduktion im Freistaat, die derzeit noch aus Atomkraftwerken kommt, muss ersetzt werden. Ministerpräsident Horst Seehofer schien gestern nach reichlich Widerstand von CSU-Parteifreunden und seines Koalitionspartners FDP wieder etwas Unterstützung für sein Ziel bekommen, bis 2020 aus der Atomkraft auszusteigen.
Die von Kanzlerin Angela Merkel eingesetzte „Ethikkommission“ strebt offenbar einen Ausstieg spätestens 2021 oder wenn möglich früher an. Die Zahl sickerte gestern aus dem Kreis aus 17 Spitzenvertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und den Kirchen mitsamt eines 28 Seiten langen Entwurfs an diverse Medien durch. In Berlin wurde anschließend jedoch heftig spekuliert, ob das Informationsleck ein Sabotageakt ist, der die Glaubwürdigkeit des „Rats der Weisen“ erschüttern soll: Denn die Ethikkommission soll eigentlich die technische Überprüfung der deutschen Atommeiler abwarten und die Folgerungen in ihre Empfehlungen einfließen lassen.
Unabhängig davon wird das Ausstiegsszenario auch für Bayern langsam konkreter. Viele erwarten, dass sich die Bundesregierung am Ende auf die ursprünglich rot-grünen Ausstiegspläne zurückbewegt. Nach diesen ursprünglichen Plänen müsste beispielsweise das schwäbische Kernkraftwerk Gundremmingen in spätestens fünf, sechs Jahren vom Netz: Für Block B rechnete man unter dem alten Gesetz bislang mit einem Ausstiegsdatum 2015 und für Block C 2016. Die Laufzeiten könnten sich wegen bei Revisionen gutgeschriebener Reststrommengen noch jeweils um ein Jahr nach hinten verschieben.
Die beiden Gundremminger Blöcke produzierten vergangenes Jahr gut 21000 Gigawatt Strom – das entspricht fast einem Drittel des gesamten bayerischen Strombedarfs. Nach den im Herbst von der Koalition beschlossenen Laufzeitverlängerungen hätten sie mindestens bis 2030 laufen können. Der Betreiber RWE hätte dabei aber auch noch Restlaufzeiten anderer früher abgeschalteter Meiler auf die Laufzeit Gundremmingens aufschlagen können, sodass ein Betrieb bis nach 2050 möglich gewesen wäre.
Länger als Gundremmingen soll allen früheren und aktuellen Konzepten zufolge das Atomkraftwerk Isar-2 bei Landshut laufen. Der Reaktor gilt mit einer Jahresleistung von 12000 Gigawatt als eine der leistungsfähigsten Atomanlagen der Welt. Sein schwächerer und älterer Nachbarreaktor Isar-1 wurde mit dem Atommoratorium vom Netz genommen. Das nicht gegen Flugzeugabstürze gesicherte Kraftwerk soll nach dem Willen von Bund und Land nie wieder in Betrieb genommen werden.
In der Vergangenheit hatte Isar-1 rund 6500 Gigawatt Strom im Jahr produziert. Das ist ungefähr die gleiche Menge, die der Freistaat bislang in andere Bundesländer oder ins Ausland an Strom exportiert hat.
Isar-2 zählte bereits nach den einstigen rot-grünen Ausstiegsplänen zu den Kraftwerken, die in Deutschland am längsten laufen sollten. Damals wurde ein Abschalten für 2020 angepeilt. Auch der bayerische CSU-Umweltminister Markus Söder peilt nun ein derartiges Ausstiegsdatum an. In den kommenden sechs Jahren solle der Stand der Energiewende in Bayern regelmäßig überprüft werden: „Danach kann entschieden werden, ob Isar-2 bereits 2020 vom Netz genommen werden kann oder bis 2022 laufen muss“, heißt es in Söders Energiewendepapier.
Sein FDP-Kabinettskollege Martin Zeil, der das für die Energiewende eigentlich zuständige Wirtschaftsministerium führt, will Isar-2 mindestens bis 2025 laufen lassen.
Noch ist offen, wer sich durchsetzt, wenn in zwei Wochen die Bayerische Staatsregierung ihr Energiewende-Konzept im Kabinett beschließen will. (mit dpa)
Die Diskussion ist geschlossen.