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Terror
30.07.2017

Nach der Bluttat von Hamburg: Eine ganze Stadt feiert ihre Helden

„Als Helden würde ich uns nicht bezeichnen“: Der Tunesier Jamel Chraiet sitzt am Tag danach in Hamburg-Barmbek in einem Backshop.
2 Bilder
„Als Helden würde ich uns nicht bezeichnen“: Der Tunesier Jamel Chraiet sitzt am Tag danach in Hamburg-Barmbek in einem Backshop.
Foto: Markus Scholz, dpa

Der Tunesier Jamel Chraiet sitzt vor einem Backshop, als plötzlich ein paar Meter entfernt ein Mörder aus einem Supermarkt stürmt. Der Beginn einer unfassbaren Geschichte.

Was macht so ein Held am Tag danach? Nachdem er einem Mörder die Stirn geboten und zumindest mitgeholfen hat, dass nicht noch Schlimmeres passiert. Er geht Einkaufen, und zwar höchste Eisenbahn. Jamel Chraiet, 48, gebürtiger Tunesier aus Hamburg, sollte das eigentlich schon am Freitagnachmittag erledigen. Seine Frau hatte ihm über WhatsApp die Einkaufsliste geschickt. Dann saß er im Stadtteil Barmbek erst ein paar Minuten mit Landsleuten zusammen, vor einem Backshop, gleich neben dem Edeka-Supermarkt in der Fuhlsbüttler Straße. Es war ja erst kurz nach drei, da blieb noch genügend Zeit. Nur: Wer rechnet schon damit, dass plötzlich ein Mörder mit einem blutverschmierten Messer vor einem steht und am nächsten Tag die Menschen ihn und ein paar andere Männer als Helden von Hamburg feiern? Und was sagt man da? Jamel Chraiet sagt: „Als Helden würde ich uns nicht bezeichnen. Das ist einfach eine normale Reaktion.“ Einen islamistischen Mörder zu stoppen – eine normale Reaktion?

Quatsch, entgegnet, Ahmet Dogan, der Chef des Backshops, natürlich seien die Jungs Helden, so, wie sie mithilfe von Stühlen, einer Eisenstange, einer Werbetafel, ja sogar Pflastersteinen den Attentäter außer Gefecht gesetzt haben. Wer weiß, was passiert wäre, „wenn sie ihn nicht aufgehalten hätten“, sagt Dogan. Voller Stolz verweist er darauf, „dass es ausländische Mitbürger waren“, die den Angreifer Ahmad A. – ein Palästinenser, geboren in den Vereinigten Arabischen Emiraten – aufhielten. Nicht alle, aber fast alle. Mohammed Wali, 49, ein gebürtiger Ägypter. Ömer Ünlü, 35, ein Türke, der sich bei der Aktion selbst verletzt hat. Toufiq Arab, 21, der Edeka-Lehrling, der vor fünf Jahren als Asylbewerber aus Afghanistan nach Deutschland kam. Oder Sönke Weber, ein 28-jähriger Deutscher. Und eben Jamel Chraiet.

Der Mann lebt seit 27 Jahren in Deutschland und arbeitet bei der Hamburger Hochbahn. In dem Moment, als er zu einer kleinen Berühmtheit wird, geht alles ganz schnell. Eine Frau habe geschrien, dass jemand Menschen absteche, erinnert sich Chraiet. Was sich da gerade in dem Supermarkt ereignet, werden die Ermittler später folgendermaßen rekonstruieren: Ahmad A., 26, ein abgelehnter Asylbewerber, betritt um kurz vor drei den Edeka-Markt. Er kauft Toastbrot, geht wieder und steigt in einen Bus – um umgehend wieder auszusteigen. Wieder geht er in den Markt, zieht aus einem Regal ein etwa 20 Zentimeter langes Küchenmesser, löst die Verpackung und fängt an, wahllos auf Kunden einzustechen. Ein 50-jähriger Mann stirbt, sieben weitere Personen werden zum Teil schwer verletzt. Eine spontane Tat?

In seiner Hand hält der Täter noch das blutverschmierte Messer

Ahmad A. stürmt aus dem Edeka und sucht sich weitere Opfer. Er ruft „Allahu Akbar“ – Gott ist groß – und steht in diesem Moment nur wenige Meter von Jamel Chraiet entfernt. Er trägt modische Jeans und ein graues T-Shirt. In seiner Hand: das blutverschmierte Messer. „Egal, wie cool man sonst ist, in einem solchen Augenblick weiß man erst einmal gar nichts“, erzählt Chraiet. Und dann? „Wir haben uns besprochen, jeder sollte einen Stuhl schnappen. Dann sind wir auf ihn losmarschiert.“ Ein Autofahrer filmt das Geschehen, das Handyvideo ist später in allen Nachrichtensendungen zu sehen.

„Er wurde bereits von Leuten verfolgt, die auf ihn eingeredet haben“, fährt Chraiet fort. Leuten wie Sönke Weber. Der Friseur schleudert eine Plastik-Werbetafel auf Ahmad A. Leuten wie Mohammed Wali, der sich auch mit einem Stuhl bewaffnet. Wie Ömer Ünlü, der gerade mit seiner Familie im Auto vorbeifährt und sofort handelt. Und der Bild am Sonntag später sagt: „Ich habe mir eine Eisenstange geschnappt und den Mann mit einem gezielten Schlag niedergestreckt.“ Wie viele Männer es am Ende sind, die den Islamisten einkesseln und so lange in Schach halten, bis die Polizei eintrifft, ist in der Hektik nicht festzustellen. Chraiet ist in den letzten Sekunden nicht mehr dabei. Aber zuvor habe er noch versucht, mit Ahmad A. zu reden, erzählt der Tunesier, als er am Samstag wieder im selben Backshop sitzt wie am Tag zuvor. Aber der habe nur etwas gesagt, was man überhaupt nicht verstehen konnte. „Ob der in einer anderen Welt war? Keine Ahnung, was mit ihm los war.“

Was war mit ihm los? Was auch immer zu der Tat geführt hat: Fakt ist, dass sich wieder ein Asylbewerber, in diesem Fall ein abgelehnter, radikalisiert und ein grausames Verbrechen verübt hat. Der Fall weist traurige Parallelen zu den Geschehnissen des vergangenen Jahres auf. Auch die Attentäter von Würzburg, Ansbach und vom Berliner Weihnachtsmarkt kamen als Schutzsuchende nach Deutschland und entluden hier ihren Hass. Und es gibt noch weitere Parallelen.

Wie Anis Amri, der Mörder von Berlin, ist Ahmad A. für die Behörden kein Unbekannter. Er kommt im März 2015 nach Deutschland – in jenem Jahr, das als Jahr der Flüchtlingskrise in die Geschichte eingehen wird. Zuvor, so glaubt man zu wissen, war er in Norwegen, Spanien und Schweden. Hamburgs Verfassungsschutz-Chef Torsten Voß sagt, Ahmad A. spreche „hervorragend Englisch, Schwedisch und Norwegisch“.

Die Verfassungsschützer speichern ihn als Verdachtsfall

Schon vor geraumer Zeit verändert er sich. Plötzlich trinkt er keinen Alkohol mehr, feiert nicht mehr, zieht sich zurück, betet oft, spricht viel über den Koran, zitiert in Flüchtlingscafés lautstark Koran-Verse. Einem Freund ist das nicht geheuer. Er geht zur Polizei. Daraufhin statten Verfassungsschützer dem Verdächtigen einen Besuch ab. Sie befragen ihn, holen Erkundigungen ein, speichern ihn als Verdachtsfall unter 800 anderen Islamisten der Stadt. Doch sie stufen ihn nicht als gefährlich ein. Ein Fehler, wie man jetzt weiß.

Warum nun diese Tat? Die Sicherheitsbehörden wollen oder können bislang keine klaren Antworten geben. Sie sprechen von einer schwierigen „Gemengelage“. Es gebe einerseits Hinweise auf religiöse Beweggründe und islamistische Motive, aber auch auf eine „psychische Labilität“. Verfassungsschützer Voß beschreibt den Mann als „destabilisierte“ und „verunsicherte Persönlichkeit“. Bislang gebe es keinen Hinweis, dass er fest in die Islamistenszene eingebunden oder Teil eines Netzwerks sei. Mitbewohner in seiner Asylunterkunft, die noch in der Nacht durchsucht wird, beschreiben ihn als Außenseiter. Auch von Drogen ist die Rede.

Vorstrafen hat er nicht. Nur einmal fällt er mit einem Delikt auf: Ladendiebstahl. Im vergangenen April ist das. Das Verfahren wird wegen Geringfügigkeit eingestellt.

Haben die Behörden ihn unterschätzt? Innensenator Andy Grote räumt ein, dieser Frage müsse man nachgehen. Warum ist Ahmad A. überhaupt noch in Deutschland? Warum sitzt er nicht längst in Abschiebehaft? Auch dieser Fall weist auf ein Kernproblem der deutschen Asylpolitik hin.

Als Ahmad A. nach Deutschland kommt, hat er keine Ausweispapiere bei sich, nur eine Geburtsurkunde. Seine erste Station ist Dortmund. Von dort aus wird er nach Hamburg weitergeschickt, wo er im Mai 2015 einen Asylantrag stellt. Der wird Ende 2016 abgelehnt. Seitdem hätte er ausreisen müssen. Doch die Papiere dazu fehlen. Die Behörden sagen, die Auslandsvertretung der Palästinenser habe sich bereit erklärt, Ahmad A. als Mitglied der Volksgruppe anzuerkennen und ihm Ersatzpapiere zu besorgen. Er selbst habe „unbedingt ausreisen“ wollen. Noch am Freitag, wenige Stunden vor der Attacke, hat er sich bei der Ausländerbehörde erkundigt, ob seine Unterlagen angekommen sind. In dieser Hinsicht, sagt Hamburgs Polizeipräsident Ralf Meyer, sei Ahmad A. eine „fast vorbildhafte Person“ gewesen.

Es gibt Parallelen zum Fall Anis Amri 

Zur Erinnerung: Auch Anis Amris Asylantrag hatte keinen Erfolg. Auch er hätte ausreisen sollen. Doch nichts passierte. Nach Würzburg, Ansbach und Berlin wurden hitzige politische Debatten geführt, Untersuchungsgremien eingesetzt, Gesetze verschärft, Abschiebungen erleichtert, die Überwachung von Gefährdern verstärkt. Alles umsonst?

Ahmad A. sitzt nun in Untersuchungshaft. Bislang habe er sich zur Tat nicht geäußert, sagt Oberstaatsanwältin Nana Frombach. Es hätten sich aber auch „keine belastbaren Hinweise“ für eine verminderte Schuldfähigkeit ergeben. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe prüft, ob er den Fall an sich zieht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt am Samstag aus dem Urlaub ausrichten, sie trauere um das Opfer der Attacke. Dann dankt sie der Polizei „sowie all jenen, die sich mit Zivilcourage und Mut dem Täter entgegengestellt haben“. Leuten wie Jamel Chraiet. Der hat eine halbe Stunde nach dem Attentat eine besorgte WhatsApp-Nachricht seines 18-jährigen Sohnes auf dem Handy, der ihn auffordert: „Ruf sofort an!!“ Erst spät in der Nacht schafft er es einzuschlafen. „Es hat lange gedauert. Die Bilder gehen einem nicht aus dem Kopf.“

Was bleibt von diesem Tag und der Geschichte, er sei ein Held? Er sei froh, sagt er, dass er und seine Landsleute an der Verfolgung beteiligt gewesen seien. „Damit die Leute sehen, es gibt auch andere, die nicht so sind.“ (mit dpa, afp, kna)

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