Neue Regierung in Italien sendet ermutigendes Signal im Mittelmeer
Die neue Links-Regierung lässt Flüchtlinge auf Lampedusa an Land. Warum so plötzlich? Die Antwort hat mit Horst Seehofer zu tun.
Man kennt die Szenen aus dem Mittelmeer. Ein mit Migranten voll beladenes Schiff einer Hilfsorganisation bittet um Einfahrt in einen italienischen Hafen. Aus Rom kommt ein deutliches „Nein“. So wurde die Einfahrt jedes Rettungsschiffes zu einem Politikum. Ex-Innenminister Matteo Salvini von der rechten Lega hatte einen Großteil der Italiener im Rücken und pöbelte über die sozialen Netzwerke gegen Nichtregierungsorganisationen, Migranten und die EU.
Seit einer guten Woche ist die neue Innenministerin Luciana Lamorgese im Amt. Und wieder schippern Rettungsschiffe mit Migranten übers Mittelmeer und bitten um Einfahrt. Zunächst hatte die parteilose Politikerin, die sich einst als Präfektin von Mailand für eine ausgewogene und humane Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen hatte, aus Rücksicht auf den Koalitionspartner Fünf Sterne noch gezögert. Aber dann erhielt die Ocean Viking mit 82 Migranten doch die Erlaubnis, den Hafen der italienische Insel Lampedusa anzusteuern.
Möglich gemacht hat diese Entwicklung ausgerechnet der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU). Dieser erklärte nämlich die Bereitschaft Deutschlands, künftig 25 Prozent der in Italien anlandenden Flüchtlinge aufzunehmen. Die Verhandlungen über einen Mechanismus zur Verteilung von aus Seenot geretteten Bootsflüchtlingen in Europa liefen zwar noch. Wenn aber alles bleibe wie besprochen, „können wir 25 Prozent der aus Seenot geretteten Menschen übernehmen, die vor Italien auftauchen“, sagte er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. „Das wird unsere Migrationspolitik nicht überfordern.“
Italien und Malta verweigerten in der Vergangenheit die Einfahrt von Rettungsschiffen
„Nach 14 Monaten ist die Ocean Viking das erste zivile Rettungsschiff, das autorisiert Menschen an einen sicheren Ort in Italien bringt“, schrieb die Hilfsorganisation SOS Méditerranée und begrüßte die Entscheidung der neuen Regierung in Rom als ermutigendes Signal. Nach italienischen Presseberichten werden Deutschland und Frankreich je 24 der 82 Migranten übernehmen, weitere 24 bleiben in Italien. Acht gehen nach Portugal und zwei nach Luxemburg.
Italien und Malta hatten Rettungsschiffen mehrfach die Einfahrt verweigert und gefordert, dass andere EU-Staaten vorher die Aufnahme der Migranten an Bord zusagen. Dies wurde jeweils mühsam im Einzelfall ausgehandelt – die Migranten mussten teils wochenlang auf dem Mittelmeer ausharren. Abhilfe soll ein temporärer Mechanismus schaffen, der die Geretteten auf EU-Länder verteilt, die dazu bereit sind. Am 23. September wollen Deutschland, Frankreich, Italien und Malta bei einem Treffen mit dem EU-Ratsvorsitzenden Finnland im maltesischen Vittoriosa über einen gemeinsamen Vorschlag abstimmen.
In Rom war bis vor kurzem Matteo Salvini von der rechten Lega als Innenminister hauptverantwortlich für den harten Kurs in der Migrationspolitik. Nach dem Regierungswechsel hoffen die europäischen Partner wieder auf mehr Kooperationsbereitschaft – und könnten ihrerseits geneigt sein, Hilfe anzubieten, um den innenpolitischen Druck auf die neue Mitte-Links-Koalition zu lindern. Seehofers öffentliches Angebot kann daher auch als Signal vor dem Besuch der neuen italienischen Innenministerin Luciana Lamorgese am kommenden Mittwoch gewertet werden.
Nach Medien-Informationen soll auch Frankreich bereit sein, 25 Prozent der in Italien anlandenden Geretteten aufzunehmen. Das französische Präsidialamt äußerte sich dazu nicht.
Rom will das Sicherheitsdekret entschärfen
Seehofer führte aus: „Ich habe immer gesagt, unsere Migrationspolitik ist auch human. Wir werden niemanden ertrinken lassen.“ Deutschland habe auch bisher schon rund ein Viertel der Geretteten aus Italien übernommen. Deutschland hat sich nach Regierungsangaben seit Juni 2018 zur Aufnahme von bis zu 565 aus Seenot geretteten Menschen bereit erklärt, die in Italien oder Malta an Land gebracht wurden.
Doch in Italien ist der Politikwechsel schwieriger als erwartet. Denn die linkspopulistische Fünf-Sterne-Bewegung hat die radikale Anti-Migrationspolitik in der 14 Monate dauernden und im August geplatzten Koalition mit der rechten Lega mitgetragen. Vor nicht einmal sechs Wochen haben die Sterne das zweite Sicherheitsdekret Salvinis im Parlament abgesegnet. Darin wurde unter anderem festgelegt, dass der Verstoß gegen die Hafenblockade mit einer Strafe von bis zu einer Million Euro geahndet werden kann.
Wie in Rom zu hören ist, will sich die Regierung der Entschärfung der Sicherheitsdekrete erst im Winter widmen, wenn die Überfahrten im Mittelmeer drastisch zurückgehen. Sterne-Politiker geben zu bedenken, man könne nicht bereits nach nur einem Monat eine krasse Kehrtwende hinlegen, ohne unglaubwürdig zu werden. Außerdem, so heißt es, würde man auf diese Weise Ex-Innenminister Salvini als neuem Oppositionsführer nur eine Vorlage geben. Der plant Großdemonstrationen gegen die Regierung. Knapp zwei Drittel aller Italiener zeigten sich zuletzt einverstanden mit den Hafenblockaden. (mit dpa)
Lesen Sie dazu den Kommentar: Seehofer leistet Italien einen Riesen-Gefallen
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