Neue Untersuchung facht Debatte über Atomkraft neu an
Eine wissenschaftliche Studie über gehäufte Krebserkrankungen vonKindern in der Nähe von Atomkraftwerken heizt die Debatte über dieRisiken der Kernenergie neu an.
Berlin (ddp). Eine wissenschaftliche Studie über gehäufte Krebserkrankungen von Kindern in der Nähe von Atomkraftwerken heizt die Debatte über die Risiken der Kernenergie neu an. Während Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) am Samstag erklärte, die Untersuchung überprüfen zu lassen, forderte der Grünen-Energieexperte Hans-Josef Fell, Atomreaktoren schneller abzuschalten als bisher geplant. Auch Links-Fraktionsvize Werner Dreibus plädierte dafür, zu prüfen, ob der Atomausstieg schneller möglich ist. Zurückhaltend reagierte Unions-Fraktionsvize Katherina Reiche (CDU) auf die Studie.
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hatte die epidemiologische Studie vorgelegt. In der Untersuchung des deutschen Kinderkrebsregisters sei bei Kindern in der Umgebung der 16 Standorte deutscher Atomkraftwerke statistisch eine erhöhte Erkrankungshäufigkeit für Krebs festgestellt worden, hieß es.
Gabriel verwies darauf, dass der beobachtete Anstieg der Erkrankungen nach derzeitigem Kenntnisstand nicht durch die Strahlenbelastung aus einem Atomkraftwerk erklärt werden könne. Die Strahlenbelastung der Bevölkerung müsste durch den Betrieb der Atomkraftwerke in Deutschland um mindestens das Tausendfache höher sein, um den beobachteten Anstieg des Krebsrisikos erklären zu können. Die statistische Untersuchung und bekannte Ursachenzusammenhänge zwischen Krebsrisiko und Strahlung stünden damit nicht im Einklang miteinander.
Gabriel sagte, er habe daher die Strahlenschutzkommission (SSK) mit einer umfassenden Bewertung der Ergebnisse beauftragt. Sobald die Ergebnisse vorlägen, werde über das weitere Vorgehen entschieden.
Grünen-Chef Reinhard Bütikofer forderte die "beschleunigte Abschaltung gerade der ältesten Atomkraftwerke". Wer angesichts der Ergebnisse der Studie für einen längeren Betrieb von Atommeilern eintrete, handele verantwortungslos.
Dreibus betonte, auch "den letzten Befürwortern von Atomkraftwerken sollte jetzt klar sein, dass diese Art der Energiegewinnung mit nicht abschätzbaren Gefahren für die Gesundheit verbunden und letztendlich nicht kontrollierbar" sei.
Der SPD-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag, Wolfgang Jüttner, sagte, die Studie sei von einer "entwaffnenden neuen Qualität". Je näher ein Kind an einem Kernkraftwerk wohne, umso größer sei die Gefahr, Leukämie zu bekommen. Man dürfe aber nicht zulassen, "dass überhaupt ein Kind gefährdet wird".
Der SPD-Spitzenkandidat bei der niedersächsischen Landtagswahl verwies zugleich darauf, dass beim Atomkonsens davon ausgegangen worden sei, dass die Kernkraftwerke im laufenden Betrieb gesundheitsunschädlich seien. "Diese Grundlage des Atomkonsenes dürfte ab heute obsolet sein", fügte er hinzu.
Reiche sagte, in der Unions-Fraktion werde man sich die Studie genau ansehen müssen. Sie sei jedoch verwundert über die Botschaft der Untersuchung. So solle die Erkrankungsrate in der Nähe der Atomkraftwerke hoch sein, doch werde darauf hingewiesen, dass dies nicht auf Strahlungswirkungen zurückzuführen sei. "So sehr ich mir Aufklärung über diese Zusammenhänge von der Wissenschaft erhoffe, so sehr kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Studie die Antipathien gegen die Kernkraft schüren soll", sagte Reiche.
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