Nach Wien-Attentat: Koalition verabschiedet Anti-Terror-Paket im Eiltempo
Es ist unklar, wie der Attentäter von Wien an seine Waffe kam. Doch Kanzler Kurz peitscht ein Anti-Terror-Paket durch. Soll Aktionismus von mangelhaftem Verfassungsschutz ablenken?
Nach dem Terroranschlag in Wien tut die Koalition aus ÖVP und Grünen unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) alles, um das augenscheinliche Versagen des Verfassungsschutzes durch Aktionismus auszugleichen: Es folgt Aktion auf Aktion, Razzia auf Razzia, und bevor überhaupt aufgeklärt ist, wie der Attentäter an seine Waffe und die Munition gelangt ist, beschloss die Regierung am Mittwoch ein – hoch umstrittenes – Anti-Terror-Paket.
"Politischer Islam" soll ein Straftatbestand im Anti-Terror-Paket lauten
Dieses soll unter anderem Fußfesseln für entlassene Islamisten und Gefährder und einen neuen Straftatbestand „politischer Islam“ beinhalten. Am heftigsten kritisiert wird jedoch die geplante Einführung einer „Präventivhaft“ für verurteilte islamistische Straftäter: Diese sollen, nach Verbüßung ihrer Haft, in den sogenannten Maßnahmenvollzug kommen. Letzterer ist eigentlich für geistig-abnorme Rechtsbrecher vorgesehen – und übrigens aktuell bereits ausgelastet, was die verfügbaren Plätze in den Anstalten angeht.
Geht es nach Kanzler Kurz, soll so eine Haft für verurteilte Islamisten sogar lebenslang möglich sein. Die Regierung Kurz bekommt dafür heftigen Gegenwind von verschiedenster Seite: Führende Strafrechtler, die Rechtsanwälte- wie auch die Richtervereinigung, Opferschutzverbände und das Netzwerk Kriminalpolitik sprechen sich deutlich gegen „emotionale Schnellschüsse“ aus, wie am Donnerstag in einer Stellungnahme zu lesen ist.
Opposition kritisiert die fehlende Einbindung des Parlaments
Psychisch krank seien islamistische Gefährder in der Regel eben nicht, sagt Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung. Und: „Alle Terrortäter lebenslang in Haft zu nehmen wird nicht gehen.“ Der Maßnahmenvollzug sei zudem ein „notleidender Bereich in der Justiz“, Reformen dort seien seit Jahren versprochen und nicht umgesetzt worden.
Ebenfalls heftige Kritik erntet die Regierung für ihr Vorgehen bei der am Donnerstag eingesetzten Untersuchungskommission zum Terroranschlag in Wien. Vorsitzende wird die Strafrechtsexpertin Ingeborg Zerbes von der Universität Wien. Sie genießt zwar einen guten Ruf, die Oppositionsparteien SPÖ und NEOS kritisieren jedoch, dass es keinerlei Transparenz und Einbindung für das Parlament geben werde. Die ÖVP und ihr Juniorpartner, die Grünen, so der Tenor, würden die Kontrolle über die Arbeit der Kommission behalten.
Vor allem das Versagen des österreichischen Verfassungsschutzes (BVT) im Vorfeld des Anschlags ist augenscheinlich. Auch hier prescht die Regierung nun vor. Am Donnerstag wurde bekannt, wie sich Kanzler Kurz und sein unter Druck geratener Innenminister Karl Nehammer eine Verfassungsschutz-Reform vorstellen: Nachrichtendienst und Staatspolizei, seit jeher im BVT vereint, sollen unter zwei Vizedirektoren aufgeteilt und getrennt werden. Die Ausbildung des ohnehin schwer zu bekommenden nachrichtendienstlichen Personals aber soll nach wie vor bei der polizeilichen Sicherheitsakademie verbleiben. Für viele Sicherheitsexperten ebenfalls ein Kritikpunkt.
Lesen Sie auch:
- Terroranschläge von Dresden, Paris, Nizza, Wien: Was tun in Europa?
- Schwarzer Tag für Österreich: Als der Terror nach Wien kam
- Acht Verdächtige des Terroranschlags in Wien sitzen in Untersuchungshaft
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.
Die Diskussion ist geschlossen.