Isis-Extremisten rufen Kalifat aus
Drei Wochen nach dem Beginn ihres Eroberungszuges im Irak haben die Isis-Extremisten am Sonntag ein "Kalifat" ausgerufen.
In einer im Internet veröffentlichten Audiobotschaft verkündete die radikalsunnitische Organisation die Schaffung des "Kalifats" in eroberten Gebieten Syriens und des Iraks und ernannte ihren Chef Abu Bakr al-Bagdadi zum "Kalifen" und damit zum "Anführer aller Muslime". Die irakische Armee startete am Wochenende eine Gegenoffensive.
Das Kalifat, eine vor fast hundert Jahren verschwundene islamische Regierungsform, werde sich von der Region Aleppo im Norden Syriens bis zur Region von Dijala im Osten des Irak erstrecken, sagte der Isis-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani in der Audiobotschaft. Damit bezog er sich auf Regionen, welche die Extremisten in den vergangenen Wochen und Monaten in beiden Ländern unter ihre Kontrolle gebracht hatten.
Die Errichtung des Kalifats sei bei einer Sitzung der Schura (des Rates) der Organisation beschlossen worden, sagte Al-Adnani. Nach seinen Angaben nennt sich die Gruppe fortan "Islamischer Staat" und nicht mehr "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (Isis). Das Kalifat sei "der Traum jedes Muslims" und "der Wunsch jedes Dschihadisten", sagte der Sprecher. Der bisherige Isis-Anführer Al-Bagdadi heiße künftig "Kalif Ibrahim". Für jeden Muslim sei es empfehlenswert, ihm Folge zu leisten. "Das Gebiet, das von nun an unter seiner Herrschaft steht, reicht von Aleppo bis Dijala", sagte er.
Als Kalif wird in der islamischen Welt der Nachfolger des Propheten Mohammed als "Emir der Gläubigen" bezeichnet. Zwischen dem siebten und dem 16. Jahrhundert erlebte das Kalifat seine Blütezeit. Mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches 1924 endete das letzte Kalifat.
Die Isis hatte am 9. Juni ihre Militäroffensive im Irak gestartet und seither die Stadt Mossul, einen Großteil der Provinz Ninive sowie weite Landstriche in den Provinzen Dijala, Salaheddin, Kirkuk und Al-Anbar unter ihre Kontrolle gerbracht. Die Isis-Kämpfer stehen hundert Kilometer von Bagdad entfernt. In Syrien kontrolliert die Organisation einen großen Teil der Provinz Raka, weite Teile der Ölprovinz Deir Essor sowie einige Stellungen in der Provinz Aleppo.
2013 tauchte die Isis inmitten des syrischen Bürgerkrieges auf. Zunächst wurde die Ankunft der Dschihadisten von den gegen Machthaber Baschar al-Assad kämpfenden Rebellen begrüßt. Bald jedoch begannen schwere Gefechte zwischen den Isis-Extremisten auf der einen und den verschiedenen Rebellenformationen auf der anderen Seite. Im Verlauf dieser Kämpfe wurden seit Jahresbeginn in Syrien fast 6000 Menschen getötet.
Irakische Streitkräfte gehen gegen Isis vor
Die irakischen Streitkräfte setzten am Sonntag ihre am Vortag gestartete Großoffensive gegen Isis-Stellungen im zentralirakischen Tikrit - der Heimatstadt Saddam Husseins - mit zahlreichen Luftangriffen fort. Nach Berichten von Augenzeugen wurden mehrere Bezirke sowie ein früherer Palast des von den USA gestürzten Ex-Machthabers angegriffen. Nach Angaben eines Sprechers von Regierungschef Nuri al-Maliki rückten Regierungstruppen aus mehreren Richtungen auf Tikrit vor.
Irakische Soldaten rückten am Sonntag auch auf die überwiegend von Schiiten bewohnte Ortschaft Baschir südlich von Kirkuk vor, die ebenfalls von Isis-Kämpfern überrannt worden war. Die Regierungstruppen wurden nach offiziellen Angaben von kurdischen Peschmerga unterstützt. Zur Unterstützung der irakischen Armee lieferte Russland dem Irak am Wochenende fünf Militärjets vom Typ Suchoi. afp
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