Ohne Eklat, ohne Substanz – Boris Johnson langweilt im TV-Duell
Johnson, der Favorit auf das Amt des Premierministers, und Außenseiter James Hunt unterscheiden sich im britischen Fernsehduell beim Thema Brexit nur wenig.
Nicht nur die Kulisse dieses TV-Duells zwischen Boris Johnson und Jeremy Hunt erinnerte zuweilen an eine Spielshow aus den 90er Jahren. Auch einer der zwei Kontrahenten im Rennen um die Nachfolge von Premierministerin Theresa May als Vorsitzende der Konservativen schien die Debatte am Dienstagabend mitunter als Witz zu betrachten: Johnson, seines Zeichens Chef-Brexiteer und ehemaliger Außenminister, höchstwahrscheinlich bald Premierminister des Vereinigten Königreichs.
Bei den Torys gilt Boris Johnson als haushoher Favorit
Vielleicht ist er sich auch bereits so sicher, Ende Juli in die Downing Street einzuziehen, dass er es erst gar nicht mit allzu großer Ernsthaftigkeit versuchen wollte. Er gilt als haushoher Favorit bei den etwa 160000 Tory-Mitgliedern, die seit vergangenem Wochenende über den nächsten Vorsitzenden und damit Regierungschef in einer Urwahl abstimmen. Und eine seriöse Auseinandersetzung mit den dringenden Fragen dieses Landes, vorneweg dem Dauerkrisenthema Brexit, ist in diesem konservativen Kreis offenbar nicht gewünscht.
Ohnehin wollen sowohl Johnson als auch Hunt das Land zum 31. Oktober dieses Jahres aus der Staatengemeinschaft führen, zuvor jedoch abermals mit der EU über das Austrittsabkommen verhandeln, obwohl es aus Brüssel unaufhörlich auf die Insel hallt, dass das Vertragspaket keinesfalls noch einmal aufgeschnürt werden würde. Doch das überhört man geflissentlich, da bleiben sich die Briten treu. Der kleine Unterschied zwischen den beiden besteht darin, dass Johnson unter allen Umständen zu Halloween raus will, im Notfall auch ohne Deal. Hunt lässt sich eine Hintertür offen, die Scheidungsfrist zu verlängern, falls ein Abkommen in Aussicht sei.
Ansonsten klangen die angeblichen Lösungen im Brexit-Streit, etwa zur Grenzfrage auf der irischen Insel, vor allem widersprüchlich und in der Realität kaum umsetzbar.
Johnson gibt keine konkrete Antworten, Hunt setzt immer wieder nach
Es handelte sich um die erste Konfrontation der zwei innerparteilichen Widersacher im Fernsehen – und es wird wohl auch die letzte bleiben. Johnson hat ein unmittelbares Aufeinandertreffen bislang erfolgreich vermieden. Während der 60 Minuten zeigte sich, warum er direkte TV-Duelle ablehnt. Es fehlen ihm schlichtweg die konkreten Antworten oder ein Plan. Hunt versuchte zwar, ihn herauszufordern. Mit Fragen, Nachfragen und Hartnäckigkeit.
Ein Selbstbewusstsein ausstrahlender Johnson aber ignorierte diese, beließ es beim Vagen oder griff auf seine bewährte Strategie zurück: Optimismus verbreiten. Weil Großbritannien so großartig ist, so sein Mantra, werde auch alles gut und selbst ein ungeordneter Brexit stelle kein Problem dar. Hunt beschuldigte Johnson denn auch, sich auf nichts anderes als Optimismus zu verlassen. „Weil Boris nie Fragen beantwortet, haben wir absolut keine Ahnung, wie seine Amtszeit aussehen würde“, sagte der amtierende Außenminister, der vor wenigen Wochen für viele noch als Stimme der Vernunft galt, aber angesichts der Parteibasis, die sich vornehmlich aus radikalen Europaskeptikern zusammensetzt, nun auch einen anderen Ton anschlägt. Immerhin, Johnson leistete sich keine Ausrutscher, was das Team Boris angesichts der vergangenen Jahre, in denen der Ex-Bürgermeister Londons und Ex-Außenminister immer wieder mit Peinlichkeiten und Fauxpas für Schlagzeilen sorgte, vermutlich als Erfolg verbuchen wird. Aber die Fallhöhe war gering.
Substanzielles hatte das britische TV-Duell nicht zu bieten
Denn Substanzielles gab es an diesem Abend wie schon in den Wochen zuvor nicht. Und so fragen sich etliche Parlamentarier, wie es weitergehen soll unter einem Premierminister Boris Johnson. Wird er das Land weiter nach rechts rücken? Oder war am Ende alles nur Wahlkampf-Rhetorik und er fährt eine weniger harte Linie in Sachen Brexit als erwartet? Sollte er sich weiterhin als Brexit-Ultra inszenieren, dürften die Kritiker in den eigenen Parteireihen rebellieren. Sollten sie sich mit der Opposition zusammentun, droht ein Misstrauensvotum.
Derweil hat sich Labour-Chef Jeremy Corbyn für ein zweites Referendum ausgesprochen, in dem der von den Tories ausgehandelte Deal genauso zur Abstimmung vorgelegt werden solle wie ein No-Deal-Szenario. Die Sozialdemokraten würden sich für den Verbleib in der EU einsetzen, wenn die Regierung ein Abkommen präsentiere, das „Wirtschaft und Jobs nicht schützt“, so Corbyn. Es bleibt also auch bei Labour alles beim Alten: Der linke Parteichef legt sich nicht sicher auf eine Position fest.
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