Online-Zock-Anbietern droht Ende des Geldregens
Wettbüros und Casinos im Internet setzen Milliarden um – doch hunderttausende Spielsüchtige leiden. Kommen härtere Regeln?
Die gleiche Wirkung wie Kokain. Eine erfolgreiche Wette auf die Siegermannschaft läßt die gleichen Glückshormone durch den Kopf schießen wie eine Prise des Rauschgiftes. Um diesen Kick geht es, wenn die Ministerpräsidenten der Bundesländer am Donnerstag in Berlin über neue Regeln für das Glücksspiel diskutieren. Gönnt man den Spielern ihr Hochgefühl oder muss der Staat sie davor schützen?
Die Politiker sind spät dran, denn in den vergangenen Jahren ist ein riesiger Markt entstanden – legal, halblegal, illegal. Mehr Deutsche spielen, in der Spielhalle wie im Internet. Laut dem „Jahrbuch Sucht“ werden allein bei legalen Angeboten hierzulande rund 50 Milliarden Euro pro Jahr ein- und umgesetzt. Die Größe des Schwarzmarktes kann keiner genau beziffern.
Hohes Wachstum erwarten die Anbieter im Internet. Bwin, Tipico, bet-at-home, interwetten und zahllose andere setzen auf einen Markt, den es eigentlich in Deutschland nicht gibt. Zumindest im juristischen Sinne. Online-Casinos für Roulette, Black Jack und Poker sind verboten. Dennoch sind sie alle da und kaufen Fußballstars wie Torwart-Titan Oliver Kahn als Gesicht der Marke ein. Die Unternehmen operieren auf Basis der EU-Dienstleistungsrichtlinie. Viele sind auf Malta und in Gibraltar registriert.
Die Ministerpräsidenten der Bundesländer wollen die Anbieter nun auch nach Deutschland holen. Einerseits hoffen sie, mit einem engen Korsett zu verhindern, dass Zocker süchtig werden. Andererseits versprechen sie sich erkleckliche Steuereinnahmen. Schleswig-Holstein ist der Vorreiter unter den Ländern. Die Norddeutschen hatten 2012 als Einzige einen Sonderweg eingeschlagen und Lizenzen an Anbieter von Online-Casinos und Sportwetten verteilt.
Der CDU-Politiker Dirk Schrödter, Chef der schleswig-holsteinischen Staatskanzlei, hält das Modell seines Landes für ein Vorbild für die gesamte Republik. Die Anbieter dort müssen sicherstellen, dass keine Minderjährigen zocken und den Spielern keinerlei Kredite gewährt werden, die sie in die Verschuldung stürzen könnten. Was sich in der Theorie gut anhört, hat in der Praxis Probleme. Erstens gelten die Bestimmungen nur für die Schleswig-Holsteiner, zweitens ist die Aufsicht zahnlos.
Dass der Spielerschutz bislang nicht richtig funktioniert, zeigen die Zahlen. Rund 180000 Menschen in Deutschland gelten als spielsüchtig, weitere 326000 haben laut Jahrbuch ein Problem mit ihrem Spielverhalten. Das Dilemma für die Politik ist die Grenzenlosigkeit des Internets. Macht sie die Vorschriften zu streng, könnten die Intensivspieler, die sie vor dem Abrutschen bewahren will, auf Unternehmen aus Asien ausweichen. Dort bekommen sie Kredit und es gibt vielleicht keine Setzlimits.
Die Glücksspielanbieter wollen, dass der Markt in Deutschland eigene Regeln bekommt. Eine Lizenz aus Deutschland kann ein Gütesiegel sein. „Der Markt ist ja bereits da, es gibt hunderttausende Spieler in Deutschland“, sagte der Justiziar von bwin, Jens Becke, im Gespräch mit unserer Zeitung. „Es ist besser, wenn es dafür klare Regeln gibt, als wenn sie zu Anbietern aus Asien wechseln, die sich um Spieler- und Jugendschutz nicht kümmern“, fügt Becke hinzu.
Die Bundesländer wollen nun die Grundlage dafür legen, im Herbst konkrete Vorschläge vorlegen zu können. Die neuen Regelungen sollen dann ab 2021 greifen – im besten Fall per Staatsvertrag in ganz Deutschland. „Für uns ist es keine Option, keine Regelung zu bekommen“, betonte Staatskanzleichef Schrödter.
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