Verwählt
Gleich mehrere Abgeordnete haben bei der Entscheidung über das EU-Urheberrecht offenbar versehentlich falsch abgestimmt. Wie konnte es dazu kommen?
Wer lange genug die Brexit-Abstimmungen im britischen Unterhaus verfolgt hat, weiß: Verwirrung ist kein Zustand, vor dem gewählte Volksvertreter geschützt sind. Das gilt auch für das Europäische Parlament und seine 751 Abgeordneten – und führt manchmal sogar zu überraschenden Ergebnissen. Konkret ging es bei dem Vorfall in dieser Woche um das neue Urheberrecht und vor allem die umstrittenen Uploadfilter, von denen inzwischen nicht einmal klar ist, ob sie möglicherweise nur durch einen Zufall beschlossen wurden.
Aber der Reihe nach: Wie in den Plenarsitzungen in Straßburg üblich werden mittags ab zwölf Uhr die Abstimmungen durchgezogen – ein Wort, das wirklich passt. Innerhalb von nicht einmal zwei Stunden stehen da manchmal bis zu 200 Voten an. An diesem denkwürdigen Dienstag ging es, noch bevor das neue Urheberrecht für die Europäische Union selbst aufgerufen wurde, zunächst um einen Änderungsantrag des SPD-Politikers Tiemo Wölken. Er wollte erreichen, dass der umstrittene Artikel 13, der inzwischen zum Artikel 17 geworden war, zunächst aus der Richtlinie herausgenommen wird, um über die Uploadfilter getrennt zu beraten, sie also zu verhindern. Sein Antrag wurde knapp mit fünf Stimmen Mehrheit abgelehnt – und danach das komplette Urheberrechtspaket beschlossen.
Als Wölken sich am Abend die Abstimmungsliste, in der das Votum jedes Volksvertreters eingetragen wird, noch einmal ansah, war seine Verwunderung groß: Mehrere Abgeordnete verschiedener Fraktionen hatten ihr Abstimmungsverhalten korrigiert. Insgesamt zehn Parlamentarier mehr zeichneten nun für Wölkens Antrag, obwohl sie zunächst dagegen gestimmt hatten. Ob die Uploadfilter dadurch hätten verhindert werden können, steht nicht fest, kurios ist die Verwirrung allerdings trotzdem. Denn offenbar hatte der in der Sitzung amtierende Parlamentspräsident Antonio Tajani wohl auch selbst gemerkt, dass nicht alle Mandatsträger gerade im richtigen Film waren und deshalb sogar noch nachgefragt, ob jeder wisse, worüber gerade abgestimmt werde. Es gab keinen Widerspruch.
Und so kam ein Fehler zustande, der unter Umständen folgenschwer war. Solche Peinlichkeiten sind übrigens auch im Deutschen Bundestag schon passiert. Im November musste sogar Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) ihr Nein in ein Ja korrigieren, weil sie versehentlich für eine Vorlage der Linken zu Rüstungsausgaben gestimmt hatte.
Es ist aber eben auch verwirrend, als Abgeordneter den Durchblick zu behalten – nicht nur in Großbritannien.
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