Pflegebetrug: SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach fordert Konsequenzen
Exklusiv Karl Lauterbach fordert, die Privatisierung in der Pflege zurückzudrehen. Die große Koalition habe bisher zu langsam reagiert.
Nach dem Skandal um großangelegten Pflegebetrug in Bayern hat der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach grundlegende Konsequenzen der Politik gefordert. Der von den Ermittlungsbehörden in Augsburg und München aufgedeckte Millionenbetrug bei Pflegediensten sei kein Einzelfall, sagte der SPD-Fraktionsvizechef unserer Redaktion. "Das ist leider weit verbreitet und nimmt auch zu", betonte er. "Wir haben das Problem, dass einzelne Anbieter hochkriminell vorgehen", betonte Lauterbach. Die Ursache dahinter sei jedoch, dass ein immer größerer Anteil der Pflege privatisiert werde, kritisierte der SPD-Politiker (Soko "Eule" kämpft gegen Pflegebetrug: So lief die Razzia in Augsburg).
Lauterbach: Skandale zeigen, dass Reform nötig ist
Die Politik müsse schärfer gegen Missbrauch vorgehen: "Die Reaktion, die wir in den letzten Jahren auch als Große Koalition, das muss man selbstkritisch sagen, an den Tag gelegt haben, war nicht angemessen rasch genug", räumte der SPD-Gesundheitspolitiker ein. Die Skandale zeigten, dass grundlegende Reformen nötig seien: "Die Schraube der Privatisierung muss zurückgedreht werden", forderte Lauterbach. Mittlerweile würden sich "selbst Heuschrecken-Konzerne an der Pflege in Deutschland bereichern", sagte der SPD-Politiker.
SPD-Gesundheitsexperte kritisiert hohen Eigenanteil bei der Pflege
"Ein wichtiges Kernelement ist, dass wir einen großen Teil der Pflege wieder in kommunale Hand geben müssen", forderte der SPD-Fraktionsvizechef. Ein anderes Problem, das abgestellt werden müsse, sei der hohe Eigenanteil von bis zu 2500 Euro. Er veranlasse viele Menschen, sich an Einrichtungen zu wenden, die zwar billiger, aber oft auch unseriös seien. "Das Problem ist, dass der gute Ruf der Pflege in Deutschland insgesamt in Verruf gebracht und dauerhaft geschädigt wird", sagte Lauterbach.
Auch die zuständigen Ermittler üben Kritik an den aus ihrer Sicht völlig unzureichenden Kontrollmechanismen in der Gesundheitsbranche. Der Leiter der Staatsanwaltschaft München I, Hans Kornprobst, sagt: „Unser Gesundheitswesen ist in Teilen ein Schlaraffenland für Kriminelle.“
Allein in Augsburg wurde bei der Razzia am Mittwoch Bargeld in Höhe von rund 6,7 Millionen Euro gefunden, gebunkert in Privatwohnungen und Bankschließfächern. Der Augsburger Kripo-Chef Gerhard Zintl geht nicht davon aus, dass Augsburg ein Schwerpunkt ist. Auch andernorts in Deutschland sei die Lage wohl ähnlich, sagt er. Verfahren in anderen Bundesländern hätten das schon gezeigt.
Prüfer der Kranken- und Pflegekassen haben wenige Befugnisse
Den Prüfern der Kranken- und Pflegekassen machen die Ermittler keine Vorwürfe. Ihnen seien oftmals die Hände gebunden, weil sie keine ausreichenden gesetzlichen Befugnisse hätten, um wirksam kontrollieren zu können, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Hans Kornprobst. Er nennt unter anderem die Pflicht, Kontrollbesuche bei Patienten ambulanter Pflegedienste vorher anmelden zu müssen und zieht einen Vergleich: „Wenn wir als Staatsanwaltschaft eine Durchsuchung auch einen Tag vorher ankündigen müssten, würden wir wenig finden.“
Kornprobst sieht drei Faktoren, welche die Pflegebranche besonders attraktiv für Kriminelle machen. Es sei viel Geld im Spiel – deutschlandweit werde im Gesundheitswesen jeden Tag rund eine Milliarde Euro umgesetzt. Dazu kämen unzureichende Kontrollen und der Pflegenotstand. Oft könnten Angehörige und Patienten sich den Pflegedienst nicht aussuchen und müssten nehmen, was sie bekommen.
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