Der größte Skandal in der Diesel-Affäre: Wie sehr deutsche Politiker unsere Konzerne ermutigen, am alten Geschäft festzuhalten – und Innovationen ausbremsen
Kennen Sie Waymo? So viel sei verraten: Es handelt sich um ein junges Unternehmen, wenige Jahre erst alt, das sich im Bereich der Mobilität versucht.
Ulkig, werden Sie sagen? Kommt auf die Betrachtungsweise an. Waymo testet seit Jahren rund um die Uhr selbstfahrende Autos, rund acht Millionen Kilometer auf öffentlichen Straßen, acht Milliarden im Simulator, wie Verkehrsjournalisten mitgezählt haben.
So sicher sind die Waymo-Macher ihrer Sache, dass die Autos schon ohne menschlichen Fahrer herumflitzen. Gerade hat das Unternehmen 62.000 Minivans erworben, für einen Fahrservice, der Ende des Jahres Kunden beglücken soll. Und ach ja, einen ordentlichen Börsenwert kann das neue Unternehmen, das zu Google gehört, auch vorweisen: Experten halten es für wertvoller als Volkswagen und Daimler zusammen.
Man muss an diese Dimensionen erinnern, wenn in diesen Tagen die deutsche Auto-Lobby ihre letzten großen Schlachten führt – und scheinbar gewinnt. Denn der Skandal an „Dieselgate“ ist nicht, wie leicht die Industrie ihre Betrügereien offenbar abwälzen kann. Der wahre Skandal ist, wie einfach es die Politik ihr macht, die Zukunft einer der wichtigsten deutschen Industrie-Standbeine zu verschlafen.
Um das zu belegen, muss man gar nicht auf angeblich mangelnde Innovationskraft der deutschen Autokonzerne einprügeln. Die ist keineswegs übel: Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft stammen rund 40 Prozent aller in Deutschland angemeldeten Patente aus der Autobranche, nur jedes dritte kreist noch um den Verbrennungsmotor. Auch investieren die Konzerne längst Milliarden in die Elektromobilität – und ob sie sich von den Plattform-Pionieren in Kalifornien wirklich abhängen lassen, ist noch nicht ausgemacht.
Man muss vielmehr auf die politischen Rahmenbedingungen schauen und wie sehr die Politik Autobauer ermutigt, so lange wie möglich am Alten festzuhalten.
Die Politik redet der Autoindustrie ein: Wandel kann warten
Schon 2010 entstand etwa eine „Nationale Plattform Elektromobilität“, erklärtes Ziel bis zum Jahr 2020: eine Million E-Autos in Deutschland. Denn die Welt schlafe nicht, wie Kanzlerin Angela Merkel verkündete. Das Ziel ist längst beerdigt, gerade einmal rund 17.000 E-Auto-Zulassungen zählte man im ersten Halbjahr 2018. Die Kunden mögen sie nicht, unter anderem, weil viel zu wenig in Lade-Infrastruktur investiert wurde.
Warum sollte das auch jemand tun? Unsere Politik suggeriert ja, es sei nicht so dringend. China und Indien, Großbritannien oder Frankreich haben den Verbrennungsmotor hoch offiziell zum Auslaufmotor erklärt. Deutsche Politiker versuchen das Gegenteil: Sie bremsten eine EU-Quote für Elektrofahrzeuge ab, zu scharfe Grenzwerte sowieso. Und den Diesel-Steuervorteil zahlen sie genauso unbeirrt wie die Pendlerpauschale.
Was fehlt: eine neue Strategie für einen neuen Verkehrsmix. Andere Länder haben erkannt, dass es neue Formen der Mobilität braucht, auch weniger Autos, egal welchen Antriebs (46 Millionen gibt es für 80 Millionen Deutsche). Natürlich wird und soll es immer Leute geben, die ganz alleine Gas geben wollen. Aber sehr viele Leute werden sich (E-)Autos teilen wollen, kombiniert mit schlauem Nahverkehr.
Das gilt für überfüllte Metropolen in Asien, doch ebenso für deutsche. Es ist verständlich, als Politiker auf Arbeitsplätze zu schauen. Aber in Sonntagsreden zu sagen, die Industrie werde so nicht überleben, und montags an Altem festzuhalten, ist keine Strategie.
Besser wäre als Politik, der Autobranche ordentlich Druck zu machen – um sie dann ihre beachtliche Innovationskraft entfalten zu lassen.
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>> kombiniert mit schlauem Nahverkehr <<
Sorry, aber das ist nur eine substanzlose Floskel ohne jede Perspektive.
Die Realität sieht eher so aus, dass wir für den ÖPNV schlaue Politiker brauchen würden. Politiker in der Region, die sich nicht mit der verzögerten Reaktivierung der Staudenbahn wegen angeblichem Fahrzeugmangel abfinden (alte Dieseltriebzüge für den Überbrückungszeitraum gibt es wie Sand am Meer)
Und solange nicht mindestens Straßenbahnen ohne Fahrer fahren, ist das Versprechen von selbst fahrenden (und lenkenden!) Sharingmobilen nur ein Lockruf eines neuen Marktes.