Polizei prüft Hinweis auf weiteren Anschlag von Neonazis in Köln
Möglicherweise ist die Neonazi-Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) für einen weiteren Anschlag verantwortlich, bei dem eine 19-Jährige schwer verletzt wurde.
Auf das Konto der rechtsterroristischen Zwickauer Zelle geht womöglich ein weiterer Anschlag in Köln. Die Propaganda-DVD der Rechtsextremisten ergab einen Hinweis auf ein Sprengstoff-Attentat, bei dem 2001 eine Deutsch-Iranerin schwer verletzt werde, wie das NRW-Innenministerium am Montag mitteilte. Derweil gerät der Thüringer Verfassungsschutz nach Bekanntwerden der Verbrechensserie weiter unter Druck.
Bei dem Attentat in der Kölner Innenstadt 2001 hatte sich die damals 19-jährige Deutsch-Iranerin in ihrem elterlichen Lebensmittelgeschäft "durch eine Sprengfalle" schwere Verletzungen zugezogen, wie der Düsseldorfer Innenminister Ralf Jäger (SPD) mitteilte. Die NRW-Behörden überprüfen zudem mögliche Zusammenhänge zwischen der Zwickauer Terrorgruppe und dem Anschlag mit einer Nagelbombe 2004 im Kölner Stadtteil Mülheim mit 22 Verletzten, zu dem sich die Neonazi-Gruppe auf der DVD bekannt hatte.
Die NRW-Polizei untersucht ferner erneut einen Sprengstoffanschlag an der S-Bahnstation Düsseldorf-Wehrhahn mit zehn Verletzten im Jahr 2000. Auch prüft das bayerische Landeskriminalamt eine mögliche Verantwortung der Gruppe für das Messerattentat auf den ehemaligen Passauer Polizeichef Alois Mannichl vor knapp drei Jahren.
Die Bundesanwaltschaft vermutet, dass die aus der Thüringer Neonazi-Szene stammenden Mitglieder der Zelle hinter der Mordserie an mindestens neun Ausländern und ausländischstämmigen Deutschen zwischen 2000 und 2006 stehen. Außerdem sollen sie 2007 eine Polizistin in Heilbronn erschossen haben. Die Existenz der rechtsextremen Gruppe, die sich "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) nannte, war erst in der vergangenen Woche nach dem Fund von Beweismitteln in der Wohnung der Verdächtigen in Zwickau bekannt geworden.
Auf der DVD rühmen sich die Verdächtigen ihrer Verbrechen
Dabei waren auch die Propaganda-DVDs mit dem Film entdeckt worden, auf dem sich die Verdächtigen ihrer Verbrechen rühmen. Laut "Spiegel Online" soll dieser Film offenbar schon Ende Dezember 2007 fertiggestellt worden sein. Die beiden zu der Gruppe zählenden Männer waren Anfang November in Eisenach tot in einem Wohnmobil aufgefunden worden, laut Polizei sollen sie sich selbst erschossen haben. Eine 36-jährige Frau sitzt in Untersuchungshaft, ein am Sonntag in Niedersachsen festgenommener mutmaßlicher Helfer der Gruppe sollte noch am Montag dem Haftrichter vorgeführt werden.
Die Debatte über die Rolle des Verfassungsschutzes im Fall der seit 1998 untergetauchten Mitglieder der Neonazi-Zelle dauerte derweil an. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) forderte in der "Bild"-Zeitung vom Montag, der Thüringer Landesverfassungsschutz müsse nun "dringend" Aufklärung leisten. Friedrich nannte es "sehr beunruhigend, dass zwischen der Mordserie in ganz Deutschland und der rechtsextremen Szene in Thüringen kein Zusammenhang erkannt wurde". Vor Journalisten in Berlin sagte Friedrich, es sei vermutet worden, dass sich die Mitglieder der Zelle nach ihrem Abtauchen im Ausland aufgehalten haben könnten.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte die offenbar rechtsextremistisch motivierte Mordserie eine "Schande" für Deutschland. "Wir müssen alles tun, um die Dinge aufzuklären", sagte Merkel auf dem CDU-Parteitag in Leipzig. Einem Antrag für den Parteitag zufolge will die CDU-Spitze die Chancen eines neuen NPD-Verbotsverfahrens prüfen lassen. afp
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