Polizeivertreter kritisieren unterschiedliche Lockerungen in Bundesländern
Exklusiv Der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende mahnt eine bundesweite Lösung an - und warnt davor, dass die Stimmung in der Bevölkerung und bei den Beamten kippen könnte.
Polizeivertreter kritisieren die je nach Bundesland unterschiedlichen Lockerungen der Corona-Beschränkungen und fordern eine bundeseinheitliche Regelung. „Sie erschweren die Arbeit der Polizei, weil die Menschen wenig Verständnis für die unterschiedlichen Maßnahmen haben“, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Jörg Radek unserer Redaktion. „Wir sind es der Demokratie schuldig, polizeiliches Handeln zu erklären, aber wenn die Unterschiede nicht mehr erklärbar sind, wird das schwierig“, betonte Radek.
Lockerungen in der Corona-Krise: Kontrollen der Polizei nehmen deutlich zu
„In einer Notlage wie dieser Pandemie müssen die Maßnahmen, die von einer Verwaltung getroffen werden, transparent und vermittelbar sein“, betonte der Polizeigewerkschafter. „Und da wird es für meine Kollegen schwierig, wenn Regelungen in einem Land anders aussehen als in dem anderen, die Menschen vergleichen sich“, sagte der Polizeibeamte. „Die Gewerkschaft der Polizei mahnt eine bundesweit einheitliche Lockerung der Corona-Regelungen von Bund und Ländern an“, fügte Radek hinzu. „Die Bewältigung der Krise darf kein Anlass sein, in einen politischen Wettbewerb einzutreten. Leider sind erste Anzeichen sichtbar“, sagte Radek mit Blick auf die beispielweise unterschiedlichen Regelungen zur Öffnung von Möbelhäusern oder anderen größeren Geschäften.
Mit einer langsamen Rückkehr zum öffentlichen Leben würden die Kontrollen und Einsätze der Polizei deutlich zunehmen, sagte Radek. Deshalb sei ein kontinuierlicher Nachschub mit Schutzmasken, Desinfektionsmittel und Schutzhandschuhen dringend angesagt. „Wir haben weiterhin, örtlich unterschiedlich ausgeprägt, Beschaffungsprobleme, wie alle anderen auch“, sagte Radek. Insgesamt habe sich die Situation aber gebessert.
Zahlreiche Polizisten sind infiziert oder in Quarantäne
„Sehr kritisch sehen wir, dass es keine zentrale Beschaffung für die Sicherheitsbehörden generell in der Planung vorgesehen war.“ Wenn der Bund zentral diese Aufgabe übernommen hätte, hieße dies auch, „dass die Landespolizeibehörden sich am Markt nicht gegenseitig überbieten müssten“. Es gebe zahlreiche infizierte und von Isolationsmaßnahmen betroffene Polizeibeamte. „Die Ansteckungs- und Quarantänefälle steigen letztlich so wie in der übrigen Bevölkerung auch“, sagte Radek. Insgesamt müsste die Polizei Deutschland besser auf solche Ausnahmesituationen vorbereitet werden, mahnte Radek an. „Wir haben zwar vor einigen Jahren eine länderübergreifende Pandemie-Übung gehabt, aber daraus sind nicht die entsprechenden Schlussfolgerungen für die Einsatzlage gezogen worden. Das gilt es, dingend nach zu holen, wenn wir das Virus fest im Griff haben.“
Auch der stellvertretende bayerische Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft DPolG, Jürgen Ascherl, sagte unserer Redaktion, unterschiedliche Regelungen in benachbarten Bundesländern führten zu Konflikten, wenn Polizeibeamte die strikteren Maßnahmen umsetzen müssten. „Wir müssen aufpassen, dass die Stimmung nicht kippt“, betonte der Gewerkschafter.
In Bayern hat sich die Situation verbessert
Dies gelte auch für die Polizeibeamten selbst. Wegen interner Corona-Schutzmaßnahmen seien viele Dienstgruppen nur mit einer geringeren Zahl an Beamten besetzt, um bei möglichen Infektionen die Zahl infizierter und von Quarantäne betroffener Polizisten klein zu halten. Weil dabei zugleich die Schichten verkürzt würden, hätten viele Beamte die Sorge einen Berg an Minusstunden aufzubauen. „Wir brauchen hier eine großzügige Lösung, es dürfen keine Minusstunden geschrieben werden müssen“, betonte Ascherl. Dies sei vom bayerischen Innenministerium zwar zugesagt worden, aber nicht auf allen Dienststellen Praxis, kritisierte der Polizeigewerkschafter. Denkbar sei beispielsweise, Beamte dabei stärker im Homeoffice einzusetzen, sagte er.
In Bayern habe sich die Situation mit der Schutzausrüstungen für die Polizeibeamten inzwischen verbessert, sagte Ascherl. Der Polizeigewerkschafter appellierte an sein Kollegen, von Mundschutz Gebrauch zu machen, auch um damit ein öffentliches Beispiel für zu geben. „An die Bürger kann ich nur appellieren, bei Polizeikontrollen auf den nötigen Abstand von am besten zwei Metern zu achten, das macht die Situation für alle einfacher“, fügte der Polizeigewerkschafter hinzu. (pom)
Das könnte Sie auch interessieren:
- Wie sich Friseure und Händler auf einen neuen Alltag vorbereiten
- Lockerungen in der Corona-Krise: Das ändert sich ab heute in Bayern
- Ulmer Professorin: „Wissenschaftler haben schon lange gewarnt“
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.
Die Diskussion ist geschlossen.