Polizisten sind am Limit angelangt
Trotz wachsender Bedrohungen für die Innere Sicherheit haben Bund und Länder jahrelang Tausende Polizeistellen ersatzlos gestrichen. So wollen Politiker das Problem lösen.
Der Hilferuf war laut und unüberhörbar. „Skandalöser Stellenabbau bei der Polizei setzt Sicherheit Deutschlands aufs Spiel“, klagt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Die politisch Verantwortlichen im Bund und in den Ländern verdrängten „die sich dramatisch entwickelnde Bedrohungslage Deutschlands und das immer schwerer werdende Aufgabenpaket, das die Polizei schultern müsse“. Während sich die Sicherheitslage für die Bürger verschlechtere, werde „auf Teufel komm raus“ bei der Polizei gespart.
Die Zitate klingen aktuell. Sie könnten eine Reaktion auf die Ereignisse der Silvesternacht in Köln sein, wo 250 Polizisten einem Mob von mehr als 1000 gewaltbereiten jungen Männern gegenüberstanden. Doch sie sind bald neun Jahre alt.
Lange vor der aktuellen Flüchtlingskrise, im Juni 2007, warf der damalige Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, Bund und Ländern vor, zwischen 2000 und 2006 rund 10.000 Stellen bei der Polizei ersatzlos gestrichen zu haben. Doch alle Forderungen nach einer Kehrtwende blieben ohne Konsequenzen.
Immer weniger Polizisten sollen für mehr Sicherheit sorgen
Im Gegenteil, der massive Stellenabbau setzte sich nach der Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz ungebremst fort. Zwischen 2005 und 2015 sank die Zahl der Polizisten um weitere 7000. Die Folge: Die Sicherheitskräfte haben keine Reserven und Puffer mehr.
Im letzten Jahr leisteten die Beamten rund 20 Millionen Überstunden. Und schon lange vor den Extrembelastungen durch die Flüchtlingskrise gab es einen Rückzug aus der Fläche, das Entstehen von No-go-Areas in Großstädten, einen immer größer werdenden Berg an unerledigten und unaufgeklärten Fällen sowie ständig neue Herausforderungen. Gegenseitige Vorwürfe und Schuldzuweisungen, wie vergangene Woche im Bundestag, helfen nicht weiter.
Es waren CDU- wie SPD-geführte Regierungen gleichermaßen, Große Koalitionen, schwarz-gelbe und rot-grüne Bündnisse, die mit Blick auf angespannte Haushalte den Rotstift ansetzten und massiv Stellen abbauten, vor allem in den westdeutschen Flächenländern.
Gleichzeitig beschloss der Bund nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 eine Vielzahl neuer Gesetze, die eine neue Sicherheitsarchitektur zur Folge hatten und im Laufe der Jahre weiter verschärft wurden. Das paradoxe Ziel: Immer weniger Polizisten sollten für immer mehr Sicherheit sorgen. Diese Rechnung ging, wie die Vorkommnisse im sächsischen Heidenau im Herbst oder in Köln an Silvester belegen, nicht auf. Schärfere Gesetze allein machen das Land nicht sicherer, wenn beim Vollzug Defizite herrschen.
Innenminister Bouillon: "Das Jahr 2016 ist für die Bundesrepublik mit das schwierigste"
Erst seit kurzem findet ein Umdenken statt, es werden wieder mehr Polizisten eingestellt. Doch das löst die Probleme kurzfristig nicht. Polizist wird man erst nach einer anspruchsvollen dreijährigen Ausbildung. Wer heute eingestellt wird, steht erst ab 2019 für den Streifendienst zur Verfügung. So klingt es fast hilflos, wenn NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft kurz vor der Pensionierung stehende Beamte bittet, länger im Dienst zu bleiben.
Auch private Sicherheitsdienste, externe Dienstleister und die sogenannten Bürgerwehren machen das Land nicht sicherer, ersetzen die Polizei nicht.
Die Lage ist ernst. „Das Jahr 2016 ist für die Bundesrepublik mit das schwierigste“, sagt der saarländische Innenminister Klaus Bouillon voraus, der ab heute als neuer Chef der Innenministerkonferenz die politische Koordinierung der Bundesländer leitet. In diesem Jahr seien die Innenminister so gefordert wie nie, betont der CDU-Politiker.
Die Diskussion ist geschlossen.
Das ist schon seit Jahren/Jahrzehnten zu lesen: die Poizei ist am Limit angelangt. Was macht man normalerweise wenn man sich "Grenzen" nähert und der Freiraum gen "0" geht? Man setzt Prioritäten und lässt ggfs. unwichtige Dinge beiseite.