Putin schickt die Kavallerie
Die Kosaken sind nicht nur russische Folklore, sondern auch eine schlagkräftige Truppe – im wahrsten Sinne des Wortes. Bei der Fußball-WM sollen sie für Ordnung sorgen
Sie gehören zur russischen Folklore wie Zwiebeltürme, Wodka und sehnsüchtige Lieder auf der Balalaika. Die Kosaken waren einst freie Krieger, die viel hielten auf ihre Treue zum Zaren, aber ebenso auf ein ausgeprägtes Streben nach Unabhängigkeit. In der Sowjetunion waren sie fast verschwunden. Doch die Kosaken sind zurück – und prügeln sich immer öfter in den Mittelpunkt, wenn in Russland liberale und konservative Wertvorstellungen aufeinandertreffen. Während der Weltmeisterschaft sind sie vor allem in ihren traditionellen Gebieten um Rostow und Krasnodar für den Kulturteil zuständig, übernehmen aber auch „diverse Sicherheitsaufgaben“. Was gemeint ist, davon können Oppositionelle mittlerweile ein trauriges Liedchen singen.
In den vergangenen Jahren schwangen Kosaken als quasi paramilitärische Einheit ihre Peitschen bei Kinopremieren, Kunstaktionen und Theatervorstellungen immer dann, wenn die Veranstaltungen ihnen zu „unrussisch“ erschienen. Während der Olympischen Winterspiele 2014 machten dann die Frauen der Punkband Pussy Riot Bekanntschaft mit Mitgliedern des Kosakenheeres, die sie in der Innenstadt von Sotschi mit Stöcken, Peitschen und Pfefferspray attackierten.
Nicht nur oppositionelle Politiker, sondern auch eine zunehmende Zahl traditioneller Kosaken zeigen sich über die aktuellen Entwicklungen besorgt. Ihnen schwant, dass die verklärte Vergangenheit der „freien Krieger“ dazu benutzt werden könnte, von der Regierung bezahlte paramilitärische Gruppen zu legitimieren. Umso mehr, als Anfang Mai, zwei Tage vor Wladimir Putins Amtseinführung, bei Kundgebungen der Opposition in Moskau als „Kosaken“ gekleidete Männer auf Demonstranten einprügelten und dabei, so berichteten es zahlreiche Augenzeugen, von der Polizei unterstützt worden waren.
Die Sorge basiert mittlerweile auf klaren Fakten. Kosaken waren in nicht unerheblicher Zahl sowohl an der Annexion der Krim beteiligt als auch unter der Leitung des kosakischen Ataman Nikolai Kozitsyn an militärischen Aktionen in der Ostukraine. In verschiedenen Regionen Russlands übt die selbst ernannte Moralpolizei sogar polizeiähnliche Funktionen aus, darf Personalausweise kontrollieren und Verdächtige der Polizei zuführen. Offenbar haben diese „Kosaken“ in den vergangenen drei Jahren von der Moskauer Stadtverwaltung umgerechnet 200000 Euro erhalten, um in einem Trainingslager Einsätze gegen Demonstranten zu üben und um „die öffentliche Sicherheit bei Massenveranstaltungen zu sichern“. Bereits im März hatte die Stadtverwaltung auf ihrer Website berichtet, dass die „Kosaken“ solche Übungen „mit großem Engagement“ absolviert hätten. In Krasnodar, einem der traditionellen Siedlungsgebiete, wurde das Kosakenheer 2012 sogar auf die Gehaltsliste der Regionalverwaltung gesetzt. Laut einer lokalen Zeitung wurden 2015 fast 15 Millionen Euro an den „Traditionsverein“ abgeführt. Eine Ahnung, wofür das Geld zur Verfügung gestellt wurde, gab der damalige Gouverneur der Krasnodarer Region, als er in einer Rede vor lokalen Polizeiangehörigen sagte: „Was Sie nicht tun dürfen, können die Kosaken.“ Auch bei der Fußball-WM setzt Russland die Kosaken ein. Vor allem in den Austragungsstätten im Süden des Landes sollen sie als „Sicherheitskräfte“ tätig sein.
In Wolgograd, wo auch die Engländer ein Gruppenspiel austragen, hätten die von den russischen Medien vorzugsweise dämonisierten englischen Fans nichts zu befürchten, sagt ein Mitglied einer Kosaken-Eliteeinheit. Kosaken seien „freundliche und gastfreundliche“ Menschen, die für die WM sogar einen Fremdsprachenkurs durchlaufen hätten. Englische und russische Anhänger hatten sich bei der Europameisterschaft in Frankreich vor zwei Jahren auf der Tribüne wüste Schlägereien geliefert.
In der Hauptstadt Moskau sollen die Kosaken während der WM gegenüber anderslautenden Meldungen nicht zum Einsatz kommen. Hier haben sie, so der ehemalige Kreml-Berater Gleb Pawlowski, „einen wirklich schlechten Ruf“. Ihre Rolle bei der Unterdrückung und Misshandlung von Studenten und Intellektuellen vor der Oktoberrevolution habe man den Kosaken bis heute nicht verziehen. (n-ost)
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