Parteivorsitzender Horst Seehofer sieht sich heftigen Angriffen von der CSU-Landesgruppe in Berlin ausgesetzt. Deren Chef Hans-Peter Friedrich verblüfft mit seinen scharfen Aussagen sogar Experten.
Er ist das genaue Gegenteil seiner Vorgänger, die im letzten Jahrzehnt das Amt in der Öffentlichkeit geprägt haben, weder so boshaft-zynisch wie Michael Glos, noch so derb-polternd wie Peter Ramsauer. Hans-Peter Friedrich aus Hof, seit Herbst neuer CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, liebt die leisen Töne, er tritt ruhig und sachlich auf, jede Provokation liegt ihm fern.
So kommt auch an diesem Dienstag die massive Schelte des CSU-Statthalters in Berlin an seinem Parteichef Horst Seehofer im fernen München und seinen Münchner Parteifreunden wie Gesundheitsminister Markus Söder oder Sozialministerin Christine Haderthauer erst ganz leise, beinahe emotionslos daher. Die CSU in Berlin, doziert er etwas umständlich, habe ein Interesse daran, "im Rahmen unseres Auftrags" gut mit dem Koalitionspartner FDP zusammenzuarbeiten.
Doch dann legt der promovierte Jurist aus Oberfranken los und ist nicht mehr zu stoppen. In einer beispiellosen Art und Weise, die selbst langgediente Beobachter der politischen Szenerie in der Hauptstadt in dieser Form noch nie erlebt haben, knöpft sich Friedrich seinen Parteichef Seehofer und seine bayerischen Parteifreunde vor und verteilt, ruhig im Ton, aber unmissverständlich in der Sache, eine Watsch'n nach der anderen.
"Destruktiv" nennt er die jüngsten Äußerungen des bayerischen Gesundheitsministers Markus Söder, der erst am Wochenende in einem Zeitungsinterview die von der Bundesregierung in der vorigen Woche eingesetzte Kommission zur Gesundheitsreform für überflüssig erklärt hat. Ein Blick in die Verfassung hätte dem Landesminister klar zeigen können, dass er für diese Frage "gar nicht zuständig" sei.
"Ich verschweige nicht, dass Äußerungen von nicht zuständigen Politikern aus dem Süden störend sind." Und weiter: "Das Störfeuer muss eingestellt werden." Der Auftrag der CSU im Bundestag sei es, eine konstruktive Politik für ganz Deutschland zu gestalten. Dieser Auftrag werde "nicht erleichtert", wenn die Stimmen aus Bayern "ausschließlich destruktiv sind".
In der CSU fliegen die Fetzen. Schon bei der Sitzung der CSU-Landesgruppe am Montagabend in der Bayerischen Vertretung gab es massive Kritik an Seehofer und vor allem an Söder. Altgediente Bundestagsabgeordnete warfen ihm mit Blick auf seine Interviews "Profilierungssucht" vor, es sei nicht akzeptabel, dass sich ein Landespolitiker permanent in Angelegenheit einmische, "die ihn nichts angehen".
Unserer Zeitung sagte ein langjähriger Abgeordneter: "Wenn zu jedem bundespolitischen Thema jeder Landesminister seinen Senf dazugibt, wird es kritisch." Die Mitglieder der Landesgruppe, alle direkt in ihren Wahlkreisen gewählt, wüssten sehr gut Bescheid, was für Bayern wichtig sei, "dazu bedarf es nicht täglicher Belehrungen aus München". Man wolle nicht länger akzeptieren, dass Landespolitiker "Sand ins Getriebe" schütten und auf diese Weise dazu beitragen, dass das öffentliche Erscheinungsbild der schwarz-gelben Koalition beschädigt werde.
Auch Friedrich verbittet sich Belehrungen aus München. "Wir verlangen Respekt, nicht nur vor unserer Arbeit, sondern auch vor unseren Koalitionspartnern." Es gelte der Koalitionsvertrag, auch in der Gesundheitspolitik. Geradezu schützend stellt sich der CSU-Landesgruppenchef vor FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler: "Wir haben einen jungen, guten und hoffnungsvollen Gesundheitsminister", die CSU sei bereit, mit ihm "konstruktiv an einer Lösung der Probleme zu arbeiten". Vorschläge von Landespolitikern seien erwünscht, aber nur wenn sie der Sache dienten.
Die Frage, ob dies eine "Kriegserklärung" der CSU-Landesgruppe an die CSU-Spitze in München sei, weist Friedrich entschieden zurück. "Ich zettele keinen Krach an, ich stelle nur fest, dass es in der Sache keinen konstruktiven Beitrag gab. Ich kann das nicht ändern."
Rückendeckung gibt es für den jungen Landesgruppenchef von seinem Vor-Vor-Vor-Vorgänger Theo Waigel, der von 1982 bis 1989 an der Spitze der Landesgruppe stand und so manchen Streit mit dem damaligen CSU-Chef Franz Josef Strauß ausfocht. Das sei, meint der Ex-CSU-Chef lakonisch, früher auch nicht anders gewesen.