Schäfer-Gümbel: Der Unterschätzte
Ohne SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel ist in Hessen kaum eine Regierungsbildung denkbar. Das hat ihm lange keiner zugetraut.
Eine große Überraschung war es nicht mehr, als vor einer Woche gemeldet wurde, dass der hessische SPD-Chef, Thorsten Schäfer-Gümbel, offiziell für den SPD-Bundesvorstand nominiert wurde. Dabei ist diese Personalie – über einen längeren Zeitraum betrachtet – eigentlich eine Sensation.
Schäfer-Gümbel ist der Nachfolger Ypsilantis
Um das zu verstehen, muss man wissen, unter welchen Umständen „TSG“, wie der heute 44-Jährige inzwischen ohne spöttischen Unterton genannt wird, im Herbst 2008 die politische Bühne betrat. Parteichefin Andrea Ypsilanti hatte den bisher nur Insidern bekannten Hinterbänkler aus dem mittelhessischen Lich völlig überraschend als neuen SPD-Spitzenkandidaten vorgeschlagen. Zuvor hatten Abweichler aus der eigenen Partei im Landtag die Wahl Ypsilantis zur Ministerpräsidentin verhindert.
Hohn und Spott zu Beginn der Karriere
Zurück blieb ein Scherbenhaufen, auf dem Schäfer-Gümbel auch für ihn selber völlig unverhofft thronte. Die krachende Wahlniederlage im Januar 2009 war eine logische Folge. Doch damit nicht genug. Kübelweise Hohn ergoss sich über den 1,92 Meter großen Mann. Er sei „farblos“ und lediglich ein „Strohmann“ Ypsilantis – so der vielfach geäußerte Verdacht. Noch verletzender dürften Scherze über seine schwarze Brille mit den dicken Gläsern gewesen sein.
Dass Schäfer-Gümbel als junger Mann wegen einer schweren Krankheit beinahe sein Augenlicht verloren hätte und von da an auf die Spezialanfertigung angewiesen war, wurde gerne unterschlagen.
Selbst politische Gegner erkennen längst an, dass der SPD-Politiker Peter Struck, der im Dezember 2012 starb, richtig lag, als er TSG schon 2008 als „ganz eigenständigen, selbstbewussten Mann“ charakterisierte. Der Umstand, dass aktuell eine Regierungsbildung an ihm vorbei in Hessen nach den Landtagswahlen vom September 2013 kaum möglich ist, sollte dieses Selbstbewusstsein noch vergrößert haben.
In einfachen Verhältnissen aufgewachsen
Die Ausdauer, mit der sich TSG Anerkennung erkämpfte, mag an seiner Herkunft liegen. 1969 in Oberstdorf geboren, wuchs er in Gießen in einfachen Verhältnissen als Sohn einer Putzfrau und eines Lastwagenfahrers auf. Da war das Abitur keine Selbstverständlichkeit, zumal er sich auch um seine drei Geschwister kümmern musste. Politikwissenschaften studierte er anschließend als Stipendiat der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Siftung. Ein Grund für die enge Bindung an die Partei schon in jungen Jahren.
Eine andere Dauerbeziehung ging hingegen in diesem Jahr zumindest auf dem Papier zu Bruch: Aus Protest gegen die Steuer-Affäre um den Präsidenten des FC Bayern, Uli Hoeneß, trat TSG aus dem Verein aus. Dennoch, so hört man, drückt er den „Roten“ auch weiterhin die Daumen.
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