Schlauchboote in Seenot: Hunderte Flüchtlinge sterben vor Lampedusa
Vor Lampedusa sind möglicherweise mehr als 330 Menschen ums Leben gekommen. Die Flüchtlinge waren auf Schlauchbooten in Seenot geraten.
Am Hafen von Lampedusa stauen sich die Bestattungswagen. In ihnen sollten die Leichen der 29 Flüchtlinge auf das Festland transportiert werden, die zu Beginn der Woche auf der Überfahrt von Libyen auf die italienische Mittelmeerinsel erfroren waren. Doch die Ausmaße des Unglücks vor Lampedusa sind offenbar wesentlich größer als bisher vermutet. Wenn die Berichte von den drei Booten geretteter Überlebender zutreffen, sind bei der Überfahrt offenbar mehr als 330 Flüchtlinge ertrunken.
420 Flüchtlinge auf vier Schlauchbooten
Mitarbeiter des Flüchtlingshilfswerks UNHCR befragten die Menschen aus Senegal und Mali, darunter auch einen zwölfjährigen Jungen. UNHCR-Sprecherin Carlotta Sami sprach von einer „schrecklichen Tragödie“. Demnach hätten an der libyschen Küste nahe Tripolis am Sonntag insgesamt vier Schlauchboote mit Flüchtlingen abgelegt. Zeugen berichteten, dass trotz der Widerstände der Flüchtlinge auf jedes der Boote etwa 100 Personen mit Waffengewalt gepfercht wurden. Insgesamt seien etwa 420 Flüchtlinge auf vier Booten gemeinsam am Sonntag in See gestochen.
Nur drei Boote wurden aber von der Küstenwache entdeckt. Auf einem der Schiffe trafen die Retter 105 Personen an, von denen bereits sieben wegen Unterkühlung tot waren, auf dem anderen Boot waren sieben und auf dem dritten nur noch zwei Überlebende, die übrigen 200 Passagiere, darunter auch Kinder, seien während der Überfahrt ertrunken. Noch an Bord der italienischen Küstenwache-Schiffe starben 22 der aus dem ersten Schlauchboot Geretteten an den Folgen der Unterkühlung. Angesichts der nur 85 Überlebenden könnte es sich damit um eine der größten Flüchtlingstragödien im Mittelmeer handeln.
Schlechtes Wetter und starker Seegang behindern Rettung
Die zwei Schiffe der Küstenwache hatten die Unglücksstelle wegen des starken Seegangs und schlechten Wetters erst acht Stunden nach dem ersten Notruf erreicht. „So einen Seegang habe ich in meiner Laufbahn noch nie erlebt“, sagte der Kommandant der Küstenwache, Daniel Perilli. Unterdessen kritisierten Hilfsorganisationen das Ende der Hilfsoperation „Mare Nostrum“, bei der die italienische Marine bis Oktober 2014 nahe der libyschen Küste patrouillierte und Flüchtlinge aufnahm.
Die Operation war infrage gestellt worden, weil sie den Schleppern zusätzlichen Anreiz für ihre verantwortungslosen Menschentransporte gegeben habe. Die Länder der EU einigten sich schließlich auf die sogenannte Operation „Triton“ – diese hat aber eher defensiven Charakter: Die Rettungsschiffe sind nur in der Nähe der italienischen Küste unterwegs und bewegen sich erst bei Notrufen in Richtung der im Meer havarierten Schlauchboote. Oft zu spät.
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