Showdown in Thüringen: Heide Simonis lässt grüßen
Bodo Ramelow will am Freitag Ministerpräsident werden. Er rechnet mit einer hauchdünnen Mehrheit. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass alles anders kommt als erwartet.
Der Kampf um die Macht in Thüringen hat fast alles, was einen echten Showdown ausmacht. Entweder wird am Freitag mit Bodo Ramelow 25 Jahre nach der friedlichen Revolution gegen den SED-Staat erstmals ein Ministerpräsident der Linken gewählt, oder das Modell Rot-Rot-Grün erleidet im schönen Erfurt einen herben Rückschlag. Die Nerven sind angespannt – und zwar auf allen Seiten. Zumal immer wieder an den Polit-Krimi erinnert wird, der unter dem Titel „Wer ist der Heidemörder?“ 2005 für Aufsehen sorgte. In der tragischen Hauptrolle damals: Heide Simonis (SPD). Ihr Scheitern gilt als Mutter aller verlorenen Schlachten bei Wahlen um ein Ministerpräsidentenamt.
Die amtierende Landesmutter von Schleswig-Holstein stellte sich am 17. März 2005 im Parlament erneut zur Wahl, obwohl SPD und Grüne zusammen nur über 33 Mandate, CDU und FDP aber über insgesamt 34 Abgeordnete verfügten. Simonis gab sich dennoch siegessicher, nachdem der mit zwei Abgeordneten vertretene SSW – der Partei der dänischen Minderheit – zugesagt hatte, eine rot-grüne Minderheitsregierung zu unterstützen. Doch sie konnte sich nicht gegen den CDU-Landesvorsitzenden Peter Harry Carstensen durchsetzen. In allen vier Wahlgängen verfehlte Simonis die Mehrheit. Wer nun tatsächlich den „Heidemörder“ in diesem Stück gab, darüber wird bis heute spekuliert. Sicher ist, dass Heide Simonis diese bittere Niederlage, die ihre politische Karriere jäh beendete, persönlich nahm. Es flossen Tränen.
Linke, SPD und Grüne haben eine Stimme Mehrheit im Landtag
Ist so etwas am kommenden Freitag in Erfurt denkbar? Stimmt jeder Abgeordnete der Koalition zu, kann sich Ramelow auf jede Menge Blumensträuße nach der Abstimmung freuen. Schließlich verfügen Linke, SPD und Grüne zusammen über 46 Mandate im Landtag – exakt eine Stimme Mehrheit gegenüber der CDU und der AfD. Rechtzeitig haben Parteitage der Grünen und der SPD am Wochenende ihre Parteiführungen mit großer Mehrheit unterstützt, das Experiment mit der Nachfolgepartei der SED zu wagen.
Allerdings hat sich sowohl bei den Grünen als auch bei den Sozialdemokraten Widerstand gegen eine Koalition mit der Linken formiert. Schließlich gibt es in beiden Parteien Mitglieder, die mithalfen, die DDR-Führung in die Knie zu zwingen. Jena in Thüringen galt DDR-weit als Hochburg des Widerstandes. Dort formierte sich Anfang der 80er Jahre die „Friedensgemeinschaft“, die den Allmachtsanspruch der SED mit kreativen Methoden infrage stellte. Entsprechend brutal wurde die Gruppe verfolgt. Kein Wunder, dass für Bürgerrechtler in den Reihen von SPD und Grünen eine Rolle als Juniorpartner in einer Koalition mit der Linken nur schwer zu ertragen ist. Hinzu kommt, dass in deren Fraktion zwei bekennende Stasi-Informanten sitzen.
SPD-Landeschef Bausewein ist sich sicher "es wird Freitag reichen"
Dennoch ist sich der SPD-Landeschef Andreas Bausewein sicher, dass die Fraktion hinter dem Projekt Rot-Rot-Grün steht: „Es wird Freitag reichen“, sagt Bausewein, der auch Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Erfurt ist, seit Tagen in die Mikrofone. Bausewein setzt auch auf die disziplinierende Furcht in der Fraktion, dass die im Falle eines Scheiterns möglichen Neuwahlen für die SPD noch schlimmer ausgehen könnten als das 12,4-Prozent-Debakel vor drei Monaten. Gleiches gilt für die Grünen: Ihnen könnte gar das Ausscheiden aus dem Landtag blühen.
Und doch bleiben Zweifel. Wie Simonis scheiterte auch die hessische SPD-Politikerin Andrea Ypsilanti an Abweichlern aus dem eigenen Lager. Nachdem vier Mitglieder der Landtagsfraktion angekündigt hatten, ihr die Stimme bei der Wahl zum Ministerpräsidenten zu verweigern, musste sie ihr Ziel, eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung durch die Linken zu installieren, im November 2008 aufgeben. Bei den Neuwahlen 2009 trat sie nicht mehr an. Die SPD sitzt bis heute in der Opposition.
Machtkampf zwischen Christine Lieberknecht und Mike Mohring
Und die CDU? Sie ist in den Tagen vor der Entscheidung in erster Linie mit sich selber beschäftigt. Hinter den Kulissen tobt ein Machtkampf zwischen der amtierenden Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und dem aufstrebenden Fraktionschef Mike Mohring. Eine Entscheidung ist immerhin gefallen: Die CDU wird einen Kandidaten gegen Ramelow ins Rennen schicken. Wer verhindern soll, dass die Partei erstmals seit der Wiedervereinigung in die Opposition muss, ist jedoch noch unklar. Mohring gilt jedoch als chancenreicher, da die AfD-Fraktion ihn – im Gegensatz zu Lieberknecht – als wählbar eingestuft hat.
Allerdings dürfte sich die Ministerpräsidentin weit besser in die Situation von Ramelow hineinversetzen können. Am 30. Oktober 2009 verfehlte sie gleich zweimal die nötige Mehrheit im Landtag. Doch dann kam ihr Retter ins Spiel. Als der Spitzenkandidat der Linken im dritten und letzten Wahlgang gegen sie antrat, war ihr die Mehrheit gewiss. Der Mann hieß: Bodo Ramelow.
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