So umstritten ist die Jeanne d’Arc des Nahen Ostens
Die Palästinenser feiern die 17-jährige Ahed als Ikone des Widerstands. Oder ist sie nur Teil einer Inszenierung?
Es kommt darauf an, wen man nach ihr fragt. Im Westjordanland, bei ihren palästinensischen Freunden, ist Ahed Tamimi eine Heldin. Ein Mädchen, gerade 17 Jahre alt, das sich mit israelischen Soldaten anlegt, ihnen ins Gesicht schlägt, sie beschimpft und tritt und dafür ins Gefängnis geht. Die acht Monate in der Haft, sagt sie, hätten ihr einen Teil ihrer Jugend geraubt. „Aber solange wir für unsere Sache kämpfen, müssen wir Dinge opfern.“ Auch in Deutschland wird sie dafür als Freiheitskämpferin und Ikone des Widerstands gefeiert. Nun will Ahed Tamimi Jura studieren. „Damit ich mein Volk verteidigen kann.“ Mahmud Abbas, der Präsident der Palästinenser, ist begeistert: Ihr Kampf zeige, schwärmte er nach einem Treffen mit der gerade Freigelassenen in dieser Woche, „dass unser Volk standhaft bleiben wird, egal wie viel geopfert werden muss“.
Für viele Israelis ist der Teenager mit den dichten dunkelblonden Locken dagegen vor allem eines: ein Produkt seiner Erziehung, die Tochter eines fanatischen Aufwieglers, der auch noch von der palästinensischen Autonomiebehörde bezahlt wird. In Nabi Saleh, einem kleinen Dorf nördlich von Jerusalem, hat die Familie Tamimi aus den regelmäßigen Protesten gegen eine benachbarte jüdische Siedlung „ein florierendes PR-Unternehmen gemacht, das sich auf die Produktion eindrucksvoller Bilder spezialisiert hat“, wie die Jüdische Allgemeine bitterböse bemerkt. Die Dramaturgie ist dabei seit Jahren die gleiche: Von hinten fliegen jede Menge Pflastersteine auf sie, um aber zu den palästinensischen Angreifern vorzudringen, müssen sich die israelischen Soldaten ihren Weg erst durch eine Art Schutzwall aus Kindern und Jugendlichen bahnen.
Spätestens dann werfen die Tamimis ihre Kameras an und drehen Szenen, in denen die Rolle des Bösen verlässlich mit Israelis besetzt ist. Für einen dieser kurzen Filme aus dem Jahr 2012, in dem die elfjährige Ahed einen Soldaten wütend anschreit und ihm mit der Faust droht, verlieh der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ihr sogar einen Preis für Zivilcourage. Auch ihren letzten Angriff, für den sie schließlich gemeinsam mit ihrer Mutter ins Gefängnis musste, bezeichnete Ahed als „natürliche Reaktion“ auf die israelische Besatzung. Sie hatte mit zwei Begleiterinnen zwei Soldaten attackiert, die auf ihre Provokationen nicht reagieren durften. Das Video sorgte im Dezember für einen Aufschrei unter vielen Israelis, die mit ansehen mussten, wie ihre Soldaten hilflos von Frauen geohrfeigt wurden, ohne etwas dagegen tun zu können. Ahed selbst sagt: „Selbst wenn ich damals gewusst hätte, dass der Preis acht Monate Gefängnis ist, hätte ich es trotzdem getan.“
Auch sonst ist Aheds Familie durchaus geschickt in der Vermarktung der palästinensischen Sache. Eine Cousine, die sich Janna Jihad nennt, ist zwar erst zwölf, dreht aber schon ihre eigenen Filme. Die Journalisten, die sie nach Aheds Freilassung in dieser Woche in Nabi Saleh besuchten, empfingen die Tamimis mit einer Plakatwand voller Bilder, die nur ein Motiv hatten: Ahed, die Jeanne d’Arc des Nahen Ostens. Vater Bassem, der selbst schon mehrfach im Gefängnis saß, schwärmte bereits nach der Verhaftung seiner Tochter: „Kein Vater könnte stolzer sein als ich.“ Steine auf israelische Soldaten zu werfen sei ja noch kein Ausdruck von Gewalt, hat er vor dem Prozess gegen Ahed gesagt, sondern Teil des friedlichen Protests. „Wenn du in der Wildnis einem aggressiven Wildschwein begegnest, dann nimmst du doch auch einen Stein in die Hand, um dich zu verteidigen.“
Die Diskussion ist geschlossen.