Schauspielerin Natalie Hünig: Als "Baal" lässt sie die Sau raus
So eine Rolle hat die Schauspielerin Natalie Hünig bislang noch nicht gespielt: Als Bertolt Brechts "Baal" gibt sie am Theater Augsburg gerade die Triebtäterin.
Sie erspart dem Publikum nichts. Es bekommt das volle Programm zu sehen. Gedemütigt wird erst mit Worten und dann mit Taten, so lange, ausgiebig und grundlos, dass es beim Zusehen schmerzt. Normalerweise sind das Männer, die als Brechts "Baal" die Sau auf der Bühne rauslassen können. Die Schauspielerin Natalie Hünig steht nun ihren männlichen Kollegen in nichts nach. Eine Großmeisterin des Proletentums, unberechenbar und willkürlich, eine reine Triebtäterin, bekommt Augsburg gerade von ihr zu sehen.
Diese Untiefen auszuloten fiel der Schauspielerin, die 1974 in Trier geboren ist und in Kempten im Allgäu ihr Abitur gemacht hat, nicht besonders schwer. "Das hat doch jeder in sich", sagt sie. Wiewohl es dafür schon auch den Probenprozess benötigt hat, um Schicht für Schicht von sich abzutragen und darunter diesen Baal freizulegen.
Natalie Hünig spielt in "Baal" eine Männerrolle mit Umfang und Präsenz
Worüber Hünig aber tatsächlich stolperte in der Rolle, was sie durch und durch bemerkenswert fand, waren dieser Umfang und diese Präsenz, die diese typische Männerrolle auf der Bühne einnahmen. Andere Hauptrollen, die sie in ihren vorigen Schauspielstationen Nordhausen, Leipzig, Jena, Dessau und Konstanz gespielt hat, klassische Frauenrollen, dominierten ein Stück nie so wie dieser Baal. "Für mich ist es eine vollkommen neue Erfahrung, 80 Prozent des Texts zu sprechen und in jeder Szene der Dreh- und Angelpunkt zu sein", sagt Hünig.
Auf der Bühne zeigt Hünig auch ihre musikalische Seite. Der Baal der Augsburg-Inszenierung ist Kopf einer Band. Hünig singt vier, fünf Songs und spielt Schlagzeug, Gitarre und Klavier. Was wiederum kurios ist, weil sie Saxofon als einziges Instrument tatsächlich gelernt hat. Das andere musste sie sich im Schnelldurchgang für die Rolle aneignen.
Noch zehn Mal ist Hünig in Augsburg als Brechts "Baal" zu sehen
Noch zehn Mal wird Hünig als Baal in Augsburg zu sehen sein. Ihre ältere, 15-jährige Tochter soll sie ruhig auch in dieser Exzess-Rolle sehen. "Das ist doch lustig." Für ihr jüngeres Kind, es ist neun Jahre alt, sei das allerdings noch nichts.
Zeit zum Durchschnaufen bleibt Hünig im Augenblick nicht. Sie ist nämlich schon wieder am Proben, für den Bühnen-"Tatort", einer immer ausverkauften Kult-Reihe des Staatstheaters, in der wie im Fernsehtatort wechselnde Ermittler-Teams in den einzelnen Ausgaben drankommen. Dort kann Hünig dann auch ihr komödiantisches Talent ausspielen.
Apropos Krimi. Dem Fernsehpublikum ist Hünig schon mehrmals untergekommen, auch in kriminalistischer Weise bei der SOKO Leipzig oder jüngst bei der "WaPo Bodensee" in der Folge "Straußenjagd". Und es ist gut möglich, dass die Schauspielerin auch einmal wieder im Fernsehen zu sehen sein wird. "Aber erst einmal musste ich mich in Augsburg neu einrichten", sagt Hünig. Für ein Schauspielerpaar mit zwei Kindern, das in Bamberg und in Augsburg seine festen Engagements hat, heißt das immer auch, eine ausgeklügelte Logistik für alles zu finden.
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