CSU empört sich über anonyme Anzeigen - dabei geht das in Bayern auch
Baden-Württemberg startet ein Portal, auf dem man Steuerhinterzieher melden kann, ohne seinen eigenen Namen zu verraten. Die Empörung aus der CSU wird zum Bumerang.
Zu den unkaputtbaren Wahlkampfschlagern fast aller Parteien gehört die Forderung, dass man Steuerbetrügern das Handwerk legen müsse. Ist ja schließlich Betrug an der Allgemeinheit. Tatsächlich entgehen dem Staat dadurch jedes Jahr zig Milliarden Euro. Also hat Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz nun ein Online-Portal gestartet, auf dem man mutmaßliche Steuerbetrüger melden kann. Doch sollte er geglaubt haben, für seinen Kampf ums Steuergeld Applaus zu bekommen, hat er sich getäuscht.
CSU-Generalsekretär Markus Blume spricht von "Denunziantentum"
Die Empörung über den Grünen-Politiker ist groß, weil das neue Portal offensiv damit wirbt, dass die Anzeigen anonym erfolgen können. Der baden-württembergische FDP-Chef Michael Theurer echauffiert sich über die „Blockwart-Mentalität“. CSU-Generalsekretär Markus Blume zeigt sich ebenfalls fassungslos. Der Haken an der Sache: Auch in Bayern sind solche anonymen Anzeigen via Internet längst möglich.
„Steuerhinterziehern muss das Handwerk gelegt werden. Aber statt sich um die Großen zu kümmern, wollen die Grünen Denunziantentum fördern und Misstrauen unter Nachbarn säen. Auf was muss man sich noch einstellen, wenn die Grünen an die Regierung kommen?“, twittert Blume und stellt ein Foto von der Titelseite der Bild-Zeitung dazu. Das Boulevardblatt hatte die Aufregung mit der Schlagzeile „Grünen-Minister führt Steuer-Stasi ein“ erst ausgelöst.
Auch bei den bayerischen Finanzämtern kann man Steuersünder anonym melden
Der Begriff „Denunzianten“ wird zum Trend in den sozialen Netzwerken. Ob Blume bewusst war, dass jede Bürgerin und jeder Bürger auf dem Portal der bayerischen Finanzämter ein Formular herunterladen kann, das nur dazu dient, mögliche Steuerbetrüger anzuzeigen? Jedenfalls bekommt der CSU-Generalsekretär mächtig Gegenwind. Manche unterstellen gar, Union und FDP hielten es offensichtlich für verwerflicher, eine Straftat zu melden als diese zu begehen.
Die Verteidigungslinie in der CSU-Parteizentrale geht so: In Baden-Württemberg werde, anders als in Bayern, aktiv damit geworben, dass man Hinweise anonym geben kann. Das stimmt. Zur Wahrheit gehört aber auch: Im Formular der bayerischen Behörden heißt es zwar, man solle bitte Angaben zur eigenen Person machen, verbunden mit dem Hinweis, dass „namentliche Anzeigen in der Regel größere Bedeutung besitzen, weil sie Rückfragen ermöglichen“. Das ändert allerdings nichts daran, dass Hinweisgeber auch in Bayern anonym bleiben können, wenn sie wollen.
Hinweisgeberportal in Baden-Württemberg: Finanzminister Danyal Bayaz versucht Bürger zu beruhigen
Bayaz betont, dass ohnehin ein einfacher Hinweis nicht genüge, um eine Strafverfolgung in Gang zu setzen. „Niemand muss befürchten, dass künftig die Steuerfahndung vor der Tür steht, nur weil ein Nachbar ihn angeschwärzt hat. Es geht außerdem um relevante Fälle von Steuerbetrug“, sagt er.
Das Neue an dem von seinem Finanzministerium nicht ohne Stolz präsentierten „bundesweit ersten anonymen Hinweisgebersystem für Finanzämter“ sei, dass man mit den Informanten kommunizieren könne, falls Angaben fehlen oder Rückfragen auftauchen. Digitalisierung quasi.
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Das ist also die "Sahne" der deutschen Politik: Der Generalsekretär der CSU kennt die Gesetzgebung in dem Bundesland, die seine Partei seit Jahren regiert und prägt nicht! Mir wird der Kaffee sauer.
Im ersten Moment ist man versucht zu meinen, hier ist einmal wieder ein Politiker aus auf möglichst viele Klicks und Aufmerksamkeit. Dafür spricht auch der historisch unangemessene Vergleich, in welchem die seit Jahren gängige Gesetzgebung des anonymen Anzeigens in einem Rechtsstaat wie der BRD mit den "Stasi"-Methoden des Unrechtsstaats DDR gleichgesetzt wird. Ins selbe Horn stößt der baden-württembergische FDP-Chef Michael Theurer, wenn er von "Blockwarts-Mentalität" spricht, die hier angeblich gefördert werden solle von Danyal Bayaz. Solch einen Populismus kennt man ansonsten nur von der AFD. Ziel ist hier, Bürger mit einem Unrechtsbewusstsein in aller Öffentlichkeit zu diskreditieren bzw. anderen Bürgern Angst zu machen mit vagen Formulierungen, wie auf was man sich noch einstellen müsse, sollte die Partei der Grünen in der Regierungsverantwortung sein.
Noch dazu möchte Herr Blume in einem politischen Feld die Richtung vorgeben, in dem die CSU wohl seit Langem den ethischen Kompass verloren hat, nämlich dem der finanziellen Vorteilsnahme. Nicht umsonst müssen sich gerade CSU-Mitglieder bzw. -Kinder (Sauter, Tandler) verantworten für Geschäfte in der Corona-Pandemie, bei der sie den Staat wie selbstverständlich zur Beute genommen haben. Gelernt ist gelernt.
Im zweiten Moment wird einem klar, dass Herr Blume wie ein Scharfmacher der CSU nichts weiter betreibt als Klientel-Politik: Große Vermögen, egal wie sie entstanden sind, sollen geschützt werden. Ein ähnliches Bild zeigt auch das Steuer-Konzept der Union, mit dem diese Partei in den Wahlkampf gezogen ist (https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/wirtschaft/steuern-wer-von-den-plaenen-der-parteien-profitiert-e954474/?reduced=true) und bei dem am stärksten jährliche Einkommen ab 200 000 Euro entlasten werden sollen, wobei ein Steuerloch von 33 Mrd. Euro entstehen soll. Eine stärkere finanzielle Spaltung der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft möchte nur noch der FDP vorantreiben, die sich ebenfalls über Herrn Bayaz mokiert.
Herr Blume, ein Tweet, ein ganzes Unions-Wahlprogramm: Juristische Unkenntnis, Populismus, Angstmache, Klientelpolitik. Ich danke für diese Einblicke.
Unglaublich, wie von der CSU im Wahlkampf versucht wird, Diebstahl an der Allgemeinheit zum Kavaliersdelikt und Bürger*innen, die diesen Diebstahl verhindern wollen, zu Täter*innen zu machen. Liegt das vielleicht daran, dass prominente Täter*innen einem bestimmten politischen Umfeld zuzuordnen sind, Herr Blume? In solchen Situationen zeigt sich die wahre Haltung zum Gemeinwohl...
Blume wittert eine große Gefahr für das in Bayern noch eng verwobene Netz aus politischen Beziehungen und "Spezl"- bzw. "Amigo"-Wirtschaft. In Treue fest zu FJS.
Wie es einem bestens informierten ehem. bay. Ministerialrat erging, spannender als jeder Krimi und leider bay. Realität:
https://www.anstageslicht.de/themen/whistleblower-kurzportraits/ministerialrat-dr-wilhelm-schoetterer-als-whistleblower-aufs-abstellgleis-geschoben/
Herr Blume hat wohl Angst vor weiteren Nüssleins und Sauters..
Hier wird mal wieder von der versucht, Opfern und Täter zu vertauschen.
Steuerschummler sind doch die Täter oder sehe ich das falsch ?
Gibt es einen schlimmeren Heuchler als Blume? Wohl kaum.
Die Anonymen sind wohl ein Synonym für Heckenschützen.
Nein, Heckenschützen zielen auf Arg- und Wehrlose.
Die großen Steuerhinterzieher sind weder arg- noch wehrlos sondern gemeinschädlich!
Raimund Kamm
Steuerhinterziehung ist mittlerweile Volkssport. Oder glauben Sie, daß z.B. die Fahrtkosten bei jeder EKSt-Erklärung korrekt angegeben werden. Egal wie viel: Hinterziehung ist Hinterziehung. Desweiteren ist für mich schwer vorstellbar, wie man jemand ohne Verleumdungsabsicht der Steuerhinterziehung verpfeifen kann.
Mit zu viel angegebenen Fahrtkosten kann der kleine Mann schon längst nicht mehr punkten.
Es sind wirklich nicht so viele, die sich eine Putzfrau und einen Gärtner leisten können. Da liegt doch das Problem und nicht beim Durchschnittsverdiener. Im Übrigen hat gerade der sogenannte Mittelstand noch viele Möglichkeiten um Steuern auf illegale Weise zu vermeiden.
Das mit den Fahrkosten war ja nur ein Beispiel. Ich wills jetzt nicht weiter ausdehnen, aber nur noch ein Stichwort: Schwarzarbeit(Kleinvieh(Durchschnittsverdiener) macht auch ganz schön Mist)
Die meisten Steuerhinterziehungen kommen durch Zufälle und eben Anzeigen ans Licht.
Mit den Fahrkosten ist es auch nicht mehr so leicht wie früher. So ganz so hinter dem Mond ist das Finanzamt auch nicht mehr. Vielleicht technisch 20 Jahre zurück aber da gab es bereits auch schon Routenplaner. Tatsache ist aber das dem Kleinen Mann nicht viele Möglichkeiten bleiben im Ggensatz zum Grossen. Der hat zwar jede Menge legale Möglichkeiten, die sind aber eben einig nicht genug.
Übrigens kann man bisher schon anzeigen. Der Vorschlag ist deshalb nicht wirklich produktiv. Die Empörung genauso oder noch weniger.