Steuern auf Rente: Zahlen Millionen Bürger zu viel Steuern?
Ab 2040 soll die Rente voll besteuert werden. Dafür sind die Beiträge steuerfrei. Und in der Zwischenzeit? Die Übergangsfrist könnte gegen das Gesetz verstoßen.
Der Bundesregierung droht neuer Ärger mit der Rente. Denn die Besteuerung der Altersbezüge von Millionen Deutschen könnte verfassungswidrig sein. Das sagt zumindest Egmont Kulosa. Er ist Richter am Bundesfinanzhof, der sich derzeit mit dem Thema beschäftigt. Es geht dabei um die sogenannte nachgelagerte Rentenbesteuerung. Sie wurde 2004 stufenweise eingeführt und funktioniert im Grundsatz so, dass während des Arbeitslebens gezahlte Rentenbeiträge steuerfrei gestellt werden, auf die eigentliche Rente später dann aber Steuern gezahlt werden müssen. Langfristig wird das, da sind sich Parteien und Experten weitestgehend einig, zu einer Entlastung führen. Doch die Sache hat einen Haken – und genau darum dreht sich die Kritik des Richters.
Zum rechtlichen Problem könnte eine Übergangsphase werden, in der doppelte Steuern anfallen können. Hintergrund: Die komplette Abzugsfähigkeit geleisteter Rentenversicherungsbeiträge ist nach mehreren Schritten erst ab 2025 erreicht. Bis dahin können sie nur anteilig von der Steuer abgesetzt werden. Es fallen also de facto Steuern an. Und auf die Rente müssen dann später ja wieder Steuern entrichtet werden.
Wer ab 2040 in Rente geht, zahlt Jahre lang doppelt Steuer
Ab 2040 wird die voll Rente besteuert. Das heißt, wer 2040 in Rente geht, muss seine Rente voll versteuern, seine Rentenbeiträge kann er aber erst ab 2025 voll von der Steuer absetzen. Er zahlt also jahrelang doppelt. Genau das ist laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht zulässig. Darauf zielt Kulosas Warnung ab, über die zuerst die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte.
Im Bundestag ist das Problem schon angekommen. Linke und AfD haben Anträge gestellt, mit der sie die ihrer Ansicht nach zu hohe Belastung von Rentnern aushebeln wollen. Bei der Regierungskoalition stoßen sie damit aber auf taube Ohren. FDP-Vize Wolfgang Kubicki erwägt sogar einen Gang vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, um Klarheit zu schaffen. Der Bundestagsvizepräsident fordert die Regierung auf, „den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit „unverzüglich auszuräumen“.
Doppelbelastung bei den Steuern: Viele Rentner sind verunsichert
Bevor Kubicki seine Drohung wahr macht, ist aber erst mal der Bundesfinanzhof am Zug. Dort liegt nämlich bereits ein Fall von Doppelbesteuerung zur Prüfung, wie der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, bestätigt. Er kennt die Irritationen vieler Rentnerinnen und Rentner zur Genüge. In vergangenen Monaten habe der Steuerzahlerbund mehrere tausend Anfragen erhalten, sagte Holznagel. Er fordert deshalb beispielsweise eine bessere Aufklärung darüber, „wer eine Einkommensteuererklärung abgeben muss und ob eine Zweifachbelastung vorliegt.“ Er plädiert außerdem für einen Vorläufigkeitsvermerk auf allen Steuerbescheiden. So könne verhindert werden, dass verunsicherte Senioren ohne Not zu einem Schriftwechsel mit dem Finanzamt gezwungen werden. Und Holznagel ist noch ein anderer Punkt wichtig: „Bisher wird vor allem darüber gesprochen, wie die Bruttorente erhöht wird – es muss aber auch auf den Tisch, was den Bürgern nach Abzug von Steuern und Sozialversicherung zum Leben bleibt.“
Bereits jetzt können sich tausende Betriebsrentner freuen. Der Bundesrat will an diesem Freitag beschließen, dass sie weniger Geld an die Krankenversicherung abführen müssen. Das Gesetz soll zum 1. Januar in Kraft treten und Betriebsrentner um rund 1,2 Milliarden Euro jährlich entlasten. Mehr dazu erfahren Sie in der Politik.
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Auch diese Diskussion ist ein Hinweis darauf, wie grundlegend renovierungsbedürftig unser System der Alterssicherung ist.
An Konzepten für eine nachhaltige, armutsfeste und finanzierbare Versorgung im Alter fehlt es nicht.
Wäre es nicht längst an der Zeit, sich damit viel intensiver als bislang zu befassen?