
Stoiber verurteilt EU-Vorgehen gegen Verfassungsgericht als „Versuch eines Staatsstreichs“

Exklusiv Edmund Stoiber kritisiert EU-Kommissionchefin von der Leyen wegen Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland im Streit um die EZB-Politik.
Der CSU-Ehrenvorsitzende und frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber wirft der Brüsseler EU-Kommission vor, mit dem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik über die Rolle des Bundesverfassungsgerichts die politische Rechtsordnung in Deutschland zu erschüttern. „Das ist ja fast schon so etwas wie der Versuch eines Staatsstreichs“, sagte der Stoiber in einem Interview mit unserer Redaktion.
„Da geht es um die Unabhängigkeit des höchsten deutschen Gerichts“, betonte der CSU-Politiker und kritisierte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. „Die deutsche Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sollte eigentlich, angesichts der überragenden Stellung des Bundesverfassungsgerichts für die demokratische Entwicklung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, wissen, dass das ein unzumutbares Verfahren ist“, sagte Stoiber.
Stoiber kritisiert mangelnde Kontrolle der EZB-Schuldenfinanzierung
Es gehe letztlich um die Frage, wer die ultralockere Politik der Europäischen Zentralbank kontrolliere, betonte der frühere CSU-Chef. „Der EZB aber schaut faktisch niemand auf die Finger, nicht einmal der Europäische Gerichtshof“, sagte Stoiber. „Und wenn jetzt die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik einleitet, weil das Bundesverfassungsgericht die schleichende Ausweitung des währungspolitischen Mandats der EZB auf die Wirtschaftspolitik kritisiert hat, dann stellt das die Dinge auf den Kopf“, kritisierte der CSU-Politiker. „Soll jetzt die Bundesregierung dem Bundesverfassungsgericht Vorschriften machen? Da Da verlangt die Kommission von Deutschland etwas, was sie in anderen rechtspolitischen Streitfragen Ungarn oder Polen vorwirft“, warnte Stoiber.
Stoiber warnt vor Negativzinsen und Inflation
Der frühere CSU-Chef kritisierte zudem die Schuldenfinanzierung der EZB. „Mit ihrer ultralockeren Geldpolitik finanziert die EZB die Staaten. Allein zwischen 2019 und 2020 wurden in Europa über 1200 Milliarden Euro an zusätzlichen Schulden angehäuft.“ Dies möge in Ausnahmesituationen wie Corona zulässig sein, aber man müsse von diesem Schuldenberg muss auch wieder runterkommen.
„Ich wundere mich sehr, dass es darüber oder z. B. über die anstehende Reform des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht längst eine intensive öffentliche Debatte in Deutschland gibt“, sagte Stoiber. Auf die Bürger kämen immer mehr Inflation und Negativzinsen zu. „Auf Dauer bedeuten Negativzinsen für alle, die keine Immobilienbesitzer oder Großaktionäre sind, einen massiven Eingriff in ihr Eigentum“, sagte Stoiber.
Die EU-Kommission hatte Anfang Juni Start ein förmliches Verfahren gegen die Bundesrepublik im Streit über ein Karlsruher Verfassungsurteil zur Europäischen Zentralbank vom Mai 2020 eingeleitet und warf dem Bundesverfassungsgericht eine Kompetenzüberschreitung vor, die fundamentale Rechtsprinzipien der Europäischen Union verletze.
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