TV-Debatte der US-Demokraten: Attacken auf Joe Biden laufen ins Leere
Bei der dritten TV-Debatte der US-Demokraten diskutieren die Präsidentschaftsbewerber über Krankheitsschutz oder Waffen. Eine Attacke auf Joe Biden geht schief.
Es dauert eine halbe Stunde, bis der Dolch gezückt wird. Doch der Angriff kommt von unerwarteter Seite. Nicht von der ambitionierten linken Senatorin Elizabeth Warren, neben der Joe Biden auf der Bühne steht, wird der Favorit unter den demokratischen Präsidentschaftskandidaten angegangen, sondern von einem Wettbewerber, der in den Umfragen bei gerade mal einem Prozent rangiert und versucht, auf diese Weise Aufmerksamkeit zu erlangen.
„Wissen Sie etwa schon nicht mehr, was Sie vor zwei Minuten gesagt haben?“, fährt Julian Castro, der einstige Wohnungsminister von Präsident Barack Obama, dem ehemaligen Vizepräsidenten ins Wort: „Wissen Sie das schon nicht mehr?“ Die Stimme des 44-Jährigen ist aggressiv, der diskriminierende Unterton gegen den 76-Jährigen unüberhörbar. „Ich vollende das Erbe Obamas, nicht Sie!“, zischt der Jüngere.
Es ist der spannungsreichste Moment der fast dreistündigen Mammutdebatte der zehn aussichtsreichsten demokratischen Bewerber für das Weiße Haus. Durch die gegenüber den beiden Vorgängerveranstaltungen verschärften Teilnahmebedingungen ist die Truppe in der Nacht zum Freitag so geschrumpft, dass alle Kandidaten zusammen auf der Bühne stehen. Erstmals trifft Biden daher auf Warren, die viel Zulauf verspürt. In den Umfragen ist sie zuletzt auf 17 Prozent geklettert und hat den Abstand zum Frontrunner damit auf zehn Punkte verkleinert.
TV-Debatte der US-Demokraten: Jeder hat sich einen Gegner ausgesucht
Doch so unterschiedlich die kopfgesteuerte Radikalreformerin und der joviale Pragmatiker in Stil, Inhalt und Strategie sind: der von vielen Beobachtern erwartete Showdown bleibt aus. Warren nutzt die Redezeit, um ihre detaillierten Pläne zu allen möglichen Politikfeldern vorzutragen und punktet mit präzisen Antworten. Die Attacken auf Biden überlässt sie anderen. Ohnehin scheinen sich die meisten Diskutanten einen Hauptgegner ausgesucht zu haben, an dem sie sich abarbeiten.
Für Warren sind es die Großkonzerne, die die Politik korrumpieren. Der einstige texanische Kongressabgeordnete Beto O’Rourke hat die Waffenlobby ins Visier genommen. Die frühere Staatsanwältin Kamala Harris, die in der ersten Debattenrunde noch Biden scharf angegangen war, hat sich inzwischen auf Präsident Donald Trump verlegt. Und der linke Senator Bernie Sanders, dessen Kopf mutmaßlich durch eine Erkältung noch röter als sonst wirkt, arbeitet sich mit krächzender Stimme am Kapitalismus ab.
Inhaltlich erfahren die Zuschauer nichts wirklich Neues. Erneut wird ausführlich über die Gesundheitspolitik gesprochen, wo sich das von Sanders und Warren vertretene radikale Modell einer Bürgerversicherung („Medicare for all“) und diverse moderatere Reformmodelle bis hin zu der von Biden vertretenen Fortentwicklung von Obamacare bei Beibehaltung der privaten Assekuranzen gegenüberstehen.
US-Wahl 2020: Demokraten wollen Waffenrecht verschärfen
Nach den Massakern von Dayton und El Paso geht es zentral auch um das Waffenrecht. Das wollen alle Kandidaten verschärfen, allerdings unterschiedlich scharf. Beto O’Rourke erklärt öffentlich, dass er halbautomatischen Sturmgewehre verbieten will: „Zum Teufel, ja, wir werden Euch Eure AR-15 und AK-47 abnehmen!“ Das ist eine bemerkenswert mutige Ankündigung in Texas.
Für europäische Zuschauer interessant sind die Aussagen zum Handel und zur Außenpolitik. Da wird deutlich, dass die demokratischen Präsidentschaftskandidaten nicht auf allen Feldern eine gänzlich andere Politik als Trump machen würden. Warren und Sanders finden Zölle und Drohungen gegen Handelspartner zur Durchsetzung amerikanischer Interessen legitim. Und alle Bewerber wollen so schnell wie möglich die US-Soldaten aus Afghanistan abzuziehen. „Wir brauchen die Truppen dort nicht, um die USA vor Terror zu beschützen“, sagt Biden.
Knapp fünf Monate vor den ersten Vorwahlen spielt nicht zuletzt die Präsentation der Kandidaten eine wichtige Rolle. Verschiebungen im Anwärterfeld, da sind sich die professionellen Beobachter einig, gibt es nicht. Favorit Biden, der in den ersten Debatten teilweise erschreckend schwach und defensiv schien, hat eine starke erste Debattenhälfte. Da präsentiert er sich kraftvoll und entschieden. Doch dann scheint seine Konzentration nachzulassen: Er verhaspelt sich mehrfach, redet Sanders mit „Herr Präsident“ an und fabuliert etwas von Schallplattenspielern, die man anschalten soll.
Doch Biden ist in der Bevölkerung populär, und die persönliche Schilderung des tragischen Tods seiner ersten Frau und zweier Kinder illustriert seine Menschlichkeit. Der vermeintliche Königsmörder Castro hingegen hat sich verkalkuliert. Nicht nur hat er eine Äußerung Bidens falsch wiedergegeben. Seine rüpelhafte Attacke wird vom Publikum mit Buhrufen quittiert.
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