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Tarifkonflikte
05.05.2015

Und die Moral von dem Streik…

Die Lokführergewerkschaft GDL hat ihre Mitglieder aufgerufen, beim bisher längsten Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn die Züge bis Sonntagmorgen stehen zu lassen.
Foto: Wolfram Kastl/dpa

Fast eine Woche streiken die Lokführer diesmal. Jetzt kommen die Erzieher dazu. Ist das noch angemessen? Oder ihr gutes Recht? Über die schwierige Frage, was gerecht ist.

Für einen Moment könnte man auf die Idee kommen, das alles mit Humor zu nehmen. Es ist Dienstag, der erste Tag dieser achten Streikrunde, der bisher längsten bei den Lokführern.

In den Bahnhofshallen stehen sich Kunden in Ermangelung einer Reisemöglichkeit die Beine in den Bauch. Wo doch ein Zug fährt, spielen die Passagiere in den Waggons Reise nach Jerusalem; wer verliert, spielt in den Gängen Sardinenbüchse. Und eine S-Bahn-Kundin in Stuttgart verbreitet über den Nachrichtendienst Twitter die Durchsage des Zugführers: „Die Auslastung beträgt 90 Prozent. Bitte verteilen Sie sich platzsparend im Zug.“ Sehr hübsch.

Nun legt sich die Heiterkeit erfahrungsgemäß, sobald die Durchsage mit einem Knacken im Lautsprecher beendet ist und man sein Gesicht in der Achselhöhle des Nebenmanns wiederfindet. Streiktage machen keinen Spaß. Erst recht nicht, wenn sie das öffentliche Leben auf den Kopf stellen – zumal nun auch noch die Erzieher in den Ausstand treten.

Dürfen die das?

Dürfen die das – und wie lange? Juristisch ist das schnell beantwortet: Ja. Und: bis zu einer Einigung. Das Recht zu streiken ist ein Grundrecht. Und: Tarifrechtlich sind die Voraussetzungen für unbefristete Arbeitskämpfe erfüllt. Aber man kann auch fragen: Sind die Streiks angemessen? Sind sie moralisch vertretbar? Wer bestimmt, was gerecht ist und was nicht?

Jede Firma empfindet einen Streik als „unpassend“, ja mitunter „schädlich“. Jede Gewerkschaft argumentiert, dass ein Streik das einzige Mittel ist, um Interessen für die Beschäftigten durchzusetzen oder „sich zu wehren“.

Und die Leidtragenden? Im Fall der Lokführer hatten schon im November nach einer Emnid-Umfrage zwei von drei Deutschen kein Verständnis für den Streik. Das dürften nicht weniger geworden sein. Im Fall der Kitas dagegen ist die Bevölkerung „bislang auf Seite der Erzieherinnen“, sagt der Soziologe Stefan Kerber-Clasen.

Jörg Hieke seufzt, zieht die Stirn in Falten und überlegt, wie er das alles erklären soll. Warum er und seine Lokführer-Kollegen schon wieder streiken. Der Mann im rot karierten Hemd sagt: „Für die Reisenden ist es nicht gut.“ Aber ist der Streik gerecht? Da muss der 53-Jährige nicht überlegen. „Ich mache das nicht gern. Ich bin Vollblut-Lokführer“, sagt der Augsburger, der seit fast 40 Jahren bei der Bahn arbeitet. Und dass er jetzt lieber seinen Zug steuern würde, als „diesen Nervenkrieg da draußen“ zu führen.

"Die Pendler tun mir wirklich leid"

Da draußen ist vor dem Augsburger Hauptbahnhof, wo Hieke und seine Kollegen ausharren. Zehn Männer und Frauen in Plastikwesten, auf denen GDL steht. Drei Buchstaben, die für eine kleine, aber mächtige Gewerkschaft stehen. Drei Buchstaben, die ausreichen, um Bahnreisende zornig werden zu lassen. Hieke sagt: „Die Pendler tun mir wirklich leid.“ Doch der Konflikt sei zu verfahren, um ihn anders lösen zu können. „Wie sollen wir uns sonst wehren?“

Wer verstehen will, warum Hieke streikt, braucht Zeit. So lange dieser Konflikt dauert, so kompliziert ist er auch. Fünf Prozent mehr Lohn fordert die GDL nur für 2015. Die Bahn hat zuletzt 4,7 Prozent und eine Einmalzahlung von 1000 Euro geboten – für 30 Monate. Zu wenig, sagt Hieke.

Zudem beharrt die Gewerkschaft auf einer Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche und einer weiteren Gehaltsstufe für ältere Kollegen. „Passiert ist nichts.“

Doch es geht um mehr. Vor allem um die Frage, ob die GDL auch andere Berufsgruppen vertreten darf – Zugbegleiter oder Lokrangierführer, die bisher großteils der konkurrierenden EVG angehören. Darum, welche Gewerkschaft für welche Mitarbeiter verhandeln darf. Ob in einem Unternehmen nur noch die größte Gewerkschaft Tarifverträge aushandeln darf, wie es das Gesetz zur Tarifeinheit von Arbeitsministerin Andrea Nahles vorsieht.

Hieke sagt, der Bahn komme das Gesetz gerade recht. „Man will die GDL auf diesem Weg entsorgen.“ Deshalb sitze der Konzern den Konflikt aus. Kritiker argumentieren, dass die GDL und ihr wortgewaltiger Chef Claus Weselsky genau deshalb ihre Macht demonstrieren wollen.

Hieke seufzt einmal mehr. „Das Bild, das von diesem Mann produziert wird, ist falsch.“ Weselsky setze letztlich nur um, was die Tarifkommission entscheide. „Der Claus macht nur seine Arbeit.“

Anstrengende Schichten

Das würde auch Hieke gern tun. „Ich mag meinen Job.“ Obwohl die Arbeitszeiten immer unregelmäßiger würden. Drei Tage Spätschicht, ein Tag Ruhe, am nächsten Tag Frühschicht – dabei stets hellwach und konzentriert sein, „das ist anstrengend“.

"Der Claus macht nur seine Arbeit", verteidigt Lokführer Jörg Hieke GDL-Chef Claus Weselsky.
Foto: Arno Burgi/dpa

3050 Euro brutto verdient Hieke im Monat – plus Zulagen. Das Einstiegsgehalt beträgt 2488 Euro. Ein fairer Lohn? Nicht für diese Verantwortung, nicht, wenn man Weihnachten, Silvester und Ostern arbeitet, sagt er.

Hieke hat diese Dinge in den letzten Tagen häufig erklärt. Reisenden, die sich bei den Lokführern beschweren, Freunden, die sich abends beim Bier aufregen, Menschen, die ihn sogar am Telefon bedroht haben. „Meistens haben die Leute dann Verständnis“, sagt er.

Heißt das nun, sechs Tage Streik sind angemessen? Nicht für Professor Christoph Lütge. „Ich denke, ab etwa drei bis vier Tagen am Stück ist das Maß des Verträglichen definitiv erreicht“, sagt der Wirtschaftsethiker an der Technischen Universität München.

„Eine kleine Gruppe nimmt Millionen von Pendlern in eine Art Geiselhaft. Aus ethischer Sicht kann man das nicht gut finden.“ Vor allem nicht, weil die GDL die Folgen des Streiks selbst nur wenig zu spüren bekomme, „dadurch dass der Deutsche Beamtenbund die Lokführer finanziell stützt“.

Wie lange wird der Erzieher-Streik akzeptiert?

Stellt sich die Frage, ob auch im Fall der Erzieherinnen der Punkt kommen kann, wo die öffentliche Akzeptanz schwindet. „Viele denken, Erzieher nehmen eine wichtige Aufgabe für die Gesellschaft wahr“, sagt Lütge. Die Akzeptanz für den Streik bleibe aber nur so lange, „wie ein Wille zur Einigung erkennbar ist“.

Was ist nun hier, moralisch betrachtet, „gerecht“ am Ausstand? Die Anerkennung fehlt. Wenn man Erzieherinnen fragt, warum sie streiken, hört man immer wieder diesen Satz. Obwohl in der Liste der angesehensten Berufe, die das Institut Forsa jedes Jahr veröffentlicht, „Kita-/Kindergartenmitarbeiter“ doch weit vorne stehen. 2014 war es Platz fünf, knapp hinter Ärzten und Polizisten. Die Lokführer belegten damals immerhin Platz zwölf.

Was genau sie mit „Anerkennung“ meinen, erfährt man dort, wo ab kommender Woche der Notfallplan greift, wo Verwaltungsmitarbeiter und Praktikanten den Laden irgendwie zusammenhalten sollen.

Dort spielt jetzt noch Kinderpflegerin Ursula Huber mit einer Traube Kindern Hula-Hoop. Sie betreut die „Bewegungsbaustelle“ der Kindertagesstätte Hessenbachstraße im Augsburger Stadtteil Pfersee. Ein Kind zieht an ihrer Hand, die anderen lassen hölzerne Reifen durch den Raum sausen. Es ist laut.

„Ein bisschen mit Kindern spielen, Kaffee trinken und ganz viel heile Welt“: Trotz aller Wertschätzung habe ihr Beruf für viele Leute dieses Image, sagt Huber. Aber ist ein Streik gerechtfertigt, um das „Spieltanten-Image“ loszuwerden?

Nach den Lokführern streiken jetzt auch die Erzieher.
Foto: Marijan Murat/Archiv (dpa)

Kita-Leiterin Birgit Hofmann, 57, richtet sich im Bürostuhl auf. „Unser Beruf hat sich in den letzten zehn Jahren extrem verändert.“ Sie erinnert sich gut, wie sie noch als Schülerin für mehr Anerkennung demonstrierte. 1978 war das.

Erzieherinnen führen Protokoll über die Entwicklung der Kinder

Heute sei die Verantwortung noch größer. „Unser Alltag ist reine Bildungsarbeit. Wir dokumentieren jeden Entwicklungsschritt eines Kindes und machen ihn für die Eltern sichtbar.“ Viel Arbeit bei 75 Kindern in dieser Kita. Um alles zu schaffen, muss das Protokollschreiben schon mal in die Mittagspause verlegt werden.

Bei den letzten Warnstreiks verglichen Erzieherinnen ihre Arbeit oft mit der von Grundschullehrern. Sie müssen einen Bildungsplan erfüllen, genauso wie Lehrer. Von deren Gehalt aber sind sie weit entfernt.

Die Träger erklären das damit, dass Grundschullehrer ein Studium brauchen, Erzieherinnen aber „nur“ eine Ausbildung (die allerdings fünf Jahre dauert). Zudem würden Kita-Mitarbeiter bei öffentlichen Trägern mehr verdienen als in Einrichtungen freier Betreiber.

Die Gewerkschaften bestätigen das. Wie aus den Zahlen der GEW hervorgeht, liegt das Gehalt einer Erzieherin im Öffentlichen Dienst 650 Euro unter dem Durchschnittsverdienst eines deutschen Arbeitnehmers im Jahr 2014. Dieser betrug 3527 Euro brutto. Eine Kinderpflegerin erhält als Anfangsgehalt knapp über 2000 Euro.

Die Gewerkschaften streiten mit der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände aber nicht um eine feste Lohnerhöhung. Sie wollen, dass Kita-Mitarbeiter in der Gehaltstabelle besser eingestuft werden. Im Schnitt streiken die Erzieherinnen für ein Plus von zehn Prozent.

Eine Gratwanderung

Vielen von ihnen fällt es schwer, an Streiktagen die Kita nicht aufzusperren. „Natürlich ist das eine Gratwanderung“, sagt Chefin Birgit Hofmann. Sie selbst wird wohl nicht streiken. Ihre Mitarbeiterinnen dürften das natürlich. Kollegin Ursula Huber setzt sich auf einen Mattenstapel. „Der Lärm schlaucht einen schon“, sagt sie.

Am Montag wird es hier ruhiger sein, viel ruhiger. Eltern müssen dann sehen, wer ihr Kind betreut. Trotzdem: „Jeder im Umfeld unserer Kita hat Verständnis für den Streik. Die Eltern wissen, dass unsere Bezahlung mangelhaft ist.“

Wie lange die Solidarität anhält, traut sich Ursula Huber nicht einzuschätzen. Ein bisschen Angst vor einem „Lokführer-Image“ hat sie jedenfalls schon.

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