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Tragödie in Gersthofen
24.01.2012

Mord an Vanessa: Die Tat, die nie vergeht

Der Täter damals bei der Tatortbesichtigung.
3 Bilder
Der Täter damals bei der Tatortbesichtigung.

Am Rosenmontag 2002 steigt ein junger Mann in das Haus der Familie Gilg in Gersthofen und ermordet die zwölfjährige Vanessa. Jetzt steht der Entlassungstermin für den Täter an.

Vor dem Tag, an dem die ersten Primeln blühen, ist Erich Gilg immer ein wenig bang. Mit dem Erwachen der Natur wird die Erinnerung an seine Tochter lebendig. Vanessa liebte Blumen. Sie liebte Pferde. Sie liebte es, im Fasching in die Bütt zu steigen und lustige Reden zu halten. Vanessa wurde nur zwölf Jahre alt. Am Rosenmontag 2002 stieg ein junger Mann in das Haus der Familie Gilg ein und ermordete Vanessa.

Zehn Jahre später sitzt Erich Gilg, heute 55 Jahre alt, in der kahlen Küche desselben Hauses in Gersthofen bei Augsburg. Ein Stockwerk darüber ist damals die unfassbare Bluttat geschehen. Gilg hat nie daran gedacht, von hier wegzuziehen. „Das wäre wie eine Flucht, aber ich habe nichts getan, wovor ich flüchten müsste.“ In dem Haus sind auch viele schöne Erinnerungen an glückliche Zeiten gespeichert. Und die Bilder und Empfindungen aus der Tatnacht kriegt Erich Gilg ohnehin nicht mehr aus dem Kopf.

Noch den Geruch der Tochter in der Nase

Er sagt: „Ich habe heute noch den Geruch meiner Tochter in der Nase, als ich versucht habe, sie wiederzubeleben.“ Die Eltern waren beim Faschingsball in Gersthofen. Als sie gegen 1 Uhr nachts nach Hause kamen, fand Erich Gilg seine Tochter blutüberströmt neben ihrem Bett. Er rief einen Notarzt und begann, Vanessa zu reanimieren. Gilg schaut starr an die Küchenwand. Ein Film scheint vor seinen Augen abzulaufen, während er sagt: „Ihr Schlafanzug war total zerfetzt. Ich habe sie beatmet. Dann habe ich gemerkt, dass die Luft ganz woanders rauskommt.“ Der Täter, der eine Totenmaske aus dem US-Horrorfilm „Scream“ trug, hatte der Zwölfjährigen ein Küchenmesser 21 Mal in den Oberkörper gerammt. Das Mädchen war ein Zufallsopfer.

Zehn Jahre später hat dieser Täter, Michael W., seine Haftstrafe beinahe abgesessen. Er war zur höchstmöglichen Jugendstrafe von zehn Jahren verurteilt worden. Mitte Februar ist Entlassungstermin. Die Staatsanwaltschaft hält den inzwischen 29-Jährigen weiterhin für hochgradig gefährlich und psychisch gestört. Sie hat die nachträgliche Sicherungsverwahrung beantragt. Das Landgericht Augsburg hat daraufhin, wie berichtet, einen sogenannten Unterbringungsbefehl erlassen, damit W. nicht vor Ende des Verfahrens auf freien Fuß gesetzt werden muss. Spätestens Ende Februar entscheidet die Jugendkammer, ob Michael W. dauerhaft weggesperrt wird.

Wird Vanessas Mörder entlassen?

Die zehn Jahre Jugendhaft sind für das Ehepaar Gilg schnell vergangen. Während der ganzen Zeit hat es nie etwas über den Mörder ihrer Tochter erfahren. Hat er eine Therapie gemacht? Hat er seine Tat bereut? Hat er die Schule im Gefängnis zu Ende gebracht, eine Ausbildung gemacht? Ist er ein besserer, ein anderer Mensch geworden? „Ich habe nichts gehört“, sagt Erich Gilg. Die Spannung steigt. Wird Vanessas Mörder entlassen? „Es kribbelt“, sagt Vater Gilg. Wie auch immer die Entscheidung des Gerichts ausfällt, er wird sie akzeptieren: „Wenn vom Täter keine Gefahr mehr ausgeht, soll er wegen mir auch raus dürfen.“ Wohl ist ihm nicht bei dem Gedanken. Hass, sagt Gilg, habe er nie empfunden. „Eher Verachtung“.

Gilg schaut hinaus in den Garten. Primeln blühen noch nicht. Ein Foto von Vanessa sucht man vergebens im Haus. Der Vater hat nur eine Bleistiftzeichnung seiner Tochter. „Sie würde ja heute ganz anders aussehen.“ Er hat die Bilder seiner Tochter im Kopf. Ein langer, nachdenklicher Blick. Dann sagt Erich Gilg: „Als meine Frau noch hier wohnte, hingen überall Bilder. Das war mir irgendwann zu viel.“

Tatortbesichtigung in der Gersthofer Winterstraße  mit dem mutmaßlichen Mörder von Vanessa
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Der Mord an Vanessa aus Gersthofen
Foto: Ulrich Wagner, Marcus Merk, Fred Schöllhorn, dpa

Vanessas Eltern leben getrennt

Erich und Romana Gilg leben seit drei Jahren getrennt. Nach dem Mord an ihrer Tochter waren sie ganz eng zusammengerückt. Sie traten immer gemeinsam auf. Sie scheuten die Öffentlichkeit nicht. Sie versteckten sich nicht. Sie engagierten sich in Initiativen für Opferschutz und Vorbeugung von Gewalttaten. „Wir funktionierten nur“, sagt Erich Gilg. Doch dann merkten beide, dass sie das traumatische Erlebnis der Ermordung ihrer Tochter auf ganz unterschiedliche Weise und in ganz unterschiedlicher Geschwindigkeit verarbeiteten.

Er ging sechs Wochen nach Vanessas Tod wieder zur Arbeit. Sie litt jahrelang unter Depressionen. „Ich hatte immer das Gefühl, dass es ihm weniger ausmacht“, sagt Romana Gilg heute. Vorwürfe habe sie ihrem Mann nicht gemacht. Eher die Forderung erhoben: „Zeig mir, wie es funktioniert, dass man so leicht damit umgeht.“ Er schaffte das nicht. Nächstes Jahr wäre Silberhochzeit, doch so, wie es aussieht, wird die nicht gefeiert. Michael W. hat nicht nur Vanessa getötet, er hat auch die Familie Gilg zerstört.

Das Nervenkostüm ist noch heute dünn

Noch heute ist das Nervenkostüm von Romana Gilg dünn. Die gelernte Elektroingenieurin kann keine 40-Stunden-Arbeitswoche durchstehen. Sie ist Beamtin im Ruhestand und gilt zu 50 Prozent als schwer beschädigt. Zum Teil wegen der Traumatisierung durch den Mord an Vanessa, zum Teil wegen einer Brustkrebserkrankung eineinhalb Jahre vor Vanessas Tod. „Mit Vanessa ist ein Teil meiner Zukunft gestorben“, sagt die 51-Jährige.

Romana Gilg ist erst jetzt in den vergangenen Wochen nach Gablingen im Landkreis Augsburg gezogen. Sie hat dort ein kleines Haus gekauft. Und sie möchte zur großen Sitzung des Gersthofer Faschingsvereins Kol-La gehen. Es ist kein einfacher Schritt für Romana Gilg, diese Veranstaltung zu besuchen. Auch im Jahr 2002 waren die Eltern Gilg bei einem Faschingsball – während ihre Tochter erstochen wurde.

Der Schmerz über den Tod der Tochter ist immer noch ungeheuer groß. Die Mutter betrachtet ein Foto, auf dem Vanessa lächelnd mit einer weißen Jacke zu sehen ist. Es ist eines ihrer Lieblingsbilder. Vanessa hatte sich hübsch gemacht für die Kommunion ihres Bruders. „Da trägt sie die Ohrringe, die ich ihr während einer Kur gemacht habe. Hängende Hufeisen. Pferde waren das Größte für Vanessa.“

Die Stimme stockt. Sie legt das Foto weg. „Es ist Trost und Verantwortung, dass nicht beide Kinder tot sind“, sagt sie dann, wieder mit festerer Stimme. Vanessas zwei Jahre jüngerer Bruder Christoph lag damals nur ein Zimmer weiter. Vanessa schlief ungern allein. Wie leicht hätte es passieren können, dass sie ihren Bruder bittet, bei ihr zu schlafen – waren doch die Eltern unterwegs. Der Mörder Michael W. wurde damals von den Richtern gefragt, was passiert wäre, wenn er in das Zimmer des Bruders gekommen wäre. Er zuckte mit den Schultern und sagte trocken: „Schätze, dann wäre das Gleiche passiert.“ Es ist nicht passiert. Das ist Trost und Verantwortung. Christoph ist heute 20 Jahre alt, er macht eine Ausbildung zum Forstwirt. Den Namen seiner Schwester hat er in eine Tätowierung integriert, die er sich zum 18. Geburtstag auf die Wade hat stechen lassen.

Angst vor dem Tag, an dem der Mörder neben ihr steht

„Es ist einfach passiert“, hatte Michael W. vor Gericht gesagt. Das hat die Gilgs tief verletzt. „So ein Mord ,passiert‘ nicht einfach. W. ist für vieles, was in seinem Leben falsch gelaufen ist, nicht verantwortlich. Aber für den Mord an Vanessa ganz sicher“, sagt Romana Gilg. Wäre es ihr lieber, wenn er weggesperrt bliebe? „Mir wäre es lieber, wenn er rauskommt und keine Gefahr mehr darstellt“, sagt sie. So sehr sich das Ehepaar auseinandergelebt hat – wenn es um den Mörder ihrer Tochter geht, sind sich die beiden einig. Es hat die Eltern sehr belastet, dass sie nach der Verurteilung keine Informationen mehr über Michael W. erhalten haben, obwohl sie Opfer und Nebenkläger waren. Romana Gilg wünscht sich nach wie vor eine Beteiligungsbefugnis der Nebenklage im Strafvollzug. Opferschutz müsse Vorrang vor Datenschutz haben. Denn sie hatte immer Angst vor dem Tag, an dem der Mörder plötzlich neben ihnen beim Bäcker steht.

So weit ist es nicht gekommen. So weit soll es nicht kommen. Michael W. hat über seinen Anwalt mitgeteilt, dass er nach seiner Entlassung den Großraum Augsburg großräumig meiden will – obwohl seine Adoptivmutter noch hier lebt. Die Gilgs wissen nun zumindest, was sie in den kommenden Wochen erwartet. Mitte Februar wäre der Entlasstermin für Michael W. Er hat dann seine zehn Jahre Jugendstrafe abgesessen. Doch die Staatsanwaltschaft will den ehemaligen Metallbau-Azubi nicht auf freiem Fuß sehen. Zwei renommierte psychiatrische Gutachter kommen zu dem Schluss, dass W. in Sicherungsverwahrung sollte, weil er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Auch Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) sagt: „Wie werden jetzt alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um zu verhindern, dass dieser Mörder erneut Straftaten begehen kann.“

Die Expertisen über W. mussten aus den Akten erstellt werden, weil er eine persönliche Untersuchung abgelehnt hat. Er sitzt in der Justizvollzugsanstalt Straubing, Bayerns härtestem Knast. Dort kam er wieder hin, nachdem eine Therapie in einer sozialtherapeutischen Einrichtung in Erlangen gescheitert war.

In einigen Wochen beginnt die Verhandlung um die nachträgliche Sicherungsverwahrung von Vanessas Mörder. Die Strafjustiz muss nachweisen, dass Michael W. weiterhin hochgradig gefährlich ist und dass er eine psychische Störung hat. Dieser Mechanismus stört Romana Gilg: „Es müsste umgekehrt sein: Der Täter muss nachweisen, dass er nicht mehr gefährlich ist. Dann wäre auch seine Motivation höher, sich zu ändern und an Therapien teilzunehmen.“ Die Öffentlichkeit ist bei der Verhandlung zugelassen. Romana Gilg will auf jeden Fall kommen und sich das Verfahren ansehen. Sie wollte schon immer möglichst viel wissen – über die Tat, über den Täter. Sie will Erklärungen. Daher will sie die Gutachten über den Täter hören. Daher hat sie mit ihrem Mann alle Prozesstage damals verfolgt. Daher hat sie ihre Tochter nach der Obduktion noch einmal gesehen. Sie musste Abschied nehmen.

Vanessas Grabstein

Vanessas Grabstein am Friedhof in Gersthofen ist aus hellem Marmor und hat die Form eines Engelsflügels. Darauf steht: „Liebe Vanessa, nach Deiner Geburt am 5. Dezember 1989 erlebten wir über 12 glückliche Jahre mit Dir. Uns bleibt die Erinnerung und die Hoffnung auf die Ewigkeit. Wir vermissen Dich.“ Auf dem Grab liegt eine Mausfigur aus Ton. Vorne steht eine Pferdekopf-Bronze. Vanessa liebte Pferde.

Vanessas Vater sitzt in der Küche des Hauses in Gersthofen, wo der Mord an seiner Tochter geschah. Die Bilder seiner Tochter kriegt er nicht aus dem Kopf. Er will stark sein. „Eine Therapie habe ich nie gemacht.“ Aber der Tod seiner Tochter nagt an ihm. Eine Art Burnout hatte er schon einmal. Erich Gilg will in Vorruhestand, aber das ist nicht so einfach. Er hat eine Unterstützung vom Amt für Familie und Soziales bekommen. Leise sagt er: „Stellen Sie sich vor: Ich kriege eine Rente, weil ich meine Tochter tot aufgefunden habe.“

Er hat das Geld gespendet.

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