Trump zu unerprobter Corona-Therapie: "Versuchen Sie es, wenn Sie mögen!"
Während die Opferzahlen der Corona-Pandemie in den USA explodieren, preist Präsident Donald Trump immer offener eine unerprobte Therapie an – gegen den Rat seiner Experten.
Bei seinen täglichen Pressekonferenzen zur Corona-Krise scheint Donald Trump alle Zeit der Welt zu haben. "Möchte noch jemand etwas fragen?", fordert er die Journalisten gerne heraus und räumt das Podium bisweilen erst nach zwei Stunden. Am Sonntag aber war der US-Präsident plötzlich extrem kurz angebunden. "Er hat diese Frage bestimmt schon 15 mal beantwortet. Er muss darauf nicht antworten", würgte er einen Reporter ab und entzog zugleich dem renommierten US-Virologen Anthony Fauci das Wort.
Zwischen dem Präsidenten und seinem wichtigsten Covid-19-Berater herrscht nämlich offener Streit über eine mögliche Therapie für die gefährliche Lungenkrankheit. Immer aggressiver wirbt Trump für den Einsatz des Anti-Malaria-Mittels Hydroxychloroquin. Es gebe "sehr starke Anzeichen" für dessen Wirksamkeit, sagte er am Sonntag. Er berichtete, dass seine Regierung 29 Millionen Pillen dieses Medikaments eingekauft habe. Wie ein Pharmavertreter wandte sich Trump an Covid-19-Schwerstinfizierte: "Versuchen Sie es, wenn Sie mögen! Was haben Sie zu verlieren?"
Präsident Trump will in der Corona-Krise unbedingt positive Nachrichten verbreiten
Fauci dürfte es in diesem Moment schwergefallen sein, seine Gesichtszüge zu kontrollieren. Mehrfach hat er nämlich darauf hingewiesen, dass es keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Tests zur Wirkung von Hydroxychloroquin bei Covid-19 gebe. "Wir sollten uns davor hüten, regierungsamtlich den Eindruck zu schüren, das sei ein Wundermittel", warnte er bei Trumps Haussender Fox News. Tatsächlich kann Hydroxychloroquin lebensgefährliche Herz-Komplikationen auslösen. Die derzeit diskutierte Kombinationstherapie mit dem Antibiotikum Azithromycin ist gänzlich unerforscht.
Doch Trump will angesichts der dramatischen Entwicklung der Pandemie in den USA unbedingt positive Nachrichten verbreiten. Bis Montag hatten sich offiziell mehr als 330.000 Amerikaner mit dem Virus angestreckt. Etwa 10.000 sind bereits daran gestorben. In den nächsten Tagen wird mit einem dramatischen Anstieg gerechnet. "Das wird die härteste und traurigste Woche im Leben der meisten Amerikaner", warnte der oberste Gesundheitsbeamte des Landes, Surgeon General Jerome Adams. Der Präsident jedoch glaubt bereits "Licht am Ende des Tunnels" zu sehen. Ein wichtiger Hoffnungsträger in für ihn das angebliche Medikament. "Was weiß ich? Ich bin kein Arzt", relativierte er seine Empfehlung für Hydroxychloroquin zwar kurz rhetorisch, um dann umso entschlossener hinzuzusetzen: "Aber ich habe einen gesunden Menschenverstand."
Präsidentin der Ärzte-Vereinigung: "Ich würde das nicht verabreichen"
Der Präsident speist seinen Optimismus aus Berichten über einzelne Fälle in Frankreich und China, wo das Mittel gegen Covid-19 angeblich Wirkung zeigte. Es ist zum experimentellen Einsatz in Notfällen inzwischen auch von der US-Arzneibehörde FDA zugelassen. Doch gibt es bislang keine wissenschaftliche Untersuchung zu dem Thema. "Ich würde das nicht verabreichen. Uns fehlen die Daten, um das zu empfehlen", warnte Patrice Harris, die Präsidentin der amerikanischen Ärzte-Vereinigung, beim Sender CNN. Ausdrücklich warnte sie, die unkontrollierte Einnahme könne ernste Nebenwirkungen haben und schlimmstenfalls zum Tode führen. Außerdem gebe es viele Malaria- und Rheuma-Patienten, die dringend auf Hydroxychloroquin angewiesen seien. Im Netz häufen sich die Klagen, dass das Präparat in den USA inzwischen in vielen Apotheken ausverkauft ist.
Das hindert Trump und seine Einflüsterer nicht, den Glauben an ein Wundermittel zu befördern. "100 Prozent effektiv" sei das Präparat, twitterte Trumps Anwalt Rudy Giuliani Ende März. Der Kurznachrichtendienst Twitter sperrte das Konto des zwielichtigen Juristen, bis er den Tweet löschte. Das hinter Giuliani nach einem Bericht der Washington Post nicht daran, bei Trump weiter für die unerprobte Kombinationstherapie zu werben.
Im Situation Room des Weißen Hauses kommt es zum Eklat
Nach einem Bericht der Nachrichtenseite Axios kam es bei dem Thema am vergangenen Samstag im Situation Room des Weißen Hauses zum Eklat. Nach einem Vortrag des obersten Arzneiprüfers Stephan Hahn legte Trumps Wirtschaftsberater Peter Navarro einen Stapel mit Ordnern auf den Tisch. Die darin enthaltenen Papier belegten "eindeutig die therapeutische Wirksamkeit" der Therapie, behauptete er. Als Fauci widersprach, soll Navarro lautgeworden und den Top-Virologen offen angegriffen haben.
Einen Kommentar zur Situation in den USA lesen Sie hier: Der amerikanische Risikopatient
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