Nicht Donald Trumps impulsiver Schlag gegen Iran war töricht, sondern das Fehlen einer Strategie für die Zeit danach. Diese Zeit ist nun da - und lässt auch Europa ratlos.
Alle Nationen sind gleich, klar. Aber manche sind gleicher. Wo kleinere, auch mittlere Staaten Gegner haben, vielleicht sogar Widersacher, da haben große Nationen: Todfeinde.
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind, auch wenn ihr aktueller Präsident sich nicht so aufführt, immer noch die größte, die mächtigste Nation auf dem Planeten. Doch der Konflikt mit dem Iran zeigt auf, wie sehr diese Nation Todfeinde hat, etwa die Islamische Republik Iran. Das ist nicht überraschend, die moderne Geschichte der beiden Länder ist eine der gegenseitigen Kränkungen. Verblüffender ist, wie sehr die so mächtigen USA verwundbar sind. Das zeigen viele frühere und auch die jüngsten Gegenschläge der Iraner. Amerika ist aber vor allem aus einem einzigen Grund verwundbar: Es ist im derzeitigen Zustand eine große Macht ohne große Strategie.
USA und Iran: Die Welt erlebt Tage des Zorns
Die Entscheidung, den iranischen Terror-Star General Soleimani zu eliminieren, kann man dafür gar nicht per se verantwortlich machen. Dieser Mann hat fast im Alleingang über viele Jahre im Nahen Osten gezündelt und getötet, er ist die Verkörperung jener zynischen Machtpolitik, die gerne Amerikanern vorgeworfen wird. Sein Tod ist nicht zu bedauern. Fast kann man die Chuzpe bewundern, mit der Donald Trump ihn erledigt hat. Seht her, sagen Trump-Fans, der traut sich, was ein Obama oder ein Bush nicht gewagt haben. Macht das nicht „America great again“?
Solche Stimmen vergessen: Es gab ja einen Grund, warum seine Vorgänger ihn nicht töten ließen. Sie hatten Angst vor dem Tag danach. Wenn ein Soleimani zwar fort ist, aber die Angst vor dem Vergeltungsschlag immer noch da.
Diese Tage erleben wir nun, und es wird mit jedem einzelnen klarer: Der amerikanische Präsident hat keine Strategie. Er hat den Militärschlag offenbar aus einer Stimmung heraus im Golfurlaub beschlossen. Derlei Wahnsinn hat bei ihm ja längst Methode. Dass Trump auf niemanden wirklich hört, offenbart schon das ständige Kommen und Gehen in seinem engsten Kreis. Um die aktuelle Absurdität der Lage vor Augen zu führen: Nicht einmal das amerikanische Verteidigungsministerium vermag gerade genau zu sagen, ob nun eigentlich US-Truppen in den Irak geschickt oder von dort abgezogen werden.
Trump wollte die Kriege der USA eigentlich beenden
Eine Strategie gibt es schon deswegen nicht, weil Trump daran kein Interesse hat. Er wollte ja ausdrücklich an der Heimatfront antreten, er versprach Kriege zu beenden statt zu sie zu beginnen. Stattdessen wirft er nun wild mit Begriffen um sich, die - bei aller neuen Abgestumpftheit - zusammenzucken lassen. „Sanktionen wie es sie noch nie gab“, stellt er dem Irak in Aussicht. Im Iran droht er Kulturdenkmäler zu zerstören, da klingt Trump fast wie einst die Taliban.
All das führt das Dilemma der deutschen und europäischen Außenpolitik neu vor Augen. Wir sind immer noch Amerikas engster Verbündete, aber was heißt das bei einem solchen US-Präsidenten - der den Nahen Osten nicht nur weiter destabilisieren, sondern uns auch einen Irak unter iranischem Einfluss einbrocken könnte?
Was heißt das für die NATO und für den weiteren Umgang mit Iran? Europa hat sich in den Verhandlungen über das Atomabkommen mit dem Land sehr engagiert. Aber das Versprechen wirtschaftlichen Aufschwungs dort konnte es nie wirklich mit Leben füllen, weil unsere Industrie vor weiter gültigen US-Sanktionen zitterte. Umgekehrt fanden die Europäer keinen Weg, den Iran vom Zündeln in Syrien bis Libyen abzuhalten.
Nun stehen wir am Rande, buchstäblich. Es mag Ratlosigkeit herrschen in Washington, in Teheran. Aber vielleicht noch ratloser ist man in Brüssel und Berlin.
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Eine gut halbe Lehrstunde über westliche Werte und Demokratie:
https://www.youtube.com/watch?v=wC_klwTmYWY&feature=youtu.be
Trumps USA sind unsere ameriganischen Freunde erstmals ohne Maske.
>> „Sanktionen wie es sie noch nie gab“, stellt er dem Irak in Aussicht. Im Iran droht er Kulturdenkmäler zu zerstören, da klingt Trump fast wie einst die Taliban. <<
Das ist aber genau die Sprache für 1000 und 1 Nacht; frei nach dem Motto "Die Amerikaner begehen vor den Mauern der Stadt Selbstmord". Der regional verstandene Witz daran ist ja, dass man es eben nur sagt aber nicht macht.
Die Aufregung darüber ist aktuell irrwitzigerweise größer als über die bis heute fehlende Entschuldigung der USA für den Abschuss einer iranischen Zivilmaschine.
Sie verschweigen - bewußt oder wohl aus Unkenntnis , daß das Schiff , welches den Abschuß durchgeführt hatte , kurz zuvor rechtswidrig von iranischen Kannibenbooten angegriffen worden war und sich im Gefecht befand . Das betreffende Zivilflugzeug war - fehlerhaft- als angreifende Tomcat der Iraner identifiziert worden .
Schuld trägt an diesem Vorfall allein - wie heute , gestern und vorgestern- das iranische Regime , welches den Angriff der Kanonboote befohlen hatte .
Über die vom iranischen Regime an der eigenen - wiewohl oppositionellen- Bevölkerung während der diversen Aufstände im Iran habe ich von Ihnen noch nie Kritik gelesen oder gehört .
Aber womöglich sind diese Opfer bei Ihnen weniger wert - weil nicht von den USA getötet ?! Es wird wohl so sein .
https://de.wikipedia.org/wiki/Iran-Air-Flug_655
>> Das Schiff war zum Zeitpunkt des Flugzeugabschusses in ein Gefecht mit iranischen Kanonenbooten verwickelt und befand sich in iranischem Hoheitsgewässer. <<
>> Einige Stunden früher hatte es bereits mit den iranischen Booten omanische Hoheitsrechte verletzt, bis es von einem omanischen Kriegsschiff entdeckt worden war. <<
>> Bei der Untersuchung des Unfalls wurde bekannt gegeben, dass drei Faktoren als Ursache für das Unglück angesehen wurden:
> Das Aegis-System der Vincennes arbeitete fehlerhaft
...
<<
Ja das ist vielleicht alles etwas eng da, aber das ändert nichts an der Verantwortung ein korrekt gemarkertes Zivilflugzeug abgeschossen zu haben.
>> Über die vom iranischen Regime an der eigenen - wiewohl oppositionellen- Bevölkerung während der diversen Aufstände im Iran habe ich von Ihnen noch nie Kritik gelesen oder gehört. <<
Wenn man von den rechten und linken Rändern beim kommentieren Schläge bekommt, muss man sich hier wohl in der Mitte befinden ;-)
"Dieser Mann hat fast im Alleingang über viele Jahre im Nahen Osten gezündelt und getötet, er ist die Verkörperung jener zynischen Machtpolitik, die gerne Amerikanern vorgeworfen wird. Sein Tod ist nicht zu bedauern. Fast kann man die Chuzpe bewundern, mit der Donald Trump ihn erledigt hat."
Und etwas weiter unten - nach der Fast-Bewunderung des Herrn Chefredakteurs:
"Er hat den Militärschlag offenbar aus einer Stimmung heraus im Golfurlaub beschlossen. Derlei Wahnsinn hat bei ihm ja längst Methode."
Gezündelt und getötet im Nahen Osten haben viele, sehr viele - auch der eine oder andere amerikanische Präsident.
Sehr geehrter Herr Schmitz, kommentierten Sie in gleicher Tonlage, wenn z. B. Trump, bei dem ja der Wahnsinn längst Methode hat, wie Sie richtig schreiben, auf ähnliche Weise unter Inkaufnahme einiger "Kollateralschäden" "erledigt" würde?
Oder steht das Recht, aus einer Laune heraus mal ein paar Menschen ermorden zu lassen, nur diesem Wahnsinnigen zu?
Gilt im Umgang mit den USA inzwischen nicht mehr die Stärke des Rechts, sondern das Recht des Stärkeren?
Dann allerdings wäre es für jeden Staat, der Wert auf eigenständiges Handeln legt, höchste Zeit, sich Atomwaffen und Trägersysteme zu verschaffen, mit denen im Fall des Falles auch die USA erreichbar sind.
Kim scheint das noch rechtzeitig erkannt zu haben.
Sie scheinen ja wirklich - was ich immer vermutet hatte- ein Unterstützer von Diktaturen und Diktatoren zu sein .
Das von Ihnen zitierte "internationale Recht" gilt nicht für Diktatoren und Diktaturen !
Insofern ist es richtig und war es richtig , den Kommandeur der "Revolutionären Garden" zu töten , wann immer das möglich war .
Es stellt sich eher die Frage , warum man nicht schon längst weitere führende Köpfe eines der brutalsten Regime dieser Welt - welches übrigens noch weit brutaler im Inneren als im Äußeren agiert - eliminiert hat/eleminiert ?!
Und es stellt sich die Frage , warum dies nicht die Europäer tun , welche doch sonst Demokratie , Menschenrechte, Freiheit etc immer so vehement anmahnen und sogar glauben , dies gegenüber einer absolut gefestigten Demokratie wie den USA machen zu dürfen - während man Diktatoren gegenüber schweigt , mit diesen Geschäfte macht oder gar Abkommen ( wie das naive Atomabkommen) schließt .
Diktaturen und Diktatoren (wie das iranische Mullah-Regime,das Assad-Regime, das nordkoteanische Regime ...) haben keinen Anspruch auf die Einhaltung des internationalen Rechts !
Es müssten eigentlich die Europäer sein , die - im eigenen Interesse -einen Regimechange im Iran anstreben müßten .
@ MARIA T.
Was ich von Ihnen, Gnädigste, vermute, behalte ich - meinem Respekt vor dem Mut einer Frau geschuldet, die trotz offensichtlicher Ahnungslosigkeit die Traute hat, sich öffentlich zu äußern - zunächst für mich.
Nur ein Beispiel aus Ihrem Kommentar, das mich besonders amüsiert hat:
". . . während man Diktatoren gegenüber schweigt , mit diesen Geschäfte macht oder gar Abkommen ( wie das naive Atomabkommen) schließt ."
Im Gegensatz zu Ihnen verfügt der Mörder des Iraners und dessen Begleitung, Trump, über die Fähigkeit der feinen Unterscheidung zwischen guten und bösen Diktaturen bzw. Diktatoren. Mit den einen macht man gute Geschäfte und liefert ihnen Waffen, mit denen sie gerade dabei sind, im Jemen ein ganzes Volk ins Jenseits zu bomben, z. B. den Saudis, den anderen ist man wenigstens zeitweise fast freundschaftlich verbunden, z. B. Nordkorea samt Kim doch jene, die partout nicht nach der Pfeife des Herrn über Leben und Tod tanzen, sich weigern, schön Pfötchen zu geben bringt man nach Cowboy-Art um die Ecke.
Sollte das Top-Management unserer deutschen Export-Industrie Ihre hehren Maßstäbe beherzigen ist hierzulande aber ganz schnell Schluss mit dem Exportweltmeister.
Behalten Sie ihr ziemlich naives Weltbild und vor allem die Fähigkeit, immer ganz genau zu wissen wer in dem üblen Spiel der Gute und wer der Böse ist.
Worauf ich im Interesse vieler Menschen hoffe, ist ein baldiger Regime-Change in den USA und zwar egal wie auch immer.
In diesem Sinne, hat echt Spaß gemacht!
@ Maria T.
Eine Regierung muss nicht demokatisch gewählt sein um legitim. Wäre schön wenn es so wäre, aber ist nicht so. Im Iran gibt es zumindest Wahlen. Somit etwa smehr Demokratie als in vielen anderen Staaten wie beispielsweise die VR China. Die Chinesen begehen offensichtlich auch schwerste Menschenrechtsverletzungen und betreiben eine aggressive Expansionspolitik. Also bombadieren wir mal irgendwo die Chinesen ... wegen die Uiguren oder weil sie irgendwo ein Riff mehrere hunderte Kilometer vor der Küste und Insel aufschütten und einen Stützpunkt errichten um Ihr "Staatsgebiet" vor den Küsten anderer Länder zu sichern.
Auch Saudi Arabien hätte keinen Anspruch auf Internationalen Recht nach Ihrer Logik. Sichwörter: Gleichberechtigung, Jemen, Khashoggi, Unterstützung von radikal-islamistsichen Gruppen. Aber da schweigt die gefestigte Demokratie USA und macht gute Geschäfte. Die Demokratie in der USA ist meiner Meinung zudem nicht mehr auf der Höhe der Zeit und reformbedürftig.
Wohin Regimewechsel führen hat man ja im Fall Irak (der wirlich einen Dominoeffekt ausgelöst hat) und Lybien, sowie bei dem Regimewechselversuch in Syrien gesehen. Die Zeche zahlen oft wir Europäer, weil die Flüchtlinge bei uns landen. Oder kamen beispielsweise bei Gaddafi soviele Flüchtlinge übers Mittelmeer?
Die Gesellschaft im Nahen Osten kann man mit unserer westlichen Gesellschaft nicht vergleichen. Und auch wir haben uns erst zu einer liberalen und demokratisch Gesellschaft entwickeln müssen, die immer noch nicht gefestigt ist.
Zum Thema Gleichberchtigung. Seit gerade erst 50 Jahren kann eine Ehefrau in Deutschland ohne Zustimmung ihres Ehemanns ein Konto eröffnen oder einen Arbeitsvertrag abschließen können. Wahlrecht für Frauen gibt es auch erst seit 100 Jahren ...