
UN zögern mit Bericht über Gräuel in Kongo

New York (dpa) - Ein brisanter Bericht der Vereinten Nationen über Gewaltexzesse und Vergehen gegen die Menschlichkeit im Kongo sorgt schon vor seinem Erscheinen für Wirbel. In einem 500-seitigen Entwurf des Kongo-Reports wird Ruanda bezichtigt, die Gräuel im Nachbarland unterstützt zu haben.
Das Papier war der französischen Zeitung "Le Monde" zugespielt worden. Inzwischen zögern die UN mit der Herausgabe der endgültigen Fassung und warnen, voreilige Schlüsse aus dem Entwurf zu ziehen. "Der Bericht wird in Kürze veröffentlicht. Dann kann jeder die beiden Versionen vergleichen und sich ein Urteil erlauben", sagte der Sprecher von UN-Chef Ban Ki Moon am Montagabend in New York. Wann und wo die Untersuchung des Genfer UN- Hochkommissariats für Menschenrechte vorgestellt wird, ließ er offen. Aus UN-Kreisen hieß es dazu, dass die Genfer Hochkommissarin Navi Pillay die Aufgabe übernehmen könnte.
US-Medien spekulierten, dass Ban ein diplomatische Zerwürfnis mit Ruandas Präsident Paul Kagame scheut und es vorzieht, bei der Vorlage der vernichtenden Anklage von Kriegsverbrechen nicht selbst im Rampenlicht zu stehen. Kagame hatte 1994 mit seiner Ruandischen Patriotischen Front (RPF) den Genozid im eigenen Land beendet und den Kleinstaat seitdem zu einer Art afrikanischem Musterland gemacht.
Die Regierung in Kigali wies den Entwurf nach Angaben der "New York Times" als "empörend" zurück. Regierungssprecher Ben Rutsinga sagte demnach: "Es ist unmoralisch und nicht akzeptabel, dass sich die UN-Organisation, die den Völkermord in Ruanda und die aus ihm hervorgegangene leidvolle Flüchtlingskrise im Kongo nicht verhindern konnte, nun die Armee, die den Genozid (in Ruanda) beendet hat, der Bluttaten im Kongo beschuldigt."
Im Entwurf der UN-Menschenrechtsexperten heißt es, dass das Massaker an hunderttausenden Männern, Frauen und Kindern im Kongo den Tatbestand eines Völkermordes erfüllen könnte. Gut zwei Dutzend UN- Inspekteure hatten Protokolle, Fotos und Dokumentationen von brutalen Vergehen an Hutu-Flüchtlingen aus Ruanda und der kongolesischen Bevölkerung ausgewertet und mit Augenzeugen gesprochen, bevor sie die Informationen zusammenfassten.
Mehr als 600 Gräueltaten führt der Entwurf des Kongo-Berichts auf. Er beschreibt, wie jeweils Hunderte von Flüchtlingen und Dorfbewohnern erschossen, verbrannt, erhängt, in Flüssen ertränkt, mit Macheten niedergemetzelt, erschlagen oder vor den Augen ihrer Angehörigen vergewaltigt wurden.
Erst im August hatten Mitglieder der ruandischen Hutu-Miliz FDLR über 150 Frauen im Gebiet Osten des Kongos tagelang bei einer Gewaltorgie missbraucht. Und das, obwohl sich Blauhelmsoldaten der UN-Mission in unmittelbarer Umgebung befanden. Den Vereinten Nationen kam der Vorfall erst knapp zwei Wochen später zu Ohren.
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