US-Einsatz in Afghanistan: "Amerikanisches Volk wurde belogen"
Die "Afghanistan Papers" legen Details über den Einsatz der USA in Afghanistan offen. Der Bericht zeichnet ein verheerendes Bild.
Zwei Jahre lang war Bob Crowley als Oberst der US-Armee für die Niederschlagung von Aufständen in Afghanistan zuständig. Als er nach seiner Heimkehr 2016 behördenintern befragt wurde, schilderte er den Einsatz unverblümt: „Jeder Datenpunkt wurde verändert, um das bestmögliche Bild zu erzeugen. Die Bestandsaufnahmen waren völlig unzuverlässig, aber bestätigten, dass alles, was wir machten, richtig war.“ Das amerikanische Militär, so Crowley, habe sich permanent selbst getäuscht.
Der Oberst ist einer von 428 Soldaten, Diplomaten und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen, die US-Behörden seit 2014 zu ihrem Einsatz in Afghanistan befragt haben. Nach langem Rechtsstreit hat die Washington Post nun die Herausgabe der 2000 Seiten mit den Interviews erzwungen. Die unter der Überschrift „Ein Krieg mit der Wahrheit“ veröffentlichten Geheimdokumente zeichnen ein verheerendes Bild. Offenbar fehlte von Anfang an eine schlüssige Strategie, die Öffentlichkeit wurde systematisch hinters Licht geführt.
US-General über Afghanistan-Einsatz: "Wir wussten nicht, was wir taten"
„Sie machten rosige Versprechungen, von denen sie wussten, dass sie nicht wahr sind“, fasst die Zeitung die Desinformation durch hohe Vertreter des Militärs und der Regierungen von George W. Bush, Barack Obama und Donald Trump zusammen. In den Dokumenten macht Douglas Lute, Afghanistan-Beauftragter des Weißen Hauses unter Bush und Obama, ein erschütterndes Geständnis: „Uns fehlte jedes Verständnis für Afghanistan. Wir wussten nicht, was wir taten“, sagt der Drei-Sterne-General: „Wir hatten nicht die leiseste Idee, auf was wir uns einließen.“
Der Mitarbeiter einer Hilfsorganisation berichtet, wie afghanische Mohnbauern in der Hoffnung auf eine erneute Prämie für die Vernichtung ihrer Ernte die Produktion noch ausweiteten. Als das US-Militär die Felder dann ohne Entschädigung zerstörten, liefen die Bauern zu den Taliban über.
Die US-Soldaten wussten nicht, wer in Afghanistan Freund oder Feind war
Das US-Militär wusste lange Zeit nicht, wer Freund und wer Feind war. „Sie dachten, ich käme mit einer Karte, auf der man sehen könnte, wo die good guys und wo die bad guys sind“, berichtet der Berater eines US-Spezialkommandos: „Es hat lange gedauert, bis sie begriffen, dass ich diese Information nicht hatte.“ Die afghanischen Streitkräfte, deren Stärkung ein wichtiges Ziel des Westens war, werden als inkompetent, unmotiviert und korrupt beschrieben. Das offizielle politische Ziel des Aufbaus einer starken Zentralregierung nennt ein Experte des US-Außenministeriums angesichts der fehlenden afghanischen Tradition schlicht „verrückt“.
Ähnlich wie bei der Veröffentlichung der Pentagon-Papers von 1971 über den Vietnamkrieg belegen die aktuellen „Afghanistan-Papers“ eine systematische Desinformationspolitik. „Das amerikanische Volk wurde permanent belogen“, zieht John Sapko, der Chef des mit der Befragung beauftragten Instituts, ein bitteres Fazit.
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