Die Politik von Donald Trump im Nahen Osten schadet vor allem den Europäern, die das Vakuum nicht füllen können. Wem aber nützt sie?
Erbitterte Kämpfe, unversöhnliche Worte – und dann die Überraschung: Die USA handeln mit der Türkei eine Kampfpause für Nordsyrien aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen äußerten sich zurückhaltend, zumal auch gestern wieder Granatenbeschuss und Maschinengewehrfeuer gemeldet wurden. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu war nach dem Treffen mit der US-Delegation hingegen schon fast in Plauderlaune. „Wir haben bekommen, was wir wollten.“
Ein Satz, der die Gemengelage in der Region wohl am besten beschreibt. Amerika reißt seine außenpolitischen Säulen nieder, stößt Partner vor den Kopf und verhilft Autokraten zu neuer Macht. Der Oberbefehlshaber der größten Streitmacht der Welt stellt die Nachkriegsordnung infrage.
Die Amerikaner sind kriegsmüde
„Jeder, der Syrien helfen will, die Kurden zu beschützen, ist mir recht – ob Russland, China oder Napoleon Bonaparte. Ich hoffe, sie machen das gut, wir sind 7000 Meilen entfernt“, twitterte der Präsident. Trumps Außenpolitik ist vor allem von innenpolitischen Motiven getrieben: Nur dort, wo die vitalen Belange der USA berührt werden, engagiert sich das Weiße Haus noch im Ausland. „Das deckt sich auch mit den Interessen der Wähler – übrigens auch der demokratischen Wähler – insofern ist Trump nur konsequent“, sagt Josef Braml, US-Experte der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik. Die Amerikaner sind kriegsmüde und nicht mehr bereit, Geld und Menschenleben für die einstigen Alliierten zu opfern.
Eine Stimmung, die bereits Barack Obama spürte und auf seine Politik übertrug. „Auch er zog in seiner Außenpolitik rote Linien, die am Ende höchstens noch rosarot waren“, sagt Braml. Insofern muss Trump wegen seiner umstrittenen Deals mit Autokraten zwar den Zorn seiner Verbündeten, nicht aber den seiner Wähler fürchten. Trump habe aus machtstrategischen Überlegungen mit den Kurden einen wichtigen Verbündeten verkauft. Und auch andere Alliierte müssten sich darauf einstellen, dass sie nur so lange Partner bleiben, wie sie auch von Nutzen sind. „Doch das außenpolitische Chaos schadet nicht Trump, sondern seinem Hauptrivalen: Europa“, glaubt der US-Experte.
Die Europäer fühlen sich hilflos
Denn das ist von der wachsenden Instabilität im Nahen Osten unmittelbar betroffen: Nicht nur Flüchtlinge könnten sich wieder auf den Weg machen, auch die Gefahr, dass der IS neue Kraft schöpft und wieder Anschläge verübt, wächst. „Die Europäer müssen die wohlfeilen Worte endlich zu Taten werden lassen und ihre eigene Nachbarschaft stabilisieren“, sagt Josef Braml. Doch davon ist Europa weit entfernt. Noch nicht einmal auf ein umfassendes Waffenembargo konnten sich die Staats- und Regierungschefs in dieser Woche einigen. Stattdessen mahnte Bundesaußenminister Heiko Maas: „Es ist wichtig, mit der Türkei (...) im Dialog zu bleiben, um auf sie einwirken zu können.“ Über eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wird in Brüssel zwar seit Jahren gesprochen, doch umgesetzt werden die Pläne nicht.
Russland versucht zu spalten
Dabei verschiebt die Taktik der Amerikaner unter Donald Trump die politische Tektonik grundsätzlich: Experten mutmaßen gar, dass Russlands Präsident Wladimir Putin seinen türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan zum Einmarsch in Syrien gedrängt habe – um damit ganz bewusst die Nato zu spalten. Bereits jetzt haben russische Soldaten zudem die verlassenen amerikanischen Stützpunkte in Nordsyrien übernommen und damit das Vakuum rasch gefüllt. Das sind vor allem gute Nachrichten für Baschar al-Assad. Kurdische Kämpfer schlagen sich nun auf die Seite des von Russland und Iran unterstützten syrischen Machthabers.
Noch ist allerdings unklar, was das Abkommen zwischen den USA und der Türkei überhaupt bewirkt. Offene Fragen sind etwa, wann die Kurdenkämpfer aus der von Ankara beanspruchten Sicherheitszone abziehen wollen – und wo sie unterkommen sollen. Zudem blieb unklar, wie genau es mit dem Kampf gegen die Terrormiliz IS weitergehen soll. Bisher hatten die Kurdenmilizen unter anderem Gefangenenlager bewacht.
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