Ungelöst
Das Messer-Attentat auf den Passauer Polizeichef Mannichl bleibt ein Rätsel. Bald sollen die Ermittlungsakten geschlossen werden
Augsburg Um deutlich zu machen, mit welchem Aufwand und welcher Raffinesse im Fall Mannichl ermittelt wurde, erzählen die Ermittler gerne, dass die Krankenschwestern befragt worden seien, ob der damalige Passauer Polizeichef nach dem Messer-Attentat auf ihn im Schlaf gesprochen habe.
Zweieinhalb Jahre später und im Licht der aktuellen Erkenntnisse könnte man die Befragung der Krankenschwestern auch als Akt der Verzweiflung deuten. Die Ermittlungen der zeitweilig 70 Personen umfassenden Sonderkommission „Fürstenzell“ haben keinerlei Ergebnisse gebracht. In den nächsten Wochen soll das Landeskriminalamt den Abschlussbericht vorlegen. Und dann will Passaus Leitender Oberstaatsanwalt Helmut Walch die Akte schließen. Schon im Sommer könnte es so weit sein.
Der Chefermittler sagt: Das ist ein ungutes Gefühl
Der Fall, der sofort als Anschlag eines Rechtsextremisten gewertet wurde und einer schnellen Aufklärung entgegensah, erweist sich nun als tiefer Stachel im Fleisch der erfolgsverwöhnten bayerischen Polizei. Die meisten Gewaltdelikte solcher Art werden aufgeklärt. Ausgerechnet dieser Fall – ein Angriff auf einen der ihren – bleibt ungelöst.
Da tröstet es nicht, dass Chefankläger Walch betont, dass neuen Hinweisen selbstverständlich nachgegangen werde. Selbstverständlich. Seine Worte täuschen aber nicht darüber hinweg, dass die Ermittler von einer aktiven in eine passive Rolle wechseln. „Ich bin nicht glücklich darüber, dass der Fall nicht aufgeklärt ist“, sagt Walch. Und weiter: „Es kann nichts ausgeräumt werden, weder die Vorwürfe gegen die Ermittler, noch der Verdacht gegen das Opfer. Das ist ein ungutes Gefühl.“
Walch will nicht in alten Wunden stochern, sagt er. Daher die verklausulierte Formulierung. Denn im Fall Alois Mannichl gibt es Fragen und Merkwürdigkeiten, die bis heute einer Klärung harren. Die aber wohl nicht mehr geklärt werden, wenn erst die Aktendeckel zu sind. Das ist nicht unproblematisch, war doch die Attacke auf den ranghohen Polizisten eines der spektakulärsten Verbrechen in Bayern der vergangenen Jahrzehnte.
Am Samstag, 13. Dezember 2008, gegen 17.30 Uhr wurde der Leitende Polizeidirektor vor seinem Haus in Fürstenzell niedergestochen. Mannichl selbst lieferte die erste Spur: Der Täter sei ein etwa 1,90 Meter großer Unbekannter mit Glatze gewesen. Bevor er zustach, habe er noch gesagt „Du linkes Bullenschwein, du trampelst nicht mehr auf den Gräbern unserer Kameraden herum“ und „Viele Grüße vom nationalen Widerstand“.
Klarer Fall: ein Racheakt von Neonazis, gegen die Mannichl hart vorgegangen war. Dazu eine Zeugenaussage, dass der Täter mit einer grünen Schlange hinter dem Ohr tätowiert gewesen sei. Motiv klar, Täterbeschreibung gut – die Aufklärung schien eine Frage von Stunden oder Tagen. Aber sie blieb aus. Dass Pannen geschehen sind, bestreiten der Leitende Oberstaatsanwalt und das Landeskriminalamt vehement.
Fragen müssen sie sich gefallen lassen. Warum wurde nicht sofort DNA-Material unter Mannichls Fingernägeln gesichert, obwohl er nach eigenen Angaben mit dem Täter gerangelt hat? Warum ermittelten drei Wochen lang Kripobeamte von Mannichls eigener Dienststelle? Warum wurde zunächst nur in Bayern gefahndet, obwohl der Tatort nur 15 Autominuten von der österreichischen Grenze entfernt liegt und Mannichl gesagt hatte, der Messerstecher habe „mit österreichischer Einfärbung“ gesprochen? Wenn es ein geplanter Racheakt eines Neonazis war, warum benutzte er kein eigenes Messer, sondern eines aus Mannichls Haushalt, das zufällig auf dem Fensterbrett lag?
Die unbeantworteten Fragen mündeten in einen schlimmen Verdacht: Könnte die Tat ein Familiendrama gewesen sein? Die Ermittler mühten sich, jedem noch so vagen Gerücht über eine mögliche enttäuschte Geliebte des Polizeichefs nachzugehen. Und sie mühen sich bis heute, diesen Verdacht zu zerstreuen: „Es gibt keine vernünftigen Anhaltspunkte dafür“, sagt Oberstaatsanwalt Walch.
Mannichl selbst ist sicher, dass der Täter noch erwischt wird
Mannichl selbst hatte nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wie ein gebrochener Mann gewirkt. Zuletzt richtete er aus, seiner Familie und ihm gehe es inzwischen wieder gut. Das heißt, dass es anders war. Der 55-Jährige ist heute Leiter der Verbrechensbekämpfung in Niederbayern. Seiner Heimatzeitung sagte er nun, er sei sicher, dass man den Täter irgendwann erwischt.
Die Ermittlungsbehörden versprühen weniger Zuversicht. Beim LKA heißt es, man arbeite die letzten 45 Spuren ab. Chefermittler Walch sagt, der Fall werde turnusmäßig immer wieder angeschaut.
Die Fakten sind: Es gibt keine heiße Spur, kein Motiv, keinen Täter, kein Täterprofil, ja nicht einmal einen verdächtigen Personenkreis.
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