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Reportage
02.03.2018

Wahl in Italien: Die Abgehängten von Kalabrien

San Ferdinando in Kalabrien: Bis zu 2500 Flüchtlinge hausen hier in Gettos.
Foto: Annette Reuther, dpa

Der arme Süden, heißt es, entscheidet die Wahl. Wo viele frustriert sind – über Mafia, Flüchtlinge, Arbeitslosigkeit. Viele fragen sich: Was soll ich noch hier?

"Ciao, Papà. Ciao Mamma." Domenico Blasco umarmt seine Eltern, wirft sich den Rucksack über die Schulter und steigt in den Bus der Hoffnung, der ihn nach Augsburg bringen soll. Rund 1600 Kilometer und 24 Stunden Fahrt trennen ihn von einem Job, der ihm und seiner Familie ein würdiges Leben ermöglichen soll. Als Bauarbeiter. "Was soll ich hier noch?", sagt der 40-Jährige. "Hier gibt es nichts."

Crotone heißt der Ort der Aussichtslosigkeit, den Blasco so schnell wie möglich verlassen will. Die Stadt mit 65.000 Einwohnern liegt ganz im Süden Italiens, an der Stiefelsohle. Nirgends sonst im Land ist die Arbeitslosigkeit so hoch wie in der Region Kalabrien: 29 Prozent sind es, fast dreimal so viel wie in ganz Italien. Bei den jungen Leuten liegt die Quote sogar bei 56 Prozent.

Auch in Crotone sollen die Menschen am Sonntag eine neue Regierung wählen. Wer den Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni von der sozialdemokratischen PD beerben wird, gilt als völlig offen. Den Süden Italiens aber – Kalabrien, Apulien, Sizilien oder Kampanien – halten Meinungsforscher für besonders wichtig, weil sich hier das Mitte-Rechts-Bündnis um Ex-Premier Silvio Berlusconi und die systemkritische Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern.

Am Sonntag wählt Italien eine neue Regierung

Um die Abgehängten in Kalabrien geht es in keinem der Wahlprogramme. Vielmehr wollen die Mitte-Rechts-Allianz und die Fünf-Sterne-Bewegung die milliardenschwere Pensionsreform von 2011 rückgängig machen und ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen. In einem Wahlkampf aber, in dem es vor allem darum geht, wer die größten Versprechungen macht, ist das nicht viel wert. Schon jetzt ist klar, dass das Wenigste der angekündigten Maßnahmen wirklich umgesetzt werden kann. Berlusconi verspricht sogar einen einheitlichen Steuersatz von 23 Prozent und führt sich auf, als seien die vergangenen zehn Jahre mit Sexskandalen, letztinstanzlicher Verurteilung wegen Steuerbetrugs und sein Ämterverbot nie geschehen.

Über den viermaligen Ex-Premier schütteln zwar viele den Kopf, erst recht, weil der 81-Jährige wegen seiner Verurteilung nicht kandidieren darf, aber trotzdem so tut, als wäre es sein Wahlkampf. In Umfragen kommt seine Forza Italia jedenfalls auf 16 Prozent. Ob es zusammen mit der ausländerfeindlichen Lega und den nationalistischen "Brüdern Italiens" für eine Regierungsmehrheit reicht? Oder holt die Fünf-Sterne-Bewegung, die jede Koalition bisher ausgeschlossen hat, doch noch auf? In diesem Fall rechnen Beobachter mit politischem Stillstand in Italien, der in Neuwahlen münden könnte.

Politiker? Da lachen sie nur lauthals oder schimpfen

Im Moment scheint vieles möglich südlich der Alpen, vor allem, weil 30 Prozent der Wähler unentschieden sein sollen. Wer die Menschen in Kalabrien auf die Politiker anspricht, erntet entweder lautes Lachen oder eine Hasstirade auf den Politiker im Allgemeinen und den kalabrischen im Besonderen. "Ich gehe sicher nicht wählen", sagt Domenico Blasco. Und seine Mutter meint: "Die Politiker hier stehlen nur. Alle! Alle! Alle!"

Der Italiener Domenico Blasco kehrt seiner Heimat den Rücken, er will nach Augsburg.
Foto: Annette Reuther, dpa

Abgehängt fühlen sie sich hier – in jeder Beziehung. Am Bahnhof steht ein alter Zug. Niemand weiß, ob er jemals abfahren wird. Auf der Anzeigetafel wird keine einzige Verbindung angezeigt. Am Brunnen vor dem Bahnhof füllt ein Flüchtling Wasser in Kanister, die auf einem kaputten Kinderwagen stehen. Als der Bus Richtung Deutschland einfährt, eilen noch mehr junge Afrikaner herbei. Sie haben sich hinter dem Bahnhof einen Slum aus Plastikplanen zusammengezimmert. "Hier kann man nur mit Ticket mitfahren", wehrt der Busfahrer ab. Das Grüppchen zieht weiter.

Viele Busse fahren hier nach Deutschland. Nach Augsburg, München und Stuttgart. Deutsche Städte scheinen leichter erreichbar zu sein als der Nachbarort. "Vor allem die jungen Leute gehen weg. Es ist dramatisch", sagt der Busfahrer Salvatore Sinopoli. Seit zehn Jahren arbeitet er für ein sizilianisches Busunternehmen. Im Gegensatz zu den Gastarbeitern von früher haben viele, die heute nach Deutschland wollen, einen Uni-Abschluss. Vom "demografischen Tsunami" sprach ein Forschungsinstitut unlängst. Crotone fehlt eine ganze Generation junger, gut ausgebildeter Leute. Zudem ist die Geburtenrate hier so niedrig wie in kaum einer anderen Provinz. Wieder ein Platz auf dem Verlierertreppchen.

Der Strand ist schön, das Essen gut - und so viel Sonne gibt es nirgends im Land

Auch im Rest des Landes sind die Probleme groß: Italien ist so hoch verschuldet wie kaum ein anderes Land. Die Wirtschaft erholt sich zwar nach jahrelanger Rezession mühsam, im europäischen Vergleich aber liegt man weit zurück. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, der gut ausgebildeten Jugend fehlt die Perspektive. Gleichzeitig ist das Land mit den mehr als 630.000 Flüchtlingen, die seit 2014 angekommen sind, überfordert. In der Bevölkerung wächst die Abneigung gegen Ausländer. Populistische Argumente fallen da auf fruchtbaren Boden – im Süden noch stärker als anderswo.

Dabei gäbe es in Kalabrien und speziell in Crotone auch Potenzial. Das Meer plätschert an der Strandpromenade, die Sandstrände sind kilometerlang, die Leute freundlich, das Essen ist gut. Die Stadt habe die meisten Sonnenstunden pro Jahr in ganz Italien, erzählt man sich hier.

"Die Leute machen aber nichts daraus. Sie weinen und warten", sagt Loris Rossetto, Deutschlehrer in der Stadt. Aus Frust über ihre Situation wählten sie nun Parteien, die ihnen eine Revolution versprechen oder die nichts als purer Protest seien. Auch deswegen ist die populistische Fünf-Sterne-Bewegung hier stark, auch deswegen gehen viele davon aus, dass sich im Süden die Wahl entscheidet. Auf die sozialdemokratische Regierungspartei PD und Ministerpräsident Paolo Gentiloni ist hier kaum einer gut zu sprechen.

Deutschlehrer Loris Rossetto sagt, man dürfe nicht nur den Politikern die Schuld geben.
Foto: Annette Reuther, dpa

Loris Rossetto, der Deutschlehrer, will nicht jammern, sondern etwas unternehmen. Denen, die aus Crotone wegwollen, organisiert er Jobs in Deutschland: In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz habe er schon 130 Leute vermittelt. Dann sagt Rossetto noch, dass es nichts bringe, nur den Politikern die Schuld zuzuschieben. Man müsse sich auch an Regeln halten.

Die Regeln, die macht hier im Süden Italiens vor allem die Mafia. Kalabrien ist die Heimat der ’Ndrangheta, einer der mächtigsten Mafiaorganisationen der Welt. Von dort kamen die Täter der Mafiamorde von Duisburg, als sechs Menschen vor einer Pizzeria erschossen wurden. Die ’Ndrangheta hat zwar mittlerweile auch in Deutschland ein festes Standbein. Aber die Verquickung von Gesellschaft und Mafia, von Politik und Mafia, von Wirtschaft und Mafia und von Kirche und Mafia ist in Kalabrien allgegenwärtig.

Die Mafia macht sogar mit den Flüchtlingen ihr Geld

Auch an den Flüchtlingen verdient die ’Ndrangheta mit. In Crotone steht eines der größten Migrantenlager Italiens. Im Mai kam ans Licht, dass das Zentrum Sant’Anna, geführt auch von der katholischen Kirche und gefördert mit EU-Mitteln, in den Händen der Mafia war. Die kassierte das staatliche Geld für die Flüchtlinge ein, bei den Einwanderern kam nichts an. Auch ein Priester wurde festgenommen.

Die Flüchtlinge sind eines der großen Themen im Wahlkampf. Und es ist das Thema, mit dem die Rechtsparteien punkten wollen. Politiker wie Berlusconi versprechen, rund 600.000 illegale Einwanderer sofort abzuschieben. Doch bisher hat er sich im Wahlkampf hier nicht blicken lassen. Matteo Salvini, der seine Lega-Partei mit Hetze gegen Ausländer auch im Süden groß machen will, war einzig in Reggio Calabria, rund zweieinhalb Autostunden entfernt von Crotone.

In San Ferdinando ist die große Politik so weit weg, wie sie nur sein kann. In dem Ort am Meer steht seit acht Jahren so etwas wie das "Calais des Südens": ein riesiges Flüchtlings-Getto. Aus Plastikfetzen haben sich die Menschen inmitten einer verwaisten Industriezone etwas zusammengebaut, das wie ein Dach über dem Kopf aussehen soll. Es gibt kein fließend Wasser, keinen Strom. Im Schlamm gammeln Essensreste vor sich hin, überall liegt Müll. Laut "Ärzte ohne Grenzen" leben rund 10.000 Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge in Italien unter solchen Bedingungen.

Die Flüchtlinge sind eines der großen Themen im Wahlkampf

Andrea Tripodi ist der Bürgermeister dieses kaputten Ortes. Er ist seit eineinhalb Jahren im Amt, nachdem die Verwaltung der Kommune wegen Mafia-Unterwanderung aufgelöst wurde. Tripodi hat neben dem Slum eine Zeltstadt errichten lassen, wo die Migranten wenigstens Wasser haben und ein paar Polizisten nach dem Rechten sehen.

"Es fehlt eine klare Politik, es fehlt Geld, um das Problem in den Griff zu bekommen ", sagt er. Rund 4500 Menschen leben in San Ferdinando – und etwa 2500 Migranten, die ihrem Schicksal überlassen wurden. Der Bürgermeister sagt: "Es ist eine enorme Zahl für eine kleine Gemeinde wie unsere. Es ist eine Zahl, die zum Erdbeben geworden ist."

Weder hochrangige EU-Politiker noch italienische Spitzenpolitiker haben sich die Zustände vor Ort angesehen, ebenso wenig der Innenminister, der für Migration zuständig ist. Und das, obwohl Marco Minniti aus dem nicht weit entfernten Reggio Calabria stammt. Er tritt nicht in seiner Heimatstadt als Wahlkandidat an – vermutlich weiß er, dass er hier sowieso nichts gewinnen kann.

Rom, die Wahlen, die neue Regierung? All das spielt in San Ferdinando keine wirklich wichtige Rolle. Die Menschen interessieren sich vor allem dafür, ob die Straßen nachts beleuchtet sind, ob der Müll endlich abgeholt wird, ob man auch morgen noch Geld für den Einkauf hat. Die Einwohner, die genug haben von der Misere, wandern in Richtung Norden ab. Sie setzen sich in Busse und Züge Richtung Mailand, Genua oder Turin. Oder eben nach Deutschland. Nur die Flüchtlinge, die nicht wegkönnen, bleiben in San Ferdinando und Crotone. Wählen dürfen sie am Sonntag nicht. (mit dpa, afp)

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