Betrugsvorwurf in Russland: „Sie haben dem Volk die Wahl gestohlen“
Die Kremlpartei "Geeintes Russland" sichert sich die Macht in der Staatsduma. Kritiker sprechen von einer Farce. Deutschland fordert eine Aufklärung der Fälschungsvorwürfe.
Als alles geschafft ist, wird Ella Pamfilowa in der Nacht zu Montag grundsätzlich. „Die Wahlen sind beendet“, sagt die Chefin der Zentralen Wahlkommission zunächst förmlich, um dann fast überschwänglich hinzuzufügen: „In unserem großen Vaterland, das wir alle so sehr lieben. Und wir wollen doch, dass alles gut wird in unserer Heimat.“ Gut geworden ist bei dieser Abstimmung tatsächlich alles, aus Sicht von Pamfilowa. „Das System, das wir geschaffen haben, hat funktioniert.“ Damit meint die 68-Jährige allerdings nicht das Machtsystem von Präsident Wladimir Putin, wie einige kremlkritische Nutzer sogleich bei Twitter kommentieren. Pamfilowa bezieht sich auf geänderte Verfahren bei den Wahlen zur Staatsduma, die aber sehr ähnliche Ergebnisse hervorbringen wie 2016.
Nach offiziellen Resultaten kann die Kremlpartei Geeintes Russland erneut einen klaren Sieg verbuchen. Die stärkste Kraft im Parlament, die den Präsidenten unterstützt, wird auch künftig über eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit in der Duma verfügen. Bei den Zweitstimmen verzeichnet Geeintes Russland zwar nur 49,8 Prozent – minus 4,4 Punkte. Umfragen hatten jedoch einen Absturz bis auf 30 Prozent vorausgesagt. Doch konnten die Kandidaten der Kremlpartei wohl fast 200 der 225 Direktmandate erobern. Auf dem zweiten Platz landen die Kommunisten mit 19 Prozent vor der ultranationalistischen LDPR (7,5), den Sozialdemokraten (7,5) und den Liberalen (5,3).
Bei Vertretern der „echten“ russischen Opposition herrscht Empörung
Jedoch gelten alle Parteien, die die Fünf-Prozent-Hürde nehmen, als letztlich kremltreue Systemopposition. Bei Vertretern der „echten“ Opposition herrscht deshalb Empörung: Die Staatsmacht habe dem Volk „die Wahl gestohlen“, twittert Kira Jarmysch, Sprecherin des inhaftierten Putin-Gegners Alexei Nawalny. Sie erinnert an 2011, als Beobachter bei der Duma-Wahl Betrug in großem Stil nachgewiesen hatten. „Das Gleiche passiert jetzt. Damit kann man sich nicht abfinden.“ Die niedrige Wahlbeteiligung von 51,6 Prozent aber lässt vermuten, dass sich viele doch mit den Verhältnissen arrangiert haben.
Ironisch-distanziert kommentiert Politikwissenschaftler Gleb Pawlowski die Wahl: „Das ist ein riesiger Karneval, den sie da für uns veranstalten.“ Belege für diese Sicht liefert die vom Regime unabhängige Wahlrechtsorganisation „Golos“ (Stimme). Mehr als 4000 Berichte über Fälschungen haben die Aktivisten zusammengetragen. Vor allem die Ausdehnung der Abstimmung unter Verweis auf die Corona-Pandemie erleichtere mangels Kontrolle Betrug: „Die Nacht ist eine große Gelegenheit für Gauner“, sagt Roman Udot von Golos.
Die Bundesregierung fordert eine Aufklärung der Fälschungsvorwürfe
Harsche Kritik kommt auch aus dem westlichen Ausland. Die Bundesregierung fordert eine Aufklärung der Fälschungsvorwürfe. Es gebe „sehr ernstzunehmende Berichte, dass es zu massiven Unregelmäßigkeiten gekommen ist“.
Für Unruhe im Kreml sorgt das starke Abschneiden der Kommunisten – und ein neu erwachter Widerstandsgeist in der Partei. Die KP mit ihrem 77-jährigen Vorsitzenden Gennadi Sjuganow, der sich in den 1990er Jahren politische Schlachten mit Präsident Boris Jelzin geliefert hatte, feiert mit fast 20 Prozent der Zweitstimmen ein beachtliches Comeback. Zumal unabhängige Beobachter glauben, dass die KP trotz ihrer Systemtreue in Wirklichkeit noch besser abgeschnitten hat. Sie erkennt die Ergebnisse in einigen Wahlbezirken nicht an und ruf zu Protesten gegen Fälschungen auf.
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Man reibt sich verwundert die Augen - Herr Krökel weiss Positivens über die russischen Kommunisten zu berichten.