Wahlsieger in Irland: Was steckt hinter der Sinn Féin?
Der frühere politische Arm der IRA wird bei den Wahlen in Irland stärkste Partei. Warum Sinn Féin trotzdem nicht die nächste Regierung anführen wird.
Für Sinn Féin (zu deutsch: „Wir allein“) ist der Tag tatsächlich gekommen, wie die vorläufigen Ergebnisse der Wahl in Irland zeigen. Prophezeit hatte das im vergangenen Jahr bereits die Parteivorsitzende Mary Lou McDonald. „Unser Tag wird kommen“, sagte sie und sorgte mit ihrer Rede für Furore. Denn während der Slogan für McDonald und ihre Anhänger sehnsuchtsvolle Verheißung symbolisiert, gibt es in Irland unzählige Menschen, die ihn mit Terror und Leid verbinden.
Es war das Mantra der irisch-republikanischen Bewegung, geprägt vom Mitglied der Untergrundorganisation IRA, Bobby Sands, der als gewählter Abgeordneter des britischen Parlaments im Gefängnis in den Hungerstreik trat und schließlich als einer von zehn Häftlingen 1981 sein Leben ließ.
Ausgerechnet die Chefin von Sinn Fén erinnert an blutige Geschichte
Der inoffizielle Wahlspruch prangte damals von Plakaten und Wandbildern, kaum jemand auf der Insel, der den Satz nicht mit der IRA verbindet, die jahrzehntelang gewaltsam die Loslösung Nordirlands vom Vereinigten Königreich erzwingen wollte. „Unser Tag wird kommen.“ Ausgerechnet die Chefin von Sinn Féin, dem ehemals verlängerten politischen Arm der Terrorgruppe IRA, erinnerte also indirekt an die dunkle, die blutige Geschichte.
Es scheint ihr, die nie im bewaffneten Kampf involviert war, nicht geschadet zu haben. Bei der Wahl in Irland am Samstag fuhr die linksgerichtete Partei einen historischen Erfolg ein. So liegt Sinn Féin mit 24,5 Prozent nach ersten Auszählungen leicht vor den beiden bürgerlichen Parteien Fianna Fáil (22,2 Prozent) und Fine Gael (20,9 Prozent), die sich fast ein Jahrhundert lang an der Regierungsspitze abwechselten.
Unmöglich, dass Sinn Féin die nächste irische Regierung anführt
Doch weil Sinn Féin nur 42 Bewerber aufgestellt hat, im Parlament aber 160 Sitze zu vergeben sind und es 80 braucht, um eine Regierung zu bilden, ist es unmöglich, dass die Partei die nächste irische Regierung anführt.
Die Geschichte der Partei ist eine Geschichte von Kämpfen und Spaltungen. Und von Gewalt: 1916 war Sinn Féin in den irischen Osteraufstand verwickelt. Nur zwei Jahre später erreichte sie einen erdrutschartigen Wahlsieg. 1918 gelang es ihr 73 der 105 irischen Sitze in Westminster zu stellen. Doch Sinn Féin konnte in den nächsten Jahren nicht verhindern, dass die von ihr mitgetragene republikanische Bewegung nach einem blutigen Bürgerkrieg im Jahr 1922 vorerst scheiterte.
In den 1970er Jahren kam Sinn Féin wieder auf die politische Bühne zurück
Auch der Stern von Sinn Féin schien nach einer weiteren Spaltung unweigerlich zu sinken. Nach vielen Jahren mit internen Streitigkeiten und marxistischen Experimenten kam die Partei in den 70er Jahren zurück. Gary Adams und Martin McGuinness hießen die Männer die Sinn Féin wieder auf die politische Bühne brachten. Für die Verbindung mit der IRA wurde die Partei hart kritisiert, sie ermöglichte es ihr allerdings auch, eine wichtige Rolle im Friedensprozess zu spielen.
Noch ist völlig unklar, ob Fianna Fáil und Fine Gael im neuen Parlament auf eine Mehrheit kommen und eine Regierung bilden können, beide haben bislang eine Koalition mit Sinn Féin ausgeschlossen. Ebenso ungewiss ist, ob Premierminister Leo Varadkar im Amt bleibt.
Er setzte im Wahlkampf auf seine wichtige Rolle bei den Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien und versuchte, aus dem Erfolg Kapital zu schlagen. Doch für die Menschen ist das Thema abgehakt seit dem EU-Austritt des großen Nachbarn am 31. Januar. Es sind soziale Probleme, die die Menschen derzeit umtreiben und die von der Regierung in den vergangenen Jahren vernachlässigt worden sind.
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.
Die Diskussion ist geschlossen.