Warum die Rebellen in Idlib nicht zurückweichen
Ein radikale Al-Kaida-Gruppe lässt die Frist für einen Rückzug aus der vereinbarten Pufferzone verstreichen. Drohen jetzt neue Kämpfe?
Einen Monat nach der russisch-türkischen Vereinbarung über die Einrichtung einer Pufferzone in der syrischen Rebellenhochburg Idlib wächst die Gefahr neuer Kämpfe. Die mächtigste Dschihadisten-Gruppe der Region ließ eine Frist zum Rückzug ihrer Kämpfer aus der Pufferzone verstreichen.
Zugleich bekräftigte die syrische Regierung ihr Ziel, Idlib wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Damaskus öffnete zudem einen wichtigen Grenzübergang nach Jordanien und legte damit den Grundstein für eine Wiederbelebung des Handels: Staatschef Baschar al-Assad ist sich sicher, dass ihm der Sieg im Krieg nicht mehr zu nehmen ist.
Milizenverband HTS der Al-Kaida gibt den Kampf gegen Assad nicht auf
Der von Al-Kaida-Kämpfern geführte Milizenverband Hayat Tahrir al Sham (HTS) beherrscht große Teile der Pufferzone, die Rebellen und Regierungstruppen trennen und von türkischen und russischen Soldaten gesichert werden soll. HTS zeigte sich in einer Erklärung zwar versöhnlich, machte aber klar, dass die Dschihadisten den Kampf gegen Assad nicht aufgeben wollen.
Auch gab es nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zunächst keine Hinweise für einen Rückzug der HTS-Truppen aus der Pufferzone. Gemäßigte Rebellengruppen hatten sich zuvor den Vorgaben der russisch-türkischen Abmachung gebeugt.
Die Türkei befürchtet die Ankunft von drei Millionen Flüchtlinge aus Idlib
Mit dem Russland-Deal will Ankara einen Großangriff auf Idlib verhindern. In der Region halten sich rund drei Millionen Menschen auf, von denen viele beim Ausbruch von Gefechten in die nahe Türkei flüchten könnten. Russland hatte den Türken bis zur Nacht zum 15. Oktober Zeit gegeben, um die Rebellen aus der Pufferzone zu entfernen.
Ob neue Gefechte vermieden werden können, ist nicht sicher. In den vergangenen Tagen hatten HTS-Kämpfer einige Stellungen der syrischen Regierungstruppen außerhalb der Zone mit Granaten angegriffen und zwei Soldaten getötet, wie die syrische Beobachtungsstelle mitteilte.
HTS habe den „Heiligen Krieg“ nicht aufgegeben, erklärte der Milizenverband selbst. Die syrische Regierung erklärte, ihre Truppen hätten Idlib umzingelt und seien zum Eingreifen bereit.
Eine Erklärung aus Russland wird über neue Kämpfe entscheiden
Nun kommt es auf Russland an. Die Schutzmacht der syrischen Regierung wird nach Angaben aus Damaskus eine Bewertung darüber abgeben, ob das Verstreichen der Frist bedeutet, dass die Abmachung mit Ankara null und nichtig ist – in diesem Fall könnten bald neue Kämpfe ausbrechen.
Idlib ist der letzte Landesteil von Syrien, der noch von Assad-Gegnern kontrolliert wird. Die Regierungen in Russland und in Syrien lassen keinen Zweifel daran, dass sie die Gegend dem Herrschaftsbereich von Assad einverleiben wollen, ob auf dem Verhandlungsweg oder mit einem Großangriff.
Der syrische Präsident Assad ließ die Grenze nach drei Jahren öffnen
Der syrische Präsident richtet den Blick auf die Zeit nach Ende des siebenjährigen Konflikts. So ließ er den Übergang Nassib an der Grenze zu Jordanien nach drei Jahren wieder eröffnen; Nassib ist wichtig für den überregionalen Handel, der vor dem Krieg von der Türkei und vom Libanon aus mit Hilfe von Lastwagen bis in die Golfregion floss. Auch mit dem Irak laufen Gespräche über eine Wiedereröffnung der Grenze.
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