Was sind die Beschlüsse von Minsk wert?
Der Waffenstillstand von Minsk soll den Krieg in der Ukraine beenden. Doch noch immer sterben Menschen im Kampfgebiet. Ist Wladimir Putin der Sieger der mühsamen Verhandlungen?
Nur einen „Hoffnungsschimmer“ nannte Kanzlerin Angela Merkel äußerst zurückhaltend das mit ihrer Hilfe mühsam ausgehandelte Abkommen für eine Feuerpause in der Ostukraine. Tatsächlich zeigt ein Überblick auf die zentralen Punkte des Friedensplans von Minsk, dass es noch viele Fragezeichen und Knackpunkte gibt.
Es herrscht Krieg - wie lange hält die Waffenruhe diesmal?
Als wichtigsten Punkt sieht der Plan von Minsk einen Waffenstillstand vor, der in der Nacht auf Sonntag um 0.00 Uhr in Kraft treten soll. Merkel antwortete auf die Frage, warum nicht schon früher: „Beim Waffenstillstand gab es ein hartes Ringen. Gewisse taktische Gründe haben eine Rolle gespielt, dass andere Teilnehmer dem dann nicht zustimmen konnten.“ Damit dürfte sie nicht nur die Separatisten gemeint haben, sondern auch Russlands Präsident Wladimir Putin.
Die Frage ist, ob die Feuerpause diesmal länger als ein paar Tage dauert. Auch wenn oft von Konflikt und Krise gesprochen wird, schießende Panzergeschütze und Explosion einschlagender Raketen zeigen: In der Ostukraine herrscht Krieg. So auch gestern: In der strategisch wichtigen Eisenbahnstadt Debalzewo, aus der ein Großteil der einst 25000 Einwohner längst geflohen ist, gab es Berichte schweren Artilleriefeuers: Die Rebellen sollen dort angeblich bis zu 8000 ukrainische Soldaten eingekesselt haben. Auch in der Rebellenhochburg Donezk waren Geschützdonner und Raketeneinschläge zu hören. Mindestens 27 Menschen starben.
Gebietsgewinne - Putin als Gewinner der Friedensverhandlungen?
Um die Waffenruhe zu stabilisieren, sieht der Friedensplan als zweiten zentralen Punkt eine „Sicherheitszone“ vor. Die Zustimmung dürfte der westlich orientierten Regierung in Kiew hier besonders schwergefallen sein: Die ukrainische Armee muss sich nicht nur hinter die im September vereinbarte Waffenstillstandslinie zurückziehen, sondern hinter die deutlich davor liegende aktuelle Frontlinie.
So wird Kremlchef Putin von vielen als Sieger der Verhandlungen bezeichnet, weil das Abkommen die immensen Bodengewinne der Rebellen südlich Donezek und westlich von Lugansk festschreibt. Kiews Truppen müssen sich dagegen je nach Waffengattung 50 bis 140 Kilometer hinter das Rebellengebiet zurückziehen. Der Abzug schwerer Waffen soll bis 2. März abgeschlossen sein.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko gerät nicht nur wegen der Gebietsgewinne der Separatisten innenpolitisch unter Druck. Auch die in Minsk vereinbarten Rechte für eine politische Eigenständigkeit der Rebellengebiete samt Regionalwahlen stoßen bei vielen prowestlich ausgerichteten Vertretern der Parlamentsmehrheit auf Widerstand. Das Abkommen verlangt aber, dass das Parlament bis Mitte März den Autonomierechten zustimmen muss.
Eine harte Probe für Poroschenko und den Friedensplan, der als letzte Stufe auch noch eine neue Verfassung bis Jahresende vorsieht: Sie soll den Regionen dezentral mehr Macht gegenüber der Regierung in Kiew zugestehen. Zugleich soll das Parlament ein Gesetz beschließen, das den Separatistengebieten Donezk und Lugansk einen Sonderstatus einräumt. Auch hier ist sehr fraglich, ob es dafür eine Mehrheit geben wird. Ebenso herrschen bei den Abgeordneten Widerstände gegen die Klausel, dass die Rebellengebiete wieder mit ukrainischen Staatsgeldern finanziert werden sollen.
Verhandlungen: Offene Diskussionspunkte bergen Konfliktstoff
Für die russische Seite wird Punkt 10 des Vertrags zu einer ersten Bewährungsprobe: Er fordert den „Abzug ausländischer Kämpfer, Söldner und Militärtechnik“ sowie die „Entwaffnung aller illegalen Gruppen“. Trotz vieler Beweise hat Kremlchef Putin den Einsatz russischer Waffen, Panzer und Soldaten immer bestritten. Jetzt soll die internationale Friedenssicherungsorganisation OSZE den Rückzug russischer Streitkräfte und Waffen kontrollieren.
Ein anderer Knackpunkt im Kiewer Parlament wird auch die geforderte Amnestie sein, die alle Kampfbeteiligten vor Strafverfolgung schützen soll. In Kiew werden die Separatisten als „Terroristen“ betrachtet und der Kampf als „Anti-Terror-Einsatz“. Poroschenko betont, die Klausel gelte nicht für die Verantwortlichen des Abschusses des Malaysia-Airline-Passagierjets MH17 mit 298 Toten.
Auch der Punkt „Freilassung aller Gefangener nach dem Prinzip ,Alle gegen alle‘“ birgt Konfliktstoff: Der Kreml lehnte gestern ab, eine in Moskau inhaftierte ukrainische Luftwaffen-Pilotin auszuliefern. Nach Darstellung der Ukraine wurde sie entführt. Moskau wirft ihr vor, für einen tödlichen Angriff auf zwei russische Journalisten bei Lugansk verantwortlich zu sein. (mit dpa, afp)
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