Weber sollte EU-Kommissionschef werden – aber bitte richtig!
Die hohe Wahlbeteiligung bei der Europawahl stützt das Prinzip der "Spitzenkandidaten". Doch Manfred Weber muss das Prinzip auch mit Leben füllen.
Diese Europawahl hat viele Verlierer, allen voran die sogenannten „Volksparteien“. Ihnen kommt mehr und mehr das Volk abhanden. Sie hat aber, fast schon paradox, auch einen klaren Gewinner. Damit sind nicht die Grünen gemeint, für die das Klima derzeit im wahrsten Sinne des Wortes günstig steht. Nein, klarer Gewinner ist: Europa.
Das spiegelt sich in der Wahlbeteiligung wider, die regelrecht hochgeschossen ist auf über 60 Prozent. Damit waren die Aussagen in Umfragen, diese Wahl sei etwas Besonderes, offenbar nicht nur Lippenbekenntnisse. Wie wichtig Europa – und das Europaparlament – in diesen politischen Zeiten sind, hat sich herumgesprochen.
Weber will Europa „den Bürgern zurückzugeben“
Das bedeutet einen gewissen Rückenwind für jenen „Spitzenkandidaten“, der am meisten davon sprach, Europa „den Bürgern zurückzugeben“: den Niederbayern Manfred Weber. Seine Partei wird aller Voraussicht nach im Europaparlament stärkste Fraktion werden – jener Kammer also, die den klaren Anspruch formuliert, nur einer der Spitzenkandidaten dürfe an die Spitze der EU-Kommission rücken. Dass er dies sein soll, betonte am Wahlabend nicht bloß Weber selbst, sondern ebenfalls die CDU-Vorsitzende.
Es äußerte sich allerdings nicht Kanzlerin Angela Merkel, die auch den Wahlkampf weitgehend aussaß. Sie wird ab Dienstag mit den anderen Staats- und Regierungschefs in Brüssel ausknobeln, wer an die Kommissionsspitze rücken soll – dann wird das Geschachere um eine ganze Reihe von Posten, vom Chef der Europäischen Zentralbank bis zur Außenbeauftragten, erst richtig losgehen. Dass Merkel keinen sonderlichen Respekt für das „Spitzenkandidaten“-Prinzip spürt, ist historisch verbürgt, schon vor fünf Jahren haderte sie damit.
Sie sieht das Vorrecht, über die EU-Kommissionsspitze zu entscheiden, bei sich und ihren Amtskollegen. Es ist aber richtig und wichtig, dieses Prinzip nicht leichtfertig zu opfern. Das demokratisch bestellte Europaparlament muss sicherstellen, dass der wichtigste Posten in Brüssel nicht im Hinterzimmer vergeben wird. Dafür hat vor Jahren der Sozialdemokrat Martin Schulz gekämpft und schließlich sogar seinem christdemokratischen Widersacher Jean-Claude Juncker an die Spitze verholfen. Dort gehört auch Weber hin, wenn er eine Koalition im Parlament zustande bekommt.
Richtigen Rückenwind kann der CSU-Mann freilich aus dem Ergebnis in Deutschland nicht ableiten, daher wird schon das Ringen im Parlament schwer. Auch der Sozialdemokrat Timmermans versucht eine Koalition zu schmieden. Das maue Ergebnis zeigt aber zugleich, wie viel ein Kommissionschef Weber sich vornehmen muss – etwa jene Menschen anzusprechen, die beispielsweise das Thema Klimaschutz gar nicht mehr mit den Volksparteien verbinden.
Zugleich geht es darum, Deutschland neu in der EU zu verankern. In den Krisenjahren waren die Deutschen als Zuchtmeister verschrien. Jetzt gelten sie als Blockierer, auch weil Merkel auf Macrons Reformideen kaum reagierte. Weber müsste die Blockade zwischen Integrationswütigen und Integrationsverweigerern auflösen. Sein milder Auftritt dürfte dabei helfen.
Schließlich müsste Weber in seine CSU hineinwirken. Die hat erfreulicherweise einen ganz anderen Wahlkampf geführt als vor fünf Jahren. Das hat sich gelohnt, auch beim Wähler. Rückt Weber an die Spitze der Kommission, dürfte dieser Trend wohl halten. Das gerade wiederentdeckte – und goldrichtige – Strauß-Zitat, Bayern sei die Heimat, Europa aber die Zukunft, könnte dann auch über den Wahltag hinaus Bestand haben.
Die Diskussion ist geschlossen.
Wo BILD und der Ökonom recht haben, haben sie recht:
„Für Deutschland ist die Besetzung des EZB-Präsidentenamtes von größerer ökonomischer Bedeutung als der Chefsessel der EU-Kommission“, sagt der Ökonom Friedrich Heinemann vom ZEW-Institut in Mannheim. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass der nächste EZB-Präsident in seiner achtjährigen Amtszeit mit einer italienischen Schuldenkrise konfrontiert werde.
Mit einem EZB-Präsidenten, der wie Bundesbank-Präsident Jens Weidmann als Kritiker der Anleihekäufe gelte, sinke die Gefahr „einer von der EZB organisierten umfangreichen Transferlösung für hoch verschuldete Euro-Staaten“.
Der Deal Weidmann EZB-Präsident gegen Vestager Kommissionspräsidentin dürfte mit Macron zu machen sein und müsste eigentlich auch bei Konservativen auf Zustimmung stoßen.
Der Gewinner dieser Wahl ist der Bürger/Wähler.
Das Absurde, aus dem neuerlichen Misstrauensvotum gegen CDU und SPD, dem neugewählten Parlament eine antidemokratische, das Parlament für überflüssig erachtende Spitzenkandidatur zu verpassen, spricht Bände.
Die Zeit dieser absurden Hinterhofabsprachen scheint mir aus dem vorigen Jahrhundert zu sein.
Die Wahl war das Besondere, was jede Wahl inne hat: sie war eine Abrechnung des Bürgers mit der Bilanz, die zu ziehen jede Wahl beinhaltet.
Politiker verweigern zu oft die Annahme des jeweiligen Wählerspruches. Und meinen dann z.B. einen Anspruch auf etwas zu haben, was nicht existiert.
Es ist, mit Verlaub, Pipifax, wenn gnadenlose Verlierer sich dazu erdreisten, sie könnten dem Bürger Europa zurückgeben. Ja, er und seine CSU haben die Wahl gut überstanden. Im Gegenteil zu seiner Schwesterpartei. Weber ist kein Neuling und in höchstem Maße mitverantwortlich für das EU-Chaos.
Seine gemäßigte Zunge ist dabei belanglos.
"Rückt Weber an die Spitze der Kommission, dürfte dieser Trend wohl halten."
Vor allem ein Trend dürfte halten, falls Weber Kommissionspräsident werden sollte, was längst nicht ausgemacht ist. Und das ist der Trend, dass CSU/CDU und SPD die jungen Wähler in Scharen davonlaufen - wie die Alterspyramiden der Wähler dieser Alt-Parteien überdeutlich zeigen. Und das ist gut so.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass einem ziemlich faden und etwas verdruckst daher kommenden bay. Kommissionspräsidenten Weber ähnliches blüht, wie dem bay. Papst, mit dessen wenig rühmlicher Rolle im Missbrauchs-Skandal ein beispielloser Niedergang der kath. Kirche verbunden bleiben wird.
Im übrigen, das hat Noch-Kanzlerin Merkel hoffentlich erkannt, würde uns Deutschen und Bayern ein EZB-Chef Weidmann wesentlich mehr nützen als ein Kommissionspräsident Weber . . .