Wie das Internet die Revolution verändert
Die Proteste nach den offenbar gefälschten Wahlen im Iran sind der erste Aufstand, der von einer digitalen Revolution begünstigt wird. Eine Analyse von Jürgen Marks
Eine Analyse von Jürgen Marks
Die Revolution ist ein oft erprobtes Mittel, sich ungeliebter Despoten zu entledigen. Die Geschichte kennt friedliche Revolutionen wie in der DDR 1989 und gewaltsame wie in Kuba 1959. Es gab erfolgreiche und gescheiterte Aufstände.
Doch die Proteste nach den offenbar zugunsten des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad gefälschten Wahlen sind der erste Aufstand, der von einer digitalen Revolution begünstigt wird.
Denn was in diesen Tagen im Internet von Amateur-Reportern aus Teheran berichtet wird, ist eine selten erreichte Informations-Flut. Über den Kurznachrichtendienst Twitter (zu Deutsch: Zwitschern), das Videoportal Youtube oder das internationale Netzwerk Facebook erreichen die Gegner Ahmadinedschads die Weltöffentlichkeit. Vergeblich kämpfen die Ajatollahs gegen die Windmühlen dieser modernen Kommunikation.
Das Internet hat die Medien demokratisiert. Es reicht heute nicht mehr, wenn Regime Telefone abschalten, TV-Sender kontrollieren und Zeitungs-Journalisten einkerkern. Selbst Revolutionswächter können die Massen im sogenannten Mitmach-Internet nicht stoppen.
Doch die Twitter-Mania hat auch eine dunkle Seite: das Fehlen von Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit. Wer garantiert denn, dass der angebliche Student, der über Krawalle in einem Teheraner Stadtteil berichtet, sich wirklich gerade in Teheran aufhält? Vielleicht arbeitet er für einen Geheimdienst oder verfolgt ganz andere Interessen.
Ein unangenehmes Merkmal des Twitterns ist die Übertreibung. Als ein Amokläufer in Winnenden 15 Menschen und sich selbst tötete, jagten übermotivierte Internet-Sheriffs zunächst den falschen Täter. Reporter zwitscherten auf dem Weg in die geschockte Stadt fröhliche Geschichtchen über Zahnbürsten und Übernachtungs-Budgets.
Und dennoch hat das Mitmach-Internet die Welt der Nachrichten dynamisiert. Weil plötzlich jeder mit jedem in Kontakt treten kann. Wenn ein Tsunami auf Thailands Küsten zurollt, steht das erste Foto auf einer norwegischen Webseite. Wenn im New Yorker Hudson ein Flugzeug notwassert, landet das Bild schneller bei Twitter, als dass die Menschen aus der Maschine flüchten können.
Man sollte sich darüber freuen. Doch es ist auch nötig, dieser digitalen Info-Armada mit gesunder Skepsis zu begegnen. Denn Twitter und die anderen Kanäle garantieren nicht die gewohnte Qualität der professionellen Medien. Auf der anderen Seite sorgen viele Millionen Netz-Reporter dafür, dass der Welt nichts mehr verborgen bleibt. Egal wie wichtig oder unwichtig es ist. Jeder kann sich über alles informieren. Und zwar sofort.
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