Weil ein Schöffe während der Anklageverlesung in einen Tiefschlaf fiel, muss ein langwieriger Prozess in Kassel neu aufgelegt werden.
Es ist ja nicht so, dass wir den Mann nicht verstehen würden. Die Augen geschlossen. Den Mund leicht geöffnet. Die Körperspannung auf ein Minimum heruntergefahren. Als Einschlafmelodie im Hintergrund verliest ein Staatsanwalt eine seitenlange Anklageschrift. Inhalt: manipulierte Steuererklärungen.
Schon die eigene Steuererklärung belegt viele Menschen ja mit unerklärlichen Lähmungserscheinungen und akuten Schlafattacken. Das Sortieren von Belegen sollte in die moderne Ratgeber-Literatur dringend als mindestens gleichwertiger Ersatz für das Schäfchenzählen aufgenommen werden. Schließlich ist der Bedarf groß: Sechs von 100 Menschen leiden unter massiven Schlafproblemen – Insomnie nennt die Fachwelt das Phänomen. Während Corona soll die Zahl der Wachlieger sogar noch gestiegen sein.
Schöffe schläft ein: Kompletter Prozess muss neu aufgelegt werden
Insofern muss dem eingangs angesprochenen Mann geradezu gratuliert werden: Ein gesunder Schlaf ist doch etwas Schönes! Doch, wie das so ist im Leben, kommt es bisweilen auf das richtige Timing an. Und das war in diesem Fall, nun ja: ungünstig.
Weil der Mann Schöffe war und während der Anklageverlesung in einen Tiefschlaf verfiel, muss nun ein langwieriger Prozess in Kassel neu aufgelegt werden. 17 Verhandlungstage, zahlreiche Zeugenbefragungen, komplexe Unterlagen, ein Urteil – alles war für die Katz. Angeklagt war ein Mitarbeiter des Finanzamts, der über Jahre fremde Steuererklärungen gefälscht haben soll. Vier Jahre sollte er ins Gefängnis. Nun muss ein anderer Richter neu verhandeln – in einem hoffentlich nicht ganz so ermüdenden Verfahren.
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