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Foto: Sebastian Castaneda, afp-Archiv (Symbolbild)
Foto: Sebastian Castaneda, afp-Archiv (Symbolbild)

„Es fehlt nicht am Geld, es gibt nur zu viele Diebe“: Junge Spanerinnen demonstrieren mit gepackten Koffern gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in ihrer Heimat.

Gesellschaft
27.06.2018

Wie junge spanische Auswanderer bei uns zurechtkommen

Von Anja Ringel

Zehntausende junge Spanier zog es angesichts hoher Jugendarbeitslosigkeit nach Deutschland. Warum viele mit der Rückkehr in ihre Heimat zögern.

Wenn Mónica Pascual Maté in ihrer neuen Heimat unterwegs ist, fangen ihre Ohren immer wieder Worte auf, die vertraut klingen. Ein seltsames Gefühl: Spanisch mitten in Erlangen? Maté kommt selbst aus Spanien. Sie sei es aber einfach nicht gewohnt, in Deutschland ihre Muttersprache zu sprechen, erklärt sie. Die 30-Jährige lebt seit sieben Jahren in Bayern. Wie zigtausende ihrer jungen Landsleute kehrte sie damals der Wirtschaftskrise und Perspektivlosigkeit in Südeuropa den Rücken.

Nach ihrem Studium in Würzburg hat die Nordspanierin 2013 als Laborassistentin an der Universitätsklinik in Erlangen eine Stelle gefunden. „Es wäre Quatsch gewesen, nach dem Studium nach Spanien zurückzukehren“, sagt sie. Dort hätte sie keine Chance auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz gehabt. Ein Bekannter bot ihr zwar eine Stelle in einer Biotechnologie-Firma an. Aber der Lohn? Vollzeit für 700 Euro im Monat! „Davon kann man gerade so leben, aber man kann kein Geld sparen oder in den Urlaub fahren“, sagt die junge Spanierin.

Vor allem die Jugend litt unter den Folgen der Wirtschaftskrise

Zehn Jahre ist es inzwischen her, seit die Wirtschaftskrise Spanien erfasste. Vor allem die Jugend litt: Viele junge Spanier fanden damals keine Arbeit mehr und wanderten aus. Auch nach Deutschland. Laut Statistischem Bundesamt leben knapp 180.000 Spanier in Deutschland. Die Hälfte davon ist zwischen 20 und 45 Jahre alt. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Spanien noch immer sehr hoch: Mehr als jeder Dritte im Alter zwischen 15 und 24 Jahren ist in Spanien arbeitslos. In Deutschland ist es nicht einmal jeder Zehnte. Maté erzählt, dass viele ihrer Freunde Probleme hatten, eine Stelle in Spanien zu finden. Die wenigsten ihrer Kommilitonen hätten einen Job in jenem Fachgebiet, das sie studiert hatten, gefunden, sagt Pascual.

Während sich die 30-Jährige während ihres Studiums sehr schnell in Deutschland eingelebt und innerhalb eines Jahres die Sprache gelernt hat, gibt es viele Spanier, die bei ihrer Ankunft in Deutschland zunächst Probleme haben. Ein Ansprechpartner ist dann „La Red“ – auf Deutsch „Das Netzwerk“. Der Berliner Verein unterstützt Spanisch sprechende Menschen bei der beruflichen und sozialen Integration, wie Beraterin Arancha Vállez erzählt. Die Menschen, die zu ihr kommen, haben verschiedene Anliegen: Manche sind auf der Suche nach Arbeit, andere haben Fragen zur Krankenkasse. Pro Jahr berät „La Red“ über 700 Hilfesuchende. Manche kontaktieren den Verein bereits, bevor sie nach Deutschland auswandern wollen.

"Es gibt so viele Regeln in der deutschen Grammatik"

Arancha Vállez weiß, wie es ihren Landsleuten geht, was sie empfinden. Auch sie hadert bisweilen mit ihrer neuen Heimat. Sie kam vor acht Jahren nach Deutschland, um Betriebswirtschaftslehre zu studieren. Doch bis heute hat sie sich in Deutschland noch nicht komplett eingelebt. Vor allem die Sprache fällt ihr schwer. „Es gibt so viele Regeln in der deutschen Grammatik“, sagt sie. Probleme hat Vállez auch mit dem Wetter: Es sei sehr deprimierend, dass es im Winter schon um 16 Uhr dunkel werde. Viele Spanier seien außerdem der Meinung, dass Deutsche schlechte Manieren hätten und im Umgang mit ihren Mitmenschen schroff seien, erzählt sie. Laut Vállez wollen die meisten ihrer Landsleute irgendwann nach Spanien zurückkehren.

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Rául Gil ist nach drei Jahren in Berlin wieder nach Madrid gezogen. Er war einer der Gründer von „La Red“ und kümmert sich inzwischen mit seinem neuen Verein „Volvemos“ – auf Deutsch „Wir kehren zurück“ – um Menschen, die nach Spanien zurück möchten und auf Jobsuche sind. Gil ist 2012 nach Berlin gegangen, weil er etwas anderes erleben wollte. Der endgültige Auslöser sei dann die „giftige Stimmung“ während der Wirtschaftskrise gewesen.

Bei seiner Ankunft konnte der Spanier kein Deutsch. „Da sollte niemand meinem Beispiel folgen“, warnt er. Er habe versucht, die Sprache schnell zu lernen, um einen Job zu bekommen, der ihm gefällt. Von einer spanischen Bibliothek bis zu einem Konzertsaal – überall hat er gearbeitet. Ende 2015 ist er nach Spanien zurückgekehrt, weil er ein lukratives Jobangebot erhalten hatte. „Die Jahre in Berlin waren die beste Erfahrung meines Lebens, ich habe so viel gelernt, für mich persönlich, aber auch für meine Arbeit“, sagt er rückblickend. „Ich bin toleranter, demütiger und offener geworden.“

In Spanien verdienen Rückkehrer weniger als in Deutschland

In Deutschland hat er außerdem seinen Landsmann Diego Ruiz del Árbol kennengelernt. Zusammen sind sie auf die Idee gekommen, „Volvemos“ zu gründen. Seit Februar 2016 helfen sie Spaniern, die in ihre Heimat zurückkehren möchten. Zum Beispiel können spanische Firmen, die Mitarbeiter mit internationaler Erfahrung suchen, passende Bewerber in der Datenbank von „Volvemos“ suchen. Momentan sind dort knapp 8000 Immigranten registriert, die nach Spanien zurückwollen. Laut Gil sind sie durchschnittlich 32 Jahre alt und haben sechs Jahre im Ausland gelebt. Obwohl sie die unterschiedlichsten Lebensläufe aufweisen, sind alle hoch qualifiziert.

„Volvemos“ legt viel Wert darauf, dass die Arbeitgeber ein attraktives Angebot vorlegen. „Den Firmen muss bewusst sein, dass die Talente nicht um jeden Preis zurückkommen“, erklärt Gil. „Niemand kommt für ein befristetes Arbeitsverhältnis oder ein Angebot zurück, das nicht die Qualifikationen wertschätzt.“ Die Rückkehrer seien sich jedoch ebenfalls bewusst, dass sie in Spanien weniger verdienen werden als in Deutschland. Nichtsdestotrotz schätzen sie die Vorteile, wieder in Spanien leben zu können. Vor allem die Familie sei oft ausschlaggebend für die Rückkehr: „Wir sind sehr familiär und es macht uns traurig, weit weg von den Menschen zu sein, die wir lieben.“

Die spanische Wirtschaft erholt sich langsam

Und dann ist da noch die Hoffnung: Die Wirtschaft beginne zu wachsen und die Firmen würden neue Mitarbeiter einstellen. Die Regierung zog das Land mit Reformen und Sparplänen aus der Krise. Im vorigen Jahr wurde zum dritten Mal in Folge ein Wachstum von mehr als drei Prozent verzeichnet. Die Arbeitslosenrate fällt rasch. 2017 lag sie zwar immer noch bei knapp 17 Prozent, aber deutlich unter dem Rekordhoch von 26,9 Prozent Anfang 2013. In der Finanz- und Wirtschaftskrise waren in Spanien insgesamt 3,3 Millionen Arbeitsplätze vernichtet worden. Trotzdem müsse sich noch einiges ändern, findet Gil. „Momentan kehren nur die zurück, die eine gute Arbeit finden und die ihr Zuhause vermissen. Der Rest hofft weiter.“

Auch die Erlanger Laborassistentin Mónica Pascual Maté denkt noch nicht an eine Rückkehr nach Spanien. Sie ist mit ihrem Leben in Erlangen zufrieden. Die Zeit bis zum nächsten Familienurlaub in Spanien überbrückt sie mit dem Familienchat auf WhatsApp. Ihr gefällt, dass in Deutschland alles ruhiger ist. Auch einen Freundeskreis hat sie sich aufgebaut: Die 30-Jährige spielt Lacrosse, eine Ballsportart, bei der zwei Mannschaften mit einem Schläger um einen Gummiball kämpfen. Ihre Familie vermisst sie trotzdem. „Wenn meine Eltern irgendwann Hilfe benötigen, werde ich eventuell zurückkehren“, erklärt sie.

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