Die portugiesische Politik erlebt eine neue Krise nach dem abrupten Sturz der Regierung des konservativen Premiers Luís Montenegro. Nach nur elf Monaten im Amt ist seine Minderheitsregierung an einem gescheiterten Vertrauensvotum zerbrochen. Der Auslöser war ein Unternehmensskandal innerhalb seiner Familie, der seine Glaubwürdigkeit schwer beschädigte. Nun bereitet sich das südeuropäische EU-Land, in dem etwa zehn Millionen Einwohner leben, auf Neuwahlen vor – es sind die dritten nationalen Wahlen seit 2022.
Hintergrund der Krise sind zweifelhafte Geschäfte Montenegros. Er hatte im Jahr 2021, als er kein Regierungsamt bekleidete, die Beratungsfirma Spinumviva gegründet. Später übertrug er die Firmenanteile an seine Ehefrau und seine beiden Kinder. Laut portugiesischen Medien hatte diese Firma monatliche Zahlungen vom Glücksspiel- und Hotelunternehmen Solverde erhalten – und zwar auch nach Montenegros Amtsantritt als Ministerpräsident. Doch das ist noch nicht alles: Beim Glücksspielkonzern Solverde war Montenegro vor seiner Regierungszeit als Anwalt tätig. Zudem arbeitete Montenegros Regierung an einem Gesetz, das die Spielkasino-Konzessionen in Portugal reformieren sollte. All dies deutete auf einen handfesten Interessenkonflikt hin, der die gesamte Opposition – von den Sozialisten bis zu zur ultrarechten Partei Chega – misstrauisch machte.
Premier Montenegro riskierte die Vertrauensfrage - und scheiterte
Angesichts des wachsenden Drucks entschied sich Montenegro deswegen dafür, im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen. Das war ein riskantes Unternehmen, denn er wusste vermutlich, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern würde. Politische Analysten sehen deswegen in der Vertrauensfrage einen Schachzug Montenegros, um ohne größeren Gesichtsverlust Neuwahlen zu erzwingen. „Ein Vertrauensvotum ist nur eine andere Art zu sagen, dass er zurücktritt“, sagte der sozialistische Oppositionschef Pedro Nuno Santos.
Wie geht es nun weiter? Die Entscheidung über die folgenden Schritte liegt beim ebenfalls konservativen Staatspräsidenten Marcelo Rebelo de Sousa. Der Staatschef könnte Neuwahlen ansetzen oder auch einen neuen Regierungschef vorschlagen. Doch Rebelo de Sousa deutete bereits an, dass er – nach einer formellen Beratungsrunde mit allen Parteien – wohl Neuwahlen ausrufen werde. Diese könnten dann im Mai stattfinden.
Laut Umfragen bringen die Neuwahlen keine klaren Verhältnisse
Laut aktuellen Wahlstudien sind allerdings auch dann keine klaren Mehrheiten zu erwarten. Medienumfragen sehen sowohl Montenegros konservative Demokratische Allianz (AD) als auch die Sozialisten (PS) ziemlich nahe beieinander. Keine Partei kann demzufolge mit der absoluten Mehrheit rechnen, sodass kleinere Parteien im linken wie im rechten Spektrum den Ausschlag geben dürften. Allerdings könnte dem Konservativen Montenegro zugutekommen, dass die rechtspopulistische Partei Chega („Es reicht”) nach mehreren Skandalen an Unterstützung verliert, auch wenn sie wohl drittstärkste Kraft bleiben wird. Bei den vergangenen Wahlen ziemlich genau vor einem Jahr hatte das konservative Wahlbündnis (AD) einen hauchdünnen und mit 29,5 Prozent sehr mageren Wahlsieg geholt. Die bis dahin unter António Costa regierenden Sozialisten kamen damals auf 28,7 Prozent. Die ultrarechte und europaskeptische Partei Chega erreichte 18 Prozent.
Analysten warnen, dass eine anhaltende politische Instabilität in Portugal das Wirtschaftswachstum und die Investitionen bremsen könnten. Zudem sei die Umsetzung von EU-finanzierten Infrastrukturprojekten in Gefahr. Portugal hatte in den letzten Jahren ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum verzeichnet. Mit einem stetigen Zuwachs von über zwei Prozent in den letzten Jahren liegt das Land weit über dem Durchschnitt der Europäischen Union. Laut der Bank von Portugal wird das Bruttoinlandsprodukt in 2025 voraussichtlich um 2,4 Prozent steigen. Das gesetzliche Mindestgehalt kletterte inzwischen im Niedriglohnland Portugal auf 870 Euro pro Monat und soll bis 2028 mindestens 1000 Euro erreichen. Die Arbeitslosenquote liegt bei unter sieben Prozent. Auch die extrem hohe Staatsverschuldung sinkt, in 2024 lag sie bei etwa 95 Prozent.
Ein Hauptthema ist die große Wohnungsnot in den Städten
Eine der größten Herausforderungen für die künftige Regierung ist die große Wohnungsnot, unter der vor allem junge Leute leiden. Die Mieten und Kaufpreise für Wohneigentum liegen auf der Höhe Berlins, Münchens oder Wiens. Die Einkommen sind aber in Portugal immer noch sehr dürftig. Deswegen hat die konservative Regierung Montenegros steuerliche Entlastungen für junge Menschen unter 35 Jahren eingeführt. Damit soll auch die Auswanderung junger Fachkräfte reduziert werden.
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