Studie: Jede zweite Klinik sollte schließen - für eine bessere Versorgung
Wie viele Krankenhäuser werden in Deutschland benötigt? Die Bertelsmann Stiftung hat einen radikalen Vorschlag: Jede zweite Klinik soll schließen.
Mehr als jedes zweite Krankenhaus in Deutschland sollte nach Ansicht von Fachleuten geschlossen werden, damit die Versorgung der Patienten verbessert werden kann.
Von den derzeit knapp 1.400 Krankenhäusern sollten nur deutlich weniger als 600 größere und bessere Kliniken erhalten bleiben, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Untersuchung der Bertelsmann Stiftung. Sie könnten dann mehr Personal und eine bessere Ausstattung erhalten.
"Nur Kliniken mit größeren Fachabteilungen und mehr Patienten haben genügend Erfahrung für eine sichere Behandlung", betonen die Autoren der Studie. Viele Komplikationen und Todesfälle ließen sich durch eine Bündelung von Ärzten und Pflegepersonal sowie Geräten in weniger Krankenhäusern vermeiden. Kleine Kliniken verfügten dagegen häufig nicht über die nötige Ausstattung und Erfahrung, um lebensbedrohliche Notfälle wie einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall angemessen behandeln zu können.
Nur in ausreichend großen Kliniken könnten Facharztstellen rund um die Uhr besetzt werden. Auch Computertomographen und andere wichtige Geräte könnten dann in allen Kliniken bereit stehen. Vor allem die Qualität der Notfallversorgung und von planbaren Operationen lasse sich so verbessern. Auch der Mangel an Pflegekräften könne so gemindert werden. "Es gibt zu wenig medizinisches Personal, um die Klinikzahl aufrecht zu erhalten", schreibt Bertelsmann-Projektleiter Jan Böcken.
Bertelsmann-Studie: Erreichbarkeit von Kliniken sei nicht entscheidend
Über eine Verringerung der Zahl der Krankenhäuser wird in Deutschland seit langem diskutiert. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte kürzlich betont: "Ein Krankenhaus vor Ort ist für viele Bürger ein Stück Heimat." Gerade in gesundheitlichen Notlagen brauche es eine schnell erreichbare Versorgung. Krankenhäuser in ländlichen Regionen erhalten von den Krankenkassen künftig extra Geld. Vorgesehen sind im nächsten Jahr Finanzspritzen für 120 Kliniken von jeweils 400.000 Euro und damit insgesamt 48 Millionen Euro.
In der Bertelsmann-Studie heißt es dagegen, die schnelle Erreichbarkeit eines kleinen Krankenhauses sei nur ein vermeintlicher Vorteil. Wenn dort kein Facharzt verfügbar sei, habe die Klinik einen gravierenden Qualitätsnachteil. Eine Fallstudie für die Region Köln/Leverkusen und den angrenzenden ländlichen Raum habe gezeigt, dass Patienten dort bei einer Verringerung der Zahl der Kliniken von 38 auf 14 im Durchschnitt keine viel längeren Fahrzeiten in Kauf nehmen müssten.
Viele Krankhäuser in Deutschland haben finanzielle Probleme
Die finanzielle Lage vieler Krankenhäuser in Deutschland ist prekär. Nach jüngsten Zahlen der Deutschen Krankenhausgesellschaft hat jede dritte Klinik 2017 rote Zahlen geschrieben. Die sogenannten Rationalisierungsreserven seien mittlerweile ausgeschöpft, hatte die Krankenhausgesellschaft erklärt.
Die Autoren der Bertelsmann-Studie schlagen einen zweistufigen Aufbau einer neuen Krankenhausstruktur vor. Neben Versorgungskrankenhäusern mit durchschnittlich gut 600 Betten soll es etwa 50 Unikliniken und andere Maximalversorger mit im Schnitt 1300 Betten geben. Aktuell hat ein Drittel der deutschen Krankenhäuser weniger als 100 Betten. Die Durchschnittsgröße der Kliniken liege bei unter 300 Betten.
Nach Ansicht der Wissenschaftler kommen in Deutschland zu viele Menschen ins Krankenhaus. Etwa fünf Millionen Patienten pro Jahr könnten genauso gut ambulant behandelt oder operiert werden. Die Zahl der Krankenhausfälle ließe sich so bis 2030 auf 14 Millionen in Jahr senken. Die Forscher verwiesen darauf, dass die Zahl der sogenannten Bettentage pro Einwohner in Deutschland um 70 Prozent über dem Durchschnitt der vergleichbaren EU-Länder liege. (dpa)
Lesen Sie auch: Union und SPD lehnen Kahlschlag bei Zahl der Krankenhäuser ab.
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier .
Die Diskussion ist geschlossen.
Na, das ist aber wirklich ein Vorschlag. Weil es zuwenig Krankenhauspersonal gibt, muss man ein paar Krankenhäuser dichtmachen.
Wie das nun wieder gehen soll, dafür bin ich anscheinend zu dämlich.
Vielleicht denke ich aber nur falsch. Ich gehe davon aus, wenn die Anzahl der Patienten gleich bleibt (und das wird sie wahrscheinlich) und die Menge der Krankenhäuser abnimmt, dann brauchen die wenigen Krankenhäuser immer noch die gleiche Anzahl an Personal. Außer a) es gibt weniger Personal oder b) die Versorgung wird schlechter. Das hat man in der jüngsten Vergangenheit immer wieder gehört.
Die übrig gebliebenen Krankenhäuser werden natürlich mehr Umsatz machen.
Viele Krankenhäuser wurden privatisiert, für die wird es sich rechnen, da dort meistens auch schlechter bezahlt wird.
Vielen Dank Bertelsmann Stiftung, ihr habt den Vogel wieder einmal abgeschossen. Ganz davon abgesehen, dass 1400:2=700 ergibt und nicht deutlich weniger als 600.
Gesundheitsversorgung dürfte nicht privatisiert werden, leider werden Probleme nur zögerlich wahrgenommen.