
Digital statt Papier? Pläne fürs 49-Euro-Ticket sorgen für Ärger

Die Ministerpräsidentenkonferenz kommt zusammen und berät über das 49-Euro-Ticket. Verkehrsminister Wissing (FDP) setzt auf eine digitale Lösung. Doch die würde viele Menschen ausgrenzen.
Im Grundsatz sind sich Bund und Länder einig: Zum Jahreswechsel soll es ein bundesweit gültiges 49-Euro-Monatsticket für Busse und Bahnen geben. Ob es sich ähnlicher Nachfrage erfreuen wird wie das beliebte Neun-Euro-Ticket, ist allerdings nicht nur wegen des höheren Preises fraglich.
Denn Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) setzt derzeit noch auf eine rein digitale Lösung, die Dauerfahrkarte wäre damit nur für Besitzerinnen und Besitzer von Smartphones und anderen kleinen Computern nutzbar. Doch nicht jeder und jede besitzt so ein Gerät – und deshalb gab es in den vergangenen Tagen bereits reichlich Kritik.
Viele Menschen in Deutschland sind nicht digital unterwegs
Nach jüngsten verfügbaren Angaben des Statistischen Bundesamtes war Ende 2021 jeder 20. Mensch im Alter von 16 bis 74 Jahren in Deutschland offline, also ohne Verbindung zum Internet. Selbst wenn sich diese Zahl verändert haben sollte, so ist doch offensichtlich, dass ein reines Digital-Ticket keine Lösung ist.
„Ein papierloses 49-Euro-Ticket, das die Nutzung eines Smartphones voraussetzt, wird viele Verbraucher und Verbraucherinnen vor Probleme stellen“, erklärte Gregor Kolbe. Er ist Referent für Verkehrsmärkte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Potenziellen Fahrgästen, die kein Smartphone hätten oder dieses für den Ticketkauf gar nicht nutzen wollen, werde der Erwerb unmöglich gemacht.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um das Video von Glomex anzuzeigen
Hier kann mit Ihrer Einwilligung ein externer Inhalt angezeigt werden, der den redaktionellen Text ergänzt. Indem Sie den Inhalt über „Akzeptieren und anzeigen“ aktivieren, kann die glomex GmbH Informationen auf Ihrem Gerät speichern oder abrufen und Ihre personenbezogenen Daten erheben und verarbeiten, auch in Staaten außerhalb der EU mit einem niedrigeren Datenschutz Niveau, worin Sie ausdrücklich einwilligen. Die Einwilligung gilt für Ihren aktuellen Seitenbesuch, kann aber bereits währenddessen von Ihnen über den Schieberegler wieder entzogen werden. Datenschutzerklärung
Wissing will „den ÖPNV einfacher machen, einfachere Ticketstrukturen einführen“ und mit „digitalen Mitteln mehr intermodalen Verkehr ermöglichen“. Intermodal meint hier die Kombination aus Verkehren zu Straße, Wasser, Schiene und in der Luft. Um das neue Ticket dauerhaft zu etablieren, will die Bundesregierung 1,5 Milliarden Euro an Haushaltsmitteln bereitstellen. Die Länder sollen mindestens die gleiche Summe aufbringen. Der SPD-Abgeordnete Bernd Rützel hatte sich schon früh für eine Nachfolge des Neun-Euro-Tickets starkgemacht.
Gibt es ein Recht auf ein analoges 49-Euro-Ticket?
Er ist der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales und findet zwar, dass das neue Ticket grundsätzlich papierlos sein sollte, erklärt gleichzeitig aber auch: „Bei aller Digitalisierung, die ich für sinnvoll halte, gibt es aber ein Recht auf ein analoges Leben.“ Er kenne viele Menschen, „die das Internet noch nie kennengelernt haben, und die müssen sich ein solches Ticket kaufen können“. Ob es ein Papierfahrschein sein müsse, sagte Rützel unserer Redaktion, sei dahingestellt. Er könne sich „auch eine Chipkarte oder Ähnliches vorstellen“. Verbraucherschützer Kolbe würde einen Schritt weitergehen. „Es muss natürlich auch ein analoges 49-Euro-Ticket verfügbar sein, das an Fahrkartenautomaten oder Schaltern gekauft werden kann“, sagte er unserer Redaktion.
Am Donnerstag und Freitag kommen die Regierungschefs und -chefinnen der Bundesländer in Hannover zusammen und beraten unter anderem über das 49-Euro-Ticket. Das natürlich nur funktionieren kann, wenn das Angebot stimmt. Das Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene erwartet denn auch von dem Treffen „eine Richtungsentscheidung, wie parallel zum vereinbarten 49-Euro-Ticket mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund und Ländern das ÖPNV-Angebot in Stadt und Land massiv ausgebaut werden kann“. Reine Preispolitik reiche nicht, sagte Geschäftsführer Dirk Flege unserer Redaktion und forderte: „Es müssen mehr Busse und Bahnen fahren und das mit einer guten Qualität.“
Verband fordert bessere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern
Dabei geht es wie so oft vor allem ums Geld. Die Länder fordern höhere Zuschüsse vom Bund, Verkehrsminister Wissing hielt sich dazu am Mittwoch bedeckt. „Alle gehen davon aus, dass man eine Lösung für die Fragen findet“, sagte er, man könne aber noch nicht sagen, wie die Ministerpräsidentenkonferenz ausgehe.
Die Allianz pro Schiene schlägt eine „Mobilitätsgarantie in ganz Deutschland“ als mittelfristiges Ziel vor. „Da werden neben dem Bund auch die Bundesländer finanziell gefordert sein“, sagte Flege, der die Verkehrspolitik seit gut 20 Jahren eng begleitet und schon einige Regierungen mit ihren Konzepten erlebt hat. „Wir müssen endlich wegkommen von der Kleinstaaterei im öffentlichen Verkehr und brauchen im Schlepptau des 49-Euro-Tickets einen wetterfesten Mobilitätspakt zwischen Bund und Ländern“, sagte er.
Die Diskussion ist geschlossen.
Verwunderlich, dass der puritanisch wirkende Verkehrsminister so gaudimässig rüberkommt.
Eigentlich ein kluger Schachzug - eine langjährige Arbeitsplatzgarantie füretliche Verwaltungsleute. Dank der (offensichtlichen) Ungleichbehandlung von Smartphonebesitzern und -usern und Nichtbesitzern werden garantiert die Gerichte bemüht, vermutlich durch mehrere Instanzen. Da sind einige im Justizwesen über Jahre beschäftigt. Europäisches Recht könnte auch betroffen sein, ein paar Dutzend EU-Beamte werden sich der Sache widmen.
So funktioniert Politik bzw. die Umsetzung derselben.
---Ironie aus!! ----
Welch eine hirn- und sinnlose Diskussion! Wir haben funktionierende Fahrscheinautomaten, man braucht nur ein Programmupdate zu machen, übrigens für das 9-Euro-Ticket wurde auch ein Update zu diesen Automaten umgesetzt und eingespielt, und jeder kann sich das Ticket seiner Wahl lösen. Manchmal fragt man sich, warum überhaupt solche Diskussionen geführt werden? Man könnte jetzt sogar hergehen und das Programm des 9-Euro-Tickets mit Anpassungen für das 49-Euro-Ticket nutzen. Aber, ach weh, da muss ja kein neuer Auftrag vergeben werden, sondern nur eine kleine Anpassung ist notwendig. Nein, das sind zu geringe Kosten!
Wenn sie das einführen, also das Ticket nur nutzbar mit Smartphone, dann müssen Smartphones aber vor Beschlagnahme bei Demos und Hausdurchsuchungen besonders geschützt werden! Weil die Geräte sind dann Monate lang weg. Impfnachweis, bezahlen und sich ausweisen allein mit dem Smartphone kommt ja auch immer mehr.
Na dann wollen wir mal hoffen, dass Ihr Smartphone nicht verloren oder kaputt geht. Dann ist es eventuell auch länger wie ein paar Monate weg.
So weltfremd kann auch nur ein Minister aus der Fahr-Doch-Porsche Partei sein.
Grüße an den Verkehrsminister, er soll sich schämen. Es wird was dabei sein, Papieranträge mit unterschriebener Einzugsermächtigung und einem Passfoto entgegenzunehmen um dann per Briefpost eine Scheckkarte mit Passbild und QR- Code zu verschicken, meinetwegen auch mit 12€ Bearbeitungsgebühr. Bei einer Scheckkarte kann nicht der Akku ausgehen, das würde sogar ich als Backup zum Smartphoneticket haben wollen.
Der nächste Schritt wäre, dass man mit diesem Ticket 20% Ermäßigung auf alle Fernverkehrszüge bekommt.
Bitten bloß nicht! Nicht noch eine Karte! Der Geldbeutel quillt eh schon über von diesem überflüssigen Plastikmüll! Smartphone und gut isses. Bei Preisen im Gegenwert von ein paar Schachteln Zigaretten ist Nichtbesitz auch wirklich kein Argument mehr, sondern maximal ein Scheinargument.
@Robert: Sie werden irgendwann einmal hoffentlich auch 70 alt und sind dann nicht mehr geistig so fit wie die jungen. Möchten Sie dann diskriminiert werden, wenn es dann irgendein anderes kompliziertes, nervtötendes technisches Gelumpe braucht, um an der Gesellschaft teilnehmen zu können?
Unterm Strich sind sogar zwanzig Plastikkarten im Geldbeutel deutlich ökologischer als ein Smartphone, das man nach drei Jahren wegwerfen kann, weil der Akku kaputt ist. Die Karte kann man zu 99% wiederverwerten, das Handy nicht.
@Robert: Aus eine Scheckkarte wird Plastikmüll der sich komplett wiederverwerten lässt, im schlimmsten Fall bei der thermischen Verwertung ein bischen CO2 und Energie. Ein Handy ist nach drei Jahren Nutzung übelster Sondermüll, fast das halbe chemische Periodensystem steckt in einem Gerät, Stoffe die sich nie wieder sortenrein trennen lassen.
Es wird spannend, wenn uns irgendwann einmal die ganzen seltenen Rohstoffe ausgehen, das könnte dann die nächste Weltwirtschaftskrise werden.
@Gerold R.: " Möchten Sie dann diskriminiert werden, wenn es dann irgendein anderes kompliziertes, nervtötendes technisches Gelumpe braucht, um an der Gesellschaft teilnehmen zu können?"
Sie haben doch jederzeit die Möglichkeit, sich eine Einzelfahrkarte zu einem bestimmten Fahrtziel zu kaufen. Das 49-Euro-Ticket ist ja ein Abo für den Nahverkehr, mit 70 werden die meisten Menschen kaum noch täglich den ÖPNV nutzen. Ich gehöre auch zur Altersgruppe 70+, ich habe seit Jahren ein Smartphone, der Gebrauch ist sicher kein Hexenwerk. Ich gebe aber Ihnen und anderen Kritikern recht, dass es möglich sein muss, das Ticket beim Erwerb auch in Papierform zu bekommen, so es vom Käufer gewünscht ist.
@Gerold: Meine Mutter ist 82 und macht alles mit dem Smartphone (das sie übrigens seit 4 Jahren besitzt und der Akku ist immer noch 1A).
(edit/mod)